Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

„Österreich“ berichtet heute auf Seite 4:

Schon wieder iPhone-Raub in U-Bahn
[…]
Das iPhone ist bei den Tätern nicht nur wegen des Designs so beliebt. Am Schwarzmarkt lässt sich Apple’s [sic!] Wunderding locker um ein Vielfaches des Einkaufspreises verkaufen.

Heißt das eigentlich Schwarzmarkt, weil die dort nicht besonders helle sind?
Egal, ich geh jetzt iPhones kaufen…

Dieser Auszug aus dem angeblichen Geheim-Dossier der Polizei zum Fall Julia Kührer erschien am 25. Mai in der Gratiszeitung „Heute“.

Stammt der Dialog lediglich aus den Köpfen der „Heute“-Redaktion? Denn laut Krone.at heißt es aus dem Bundeskriminalamt:

All das, was bisher unter diesem Begriff veröffentlicht wurde, entspricht weder inhaltlich noch im Wortlaut dem Bericht, den wir der Korneuburger Staatsanwaltschaft sowie den Verteidigern übermittelt haben

Und die Hauptstadt ist..

Bericht: Vol.at. Antigua ist übrigens, wie der Name schon sagt, die alte Hauptstadt (bis 1773).

Auf ein Musterbeispiel dafür, wie Medien komplette Presseaussendungen einfach übernehmen und veröffentlichen, hat uns Kobuk.at-Leser Alexander Fritz heute aufmerksam gemacht.

Ihm kam ein Artikel der Vorarlberger Nachrichten auf vol.at merkwürdig unjournalistisch vor. Nach kurzer Recherche konnte die dazugehörige Pressemitteilung dann auch problemlos gefunden werden.

Unter der Überschrift „Wem gehört dieser Po?“ ist die Pressemeldung fast 1 zu 1 (einzelne Wörter wurden gestrichen oder ergänzt) veröffentlicht worden.

Was Kobuk-Co-Autor Werner Schrittesser an Gallien erinnert:

Ganz Österreich ist von fleißig recherchierenden und eigene Nachrichten verfassenden JournalistInnen durchdrungen. Ganz Österreich? Nein, ein kleines Blatt braut seinen eigenen Zaubertrank, welcher Presseaussendungen zu Nachrichten – pardon: Vorarlberger Nachrichten werden lässt.

Vielen Dank für den Hinweis, Alexander!

Foto: © obs/AXE Unilever Deutschland

Vol.at vom 29.05.2010 / 17:05 Uhr

 Der Onlineanbieter Vorarlberg – Online bringt heute auf seiner Startseite im Bereich des Newstickers eine Meldung über eine Mutter, die veruteilt wurde, weil sie sich in den Facebook-Account ihres Sohnes eingeloggt und sich auf dessen eigenem Profil negativ über ihn geäußert hatte.

Hier handelt es sich auch um eine Geschichte die sich medial schon Anfang April (7. bzw. 8.4.) auf  englischsprachigen Nachrichtenseiten niedergeschlagen hat:

Das Ding ist also 51 Tage alt und wird als „Topnews“ auf der Startseite von Vol.at angeboten.

Wieder Schleichwerbung beim ZDF und wieder mit Andrea Kiewel?

Bereits 2007 führte ihr Auftritt in der ZDF Show „Johannes B. Kerner“ und ihre dortige Werbung für die „Weight Watchers“ zu zuerst heftiger Kritik von allen Seiten und im späteren Verlauf auch zu ihrer Kündigung.

In der Kritik steht diesmal der ZDF Fernsehgarten, wie die Blogmedien berichten. Dort ist seit diesem Jahr nämlich Angelika Kölle als Gartenexpertin mit von der Partie. Frau Kölle wird von nun an in jeder Sendung auftauchen und als selbsternannte Koryphäe der Gartenbaukunst den Zuschauern Tipps und Tricks zur Gartenpflege verraten. Nicht zufällig ist dabei, dass Frau Kölle zusätzlich die Chefin der gleichnamigen Gartenbaumarkt-Kette ist. Ebenfalls sicher nicht zufällig ist weiter, dass das ZDF einen „Kooperationsvertrag“ mit den Gartencentern für diese Saison geschlossen hat.

Bei diesem Vertrag, handelt es sich um ein Abkommen zwischen dem ZDF und Gartencenter Kölle, indem sich, Zitat Blogmedien,

..sich die Gartencenter-Kette zu “Sachbeistellungen für Pflanzen und Gartenzubehör bzw. -ausstattung sowohl für die Garten-Sequenzen einzelner Sendungen als auch für die Ausschmückung von Bühne und Gelände des Fernsehgartens” verpflichtet habe.

Der Wert des Vertrages wird vielerorts, jedoch nach wie vor unbestätigt, mit 250.000€ beziffert.

