Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Helmut Qualtinger cc by Shivaelektra

Heute vor 60 Jahren, am 3. Juli 1951, wartete am Wiener Westbahnhof eine Meute von Fotografen und Reportern, um den „Eskimodichter“ Kobuk zu empfangen, unter anderem bekannt für seine Werke „Brennende Arktis“ und „Heia Musch Musch“. Aus dem Zug stieg, in Pelzmantel und Pelzmütze, Helmut Qualtinger. Seine Antwort auf die Frage eines Radioreporters, wie es Kobuk denn in Wien gefalle: „Haaß is“.

Qualtinger hatte dem Präsidenten des PEN-Clubs bei einem Empfang in dessen Wohnung Briefpapier geklaut und darauf den Kulturredakteuren des Landes die bevorstehende Ankunft des weltberühmten Dichters angekündigt. Fast alle Tageszeitungen druckten brav entsprechende Ankündigungen ab oder schickten Reporter zum Westbahnhof. Immerhin soll Kobuk auch vorgehabt haben, die Wiener Eisrevue zu einer Grönlandtournee zu überreden.

Anschließend rief Qualtinger mit verstellter Stimme den Leiter des Kulturressorts der Arbeiterzeitung an, was dazu führte, dass diese vier Tage nach dem eigentlich bereits aufgeflogenen Coup in nebenstehendem Zweispalter über Kobuks „beachtliche Leserschaft“ schrieb.

Die Kobuks von heute werden von den Nachfolgern von Arbeiterzeitung und Co in so erschreckender Regelmäßigkeit selbst produziert, dass uns nur noch die Aufgabe bleibt, diese zu dokumentieren.

Danke, Qualtinger!

Der Weltmilchtag (1. Juni, für alle, die das auch nicht wussten) ist „Heute“ einen ganzseitigen Spezialteil wert, ohne jegliche Kennzeichnung als werbliche Einschaltung. „Milch wird immer bestens behandelt“ steht da.

Das dürfte auch für die AMA (Agrarmarkt Austria) gelten. Der Vorstandsvorsitzende der AMA kommt zu Wort, in einer Meldung wird Werbung für AMA-Broschüren gemacht und in einem Einspalter findet sich gar das AMA-Logo. Ganze sechs Nennungen der AMA auf einer Seite. Zitat: „Das AMA-Gütesiegel setzt der Milch die Krone auf“.

Passend dazu gleich auf der folgenden Seite ein Inserat der AMA – „Krönender Genuss“:

Wenn da die Milch nicht sauer wird..

Zahlen in Diagrammen und Grafiken richtig und sinnvoll darzustellen stellt für manche Medien immer wieder eine unlösbare Hürde dar. „Die Presse“ fügte diesem Umstand auf Seite 6 ihrer Ausgabe vom 3. Juni ein weiteres Kapitel hinzu:

In Österreich hielten sich also pro Million Einwohner 345 und insgesamt 11.050 Asylwerber auf. Unter Anwendung der Schlussrechnung (11.050 durch 345) kommt man zu dem Ergebnis, dass per 1. Jänner 2010 hierzulande über 32 Millionen Menschen lebten. Die Grafik strotzt vor Fehlern, kein einziges Land ist korrekt angegeben. Hier ein paar Beispiele dazu:

LandEinwohner laut “PresseEinwohner tatsächlich
Zypern2,2 Mio.1,1 Mio.
Schweden32,2 Mio.9,4 Mio.
Österreich32,0 Mio.8,4 Mio.
Frankreich229,3 Mio.65,5 Mio.
Deutschland248,7 Mio.81,8 Mio.
EU-271.718,8 Mio.501 Mio.
Malta1,5 Mio.413.000
Portugal32,0 Mio.10,6 Mio.

Die Schweiz, Norwegen und Liechtenstein sind außerdem keine EU-Mitglieder, wie in dieser Grafik suggeriert wird.

Laut Quellenangabe der „Presse“ sind die Zahlen vom Statistischen Amt der Europäischen Union (kurz: EuroStat). Aber selbst auf deren Website finden sich völlig andere Angaben (Seite 2, PDF-Datei).

 

Mittlerweile dürfte es sich bereits herumgesprochen haben: Der neue Mediamarkt in Stadlau wartet mit „tollen“ Eröffnungsangeboten. Zur Sicherheit erinnerte uns die „Österreich“-Redaktion am 26. (links) und 27. Mai (rechts) noch einmal daran:

Rektor Seymour Skinner, alias Armin Tamzarian aus den „Simpsons“, schreibt erneut einen Leserbrief an die Kronen Zeitung. Diesmal mit einem Plädoyer gegen Fußball.