Zudem gab es noch unter allen Teilnehmern des Fernsehgarten-Gewinnspiels einen von zwanzig 50€-Gutscheinen zu gewinnen. Fast schon überflüssig zu erwähnen ist, dass es sich dabei um Gutscheine für, richtig, das Gartencenter Kölle handelte.

Das ZDF ist sich bei all dem keiner Schuld bewusst. Da es sich nur einen „Kooperationsvertrag“ und nicht um „Schleichwerbung“ handele, sei alles korrekt verlaufen. Ob diese Aussage jedoch nach der vergangenen Sendung noch zutreffend ist, wird von deutschen Gerichten wohl in naher Zukunft zu prüfen sein.

An der vollständigen Einhaltung des § 4( 3 ) des „Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb“ oder des Artikel 9.3.1 der „ZDF-Richtlinien für Werbung, Sponsoring, Gewinnspiele und Produktionshilfe“ darf gezweifelt werden. Demnach

..ist Schleichwerbung unzulässig, weil jede Werbemaßnahme so beschaffen sein muss, dass ihr werbender Charakter von den Angesprochenen erkannt werden kann.

Des weiteren ist es unerlässlich, dass

Die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit hinsichtlich Inhalt und Sendeplatz (müssen) unbeeinträchtigt bleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die journalistische oder künstlerische Darstellungsfreiheit eingeschränkt ist, liegen vor, wenn

– die Initiative zur Berichterstattung nicht von der Redaktion, sondern von einem Hersteller, Dienstleister oder deren Vermittler ausgeht. Erst recht gilt dies, wenn deren Produkte Gegenstand des Beitrags sind,

– im Beitrag der Name oder Produkte des Produktionshelfers auftauchen, ohne dass dies aus journalistischen oder künstlerischen Gründen zwingend erforderlich ist,

– das Konzept einer Sendung darauf zugeschnitten ist, dass ein Hersteller oder Dienstleister seine Produkte präsentieren kann, ohne dass dies mit inhaltlichen oder redaktionell-gestalterischen Überlegungen erklärbar erscheint, (…)

Es bleibt also spannend, wie die deutschen Gerichte in dieser Kausa entscheiden und vor allem, wie das ZDF mit diesen Vorfwürfen umzugehen gedenkt. Am kommenden Sonntag steht ab 11.00 eine neue Sendung des „Fernsehgartens“ an. Ob, wie ursprünglich angekündigt, auch Frau Kölle mit dabei ist, bleibt abzuwarten.

Die Online-Version der Gratiszeitung „Österreich“, Oe24.at nähert sich langsam dem Niveau der britischen SUN an: Vor kurzem erschien ein Bericht über ein vermeintliches Geisterkind, das in Schottland sein Unwesen treiben soll. Für die RedakteurInnen von Oe24 ist es nichts Ungewöhnliches, dass es in schottischen Schlössern spukt, aber dass die Geister sich nun auch in Hotels breit machen, scheint sie wahrlich zu irritieren:

Dass es in Großbritannien in unzähligen Schlössern spukt, ist bekannt. Nun hat sich ein Geist sogar in ein Hotel eingeschlichen.

Ein schottischer Hotelier hat angeblich auf der Überwachungskamera des Hotel-Parkplatzes ein Geisterkind entdeckt. Das historische Gebäude im Süden von Schottland war früher eine Baumwollspinnerei, in der auch Kinder arbeiten mussten.  Der Hotelbesitzer befürchtet nun, dass ein Kind zurückgekehrt ist, um seinen Gästen Angst einzuflößen. Oe24 hat zur Erscheinung des Kindergeistes eine ganz eigene Theorie:

Kann sich einer ihrer Seelen nun nicht mehr von dem früheren Arbeitsplatz lösen?

Abgesehen von der Tatsache, dass die Punkte auf dem Überwachungsvideo wirklich alles sein könnten, nur kein Geist- kann man dem Hotelbesitzer schon einmal zu einem satten Umsatzplus gratulieren. Es gibt eben genügend Boulevardblätter, die sich um solche völlig belanglosen Stories reißen und ihm damit gratis Werbung liefern.

Die Gratisblätter „Heute“ und „Österreich“ berichteten am 19.05. über die eklatanten Fehlstunden der heimischen Lehrer.

„Heute“ schreibt in fetten Lettern:

und „Österreich“ noch größer:

Im Artikel schreibt „Heute“:

  • 58 Prozent der Lehrer schwänzen Stunden komplett
  • 14 Prozent sind mangelhaft vorbereitet
  • und 49 Prozent kommen zu spät.

Und „Österreich“ schreibt:

  • 21 Prozent der Lehrer fehlen regelmäßig
  • 15 Prozent bereiten sich mangelhaft vor
  • und 8 Prozent kommen zu spät.