Im Wirtschaftsteil der „Heute“-Ausgabe von heute findet man einen kleinen Artikel über die neue Marke „Jeden Tag“, mit der die Kette Zielpunkt vermehrt Kunden gewinnen wolle. Samt Logo-Abdruck und der werblichen Überschrift Eigenmarke zum Minipreis.

 

Auf Seite 27 dann dazu die dazu passende Anzeige, die den Verdacht von Schleichwerbung aufkommen lässt:

 

1. Die „Kleine Zeitung“ lässt am 25.05. in einem Bericht über Tornados in den USA vier Tote sterben:

2. Wie man solche Fehler vermeidet, zeigt die Printausgabe der „Presse“ am 29.05. auf Seite 45:

3. Der ORF verwandelt am 12.04. Staatssekretär Sebastian Kurz im Interview zu einer Frau Schittenhelm (nach 4:20 min):

4. Nach dem Erdbeben in Japan war man bei Oe24.at so verwirrt, dass man seitdem die Erdrotation im gleichen Artikel für um 1,8 Mikrosekunden erhöht und weniger Zeilen darunter wieder für verkürzt hält:

Herzlichen Dank u.a. an Tom und Klaus für die Hinweise.

In der ZIB 24 vom 26.5. bekam man zur Verhaftung des ehemaligen Oberbefehlshabers der Armee der bosnischen Serben folgenden Satz zu hören:

Ratko Mladic, der Mann, der verantwortlich ist für das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem 2. Weltkrieg.

Selbst bei diesem heiklen Thema gilt für den Angeklagten immer noch die Unschuldsvermutung.

 

Tatsache ist, dass sich Medien mit vorverurteilenden Aussagen zurückhalten müssen, bis das Urteil offiziell verkündet wurde. Dies gewährleistet dieser Paragraph des österreichischen Mediengesetzes.

Auch das International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia hat sich hier gegen eine Vorverurteilung und für die Unschuldsvermutung und einen fairen Prozess ausgesprochen.

Danke für den Hinweis an einen Leser.

Dass manchen Redakteuren die Grenzen zwischen Gefundenem und Erfundenem nicht so wichtig ist, hatten wir ja erst kürzlich. Diesmal versucht sich „Heute“ daran, aus einem Artikel der „Presse“ über die angebliche Drogenszene bei der U6-Station Josefstädter Straße eine Panikmeldung für einen ganzen Bezirk (an dessen äußerstem Rand die U-Bahn-Station liegt) zu machen:

„Heute“, 25.5.2011, S. 16


Besonders spannend scheint, dass sich „Heute“ beim Zusammenfassen des Presse-Artikels nicht die Mühe gemacht hat, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen der „Josi„, dem Tageszentrum für Obdachlose im Bildhintergrund, und der Ansiedelung der Suchtgiftszene hinzuweisen.

Geht man davon aus, dass der typische „Heute“-Leser damit schon überfordert wäre?

Wie wurscht „Österreichs“ Journalisten die Grenze zwischen Gefundenem und Erfundenem ist, merkt man oft auch speziell im Kleinen. An der Geschichte dieses Ausreißers zum Beispiel:

"Österreich", OÖ-Ausgabe, 27.5.2011, S. 17

Neben der Headline ein anonymisiertes Foto des Jungen, mit der Bildunterschrift:

Kleiner Armin verirrte sich.

Stutzig macht den geübten Medienbeobachter (Vorsicht, Eigenlob) nur, dass der Bub auf dem Bild heult. Hat der Erwachsene, der ihn dann im Kindergarten ablieferte, etwa erst noch ein Foto von dem Kleinen, mitten in seiner größten Not, geschossen und es an „Österreich“ verhökert?

Nein. Es musste wieder mal, wir erinnern uns an „Österreichs“ faulsten Lehrer, einfach nur ein Bild her. Und dem Leser kann’s doch egal sein, ob das nun wirklich dieser Armin ist oder ein x-beliebiges US-Model aus der Getty-Bilderdatenbank (dort natürlich ohne Augenbalken). Und was hätten’s, statt zu lügen, denn auch drunter schreiben sollen … „Symbolkind“ etwa?

Man kann’s auch positiv sehen: Immerhin hat „Österreich“ diesmal keine Persönlichkeitsrechte verletzt.