Woher nehmen „Österreich“ und „Heute“ die Zahlen? „Österreich“ gibt die Talis-Studie als Quelle an, „Heute“ schreibt dagegen nur nebulös von einer „Schul-Studie“. Erst aus dem Kontext von Datum der Veröffentlichung, zitierte Zahlen und Experten kann man schließen, dass sich auch „Heute“ auf die Talis-Studie bezieht.

Der Zahlensalat geht aber weiter, „DerStandard.at“ schreibt:

  • über 20 Prozent sind „sehr viel“ oder zu „einem gewissen Ausmaß abwesend“
  • 14 Prozent sind „nicht genügend“ auf den Unterricht vorbereitet
  • und beinahe 10 Prozent kommen zu spät.

Wie kommen nun die Medien auf so unterschiedliche Zahlen? Auf Seite 84 des BIFIE-Reports 4/2010 (pdf) findet man die Antwort:

„Heute“, „Österreich“ und „DerStandard.at“ haben die Statistik verschieden interpretiert. Das Zuspätkommen ist ein schönes Beispiel dafür:

  • „Österreich“ zählt bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen = 8 Prozent und schreibt über „regelmäßiges“ Zuspätkommen
  • „Heute“ zählt ein wenig, bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen = 49 Prozent und schreibt von „zu spät kommen“
  • Und „DerStandard.at“ zählt bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen und schreibt von „beinahe 10 Prozent“.

Aber nicht nur bei den Zahlen wurde geschummelt. „Österreich“ schreibt: „Neue OECD-Studie“. Tatsächlich stammt die Talis-Studie von 2008. Das hat „Österreich“ und „Heute“ mal vorsorglich weggelassen. Bleibt nur noch die Frage offen: Warum berichten gerade jetzt die Medien über eine Studie von 2008? Auch „DerStandard.at“ beantwortet diese Frage nicht. Das Rätsel löst aber eine OTS-Aussendung des BIFIEs. Denn am 17.05. um 19:00 Uhr fand eine Veranstaltung zur Studie statt. Präsentiert wurden vertiefende Analysen und Expertenberichte. Die Ergebnisse der Studie wurde außerdem in einem neuen BIFIE-Report zusammengefasst.

„Österreich hat seit heute wieder ein Selbstkontrollorgan für die Medien. […] Es ist ein Kontrollorgan für alle Medien. Für Printmedien, für die neuen Medien, für Rundfunk, für Fernsehen, für Internet, für Radio — für alle Medien, die es gibt und auch, die es geben wird. […] Dieses Selbstkontrollorgan […] soll schauen, dass es hier um einen humanistischen Journalismus geht und um eine saubere Ethik im Journalismus.

Wir haben gleich eine Botschaft an die Politik […]: Das Selbstkontrollorgan für die Medien in Österreich, der österreichische Medienrat, ist hiermit gegründet. Er funktioniert ab dem heutigen Tag und daher ist eine Verschärfung des Mediengesetzes, wie es die Justizministerin andenkt, nicht mehr notwendig. Wir können, und wir sind in der Lage, die österreichische Medienlandschaft selbständig zu kontrollieren und auch entsprechend zu organisieren, was die Ethik des Journalismus betrifft.“

  • Keine Sorge, wir sind beim Formulieren unseres Kobuk-Leitbilds nicht zu lange in der Sonne gesessen (wie auch, in diesem Jahr?). Obiges sprach ÖJC-Präsident Fred Turnheim am 27.5.2009, in der 1. Pressekonferenz des österreichischen Medienrates. Ja, den gibt es wirklich … irgendwie. Hans Peter Lehofer (Verwaltungsrichter und ehemaliger Chef der Medienbehörde KommAustria) zieht in seinem Blog pointiert Bilanz über das erste Jahr: Guat is gangen, nix is gscheh’n? Zum einjährigen „Bestehen“ des sogenannten Medienrats
  • Die Ostmafia ist immer für eine Schlagzeile gut. Derzeit verlagert sie ihren Schwerpunkt wieder vom Boulevard auf die Bühne. Richtig, es ist Song Contest-Zeit und doch wirklich hochverdächtig, zumindest für ORF, „Die Welt“ und dpa, dass sich im Halbfinale so viele Osteuropäer durchsetzen konnten. Einen ziemlich absurden Verdacht, warum das so war, hegen Elab|or|at und Stefan Niggemeier in ihren Blogs.
  • Und abschließend noch von „nömix“: Ein todsicherer Tipp im profil, der den Sensenschwinger gar nicht freuen dürfte.

PS: Um sich vor Anrufung zu schützen — pardon, vor missbräuchlicher — hebt der Medienrat eine kleine Bearbeitungsgebühr ein. 700 Euro kostet die Beschwerde im Regelfall. Die Anrufung von Kobuk bleibt kostenlos — garantiert!

(Foto: CC Zanthia)