Wir recherchieren nach,
damit ihr nicht müsst.

Hilf uns: Nur noch 5 Tage!

  • 512/1.000 Mitglieder

Diesen Sonntag hat Fleischhacker doch tatsächlich in der „Presse“ darum gebettelt, man möge seine „Presse am Sonntag“ nun bitte abonnieren. Die ist ja jetzt auch nicht wirklich schlecht gemacht, abgesehen von den unsäglichen Leitartikeln des Chefredakteurs und seiner Adjutanten. Allerdings merkt man der „Presse am Sonntag“ auch ein bisschen an, dass sie nicht von einer eigenen, sondern von der (wahrscheinlich schon vorher nicht gerade unterbeschäftigten) Wochen-„Presse“ Redaktion erstellt wird.

Da war diesen Sonntag zum Beispiel ein Artikel über Internetsucht in China. Naja. Selbst als das Thema aktuell war (so vor ca. 2-3 Jahren), waren die meisten Geschichten darüber eher anekdotischer Natur. Aber da sich die „Presse am Sonntag“ ja auch eher als Magazin denn als schnelllebige Tageszeitung sieht, ist ein solcher Artikel ganz ok. Es soll ja noch Leute geben die noch nicht darüber gelesen haben, wie verrückt diese Chinesen sind, die ihre Kinder mit Elektroschocks davon abhalten wollen, Computer zu spielen oder im Internet zu surfen.

Interessant sind allerdings zwei Dinge an diesem Artikel. Erstens, dass der von einer Jutta Lietsch geschriebene Artikel auch gestern bei der Online-taz erschien.  Was ja nicht wahnsinnig ungewöhnlich ist, schließlich müssen Seiten gefüllt werden. Und wenn nötig, wird zugekauft. Noch interessanter aber ist die Auswahl der Überschriften und Anreißer für ein und denselben Artikel.

„Presse“:

Aus der "Presse am Sonntag"

„taz“:

Aus der "taz"

Während die „Presse“ das Hauptaugenmerk darauf legt, dass es doch tatsächlich Menschen gibt, die ihr Leben in einer Parallelwelt verbringen, stößt sich die „taz“ eher daran, dass diesen wie „Treibholz“ Dahintreibenden ihr Slackertum mit Elektroschockern ausgetrieben wird.

Ein kleiner, aber irgendwie entlarvender Unterschied.

Dieser Beitrag ist auch auf richardhemmer.com erschienen.

Die regelmäßige Druckschrift „Österreich“ weist laut Standard-Online-Ausgabe in Ihrer Ausgabe vom 15. Februar 2010 darauf hin, wie man das Ergebnis der Wiener Volksbefragung nachträglich beeinflussen kann. Indem man nämlich ein wenig schummelt.

ScanDie etwas sehr weichen Spielregeln der Wiener Volksbefragung lassen es nämlich zu, sich bei manchen Angaben etwas freier mit der Wahrheit zu geben – die Wahlkarten müssen nämlich vor dem 13. Februar ausgefüllt werden. „Annahmeschluss“ ist allerdings der 21. Februar. So lange kann man nämlich seine Wahlkarte in einem der extra errichteten Postkästen einwerfen.

Dass diese Lücke im Volksabstimmungsprozedere vom Fellner-Blatt aufgedeckt und publik gemacht wird, ist gelebter Journalismus und somit gut. Der Aufruf, so zu handeln ist es weniger. Bedenklich wird es auch, wenn der Wiener Bezirksrat Christian Passin dies gar so interessant findet, und dazu auffordert, ebenfalls ein wenig „Nachbestimmung“ zu betreiben.

Bild: derstandard.at

Edit (17. Februar 2010):

Mittlerweile führt der Link zu Christian Passins Blogeintrag ins Leere. Ob da wohl jemand …? Jedenfalls kann man, Google-Cache sei Dank, hier nachlesen, was denn der Herr Passin so vorgeschlagen hat:

Sie sind mit dem Ergebnis der Wiener Volksbefragung nicht zufrieden und ärgern sich nicht abgestimmt zu haben? (..) Einfach den Stimmzettel und die Stimmkarte ausfüllen, bei Datumsangabe einfach 11. oder 12. Februar angeben und bis spätestens Donnerstag, 19. Februar, zur Post bringen. (..)

„Eingenistet im Enddarm der Kronen Zeitung lebt es sich als Politiker leichter.“ schreibt der grüne Landtagsabgeordnete Martin Margulies in seinem Blog und listet das Inseratenvolumen zur Wiener Volksbefragung nach Zeitung auf. Mit großem Abstand Nummer eins: Hans Dichands „Kronen Zeitung“, mit brutto fast €350.000 Anzeigevolumen, gefolgt von der von Dichands Schwiegertochter Eva geführten Gratiszeitung „Heute“.

Margulies vermutet: „Die Anfütterung zwecks positiver Berichterstattung hat System.“

Der Blogger Oliver Ritter hat zudem das Inseratenaufkommen der Stadt Wien in „Heute“ beobachtet und unabhängig von der Volksbefragungskampagne in den ersten zehn Februarausgaben an fünf Tagen bis zu zwei weitere Inserate der Stadt Wien gefunden. In Summe zählt Oliver 18 Inserate der Stadt Wien in diesen 10 Ausgaben von „Heute“.

Ob und wie sich das Anzeigenaufkommen auf die journalistische Arbeit auswirkt, ist jedenfalls schwer objektivierbar. Gibt nicht irgendwo eine Institution oder ein Watchblog, die sich kritischem Monitoring politischer Werbung verschrieben haben?

(Grafik: Martin Margulies.)

Wie wird unsere Gesellschaft, wie wird die Menschheit überleben, wenn keine Zeitungen mehr auf unseren Türschwellen liegen? Gar nicht. Wer macht die Nachrichten, wenn es keine Zeitungen mehr gibt? Niemand.

Eine Satire von Jesse Brown auf TVO. Via Leander Wattig.

Wenn es bei einer Volksbefragung nach Auszählung von erst zehn Prozent der Stimmen in einer Frage 11.184 : 13.987 steht und zudem noch nachträglich eine Woche lang Wahlkarten eingesandt werden können, was kann man dann heute seriös über das Ergebnis in dieser Frage sagen?

Überraschung: Wiener gegen Nacht-U-Bahn (oe24.at)
„Überraschung: Wiener gegen Nacht-U-Bahn“ (oe24.at)

Ein "Nein" gab es zur Nacht-U-Bahn (kleinezeitung.at)
„Ein ‚Nein‘ gab es zur Nacht-U-Bahn“ (kleinezeitung.at)

Nein zu U-Bahn… (krone.at)
„Nein zu U-Bahn…“ (krone.at)

Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass das Votum tatsächlich gegen die Nacht-U-Bahn ausfällt.  Ebenso gut könnten aber unter den zuerst eingelangten Stimmen jene Wähler stärker vertreten sein, die immer schon als Erste abgegeben haben und bislang eher selten in den Nightlines anzutreffen waren. Genau deshalb ist die Hochrechnung von Wahlergebnissen ja auch eine eigene Wissenschaft für sich.

Ausgeschlossen ist aber jetzt schon, dass diese Schlagzeilen heute richtig sind. Sie erweisen sich bestenfalls in einer Woche, mit etwas Glück, als nicht falsch — aber das ist etwas anderes.

Endergebnis ohne Briefstimmen (APA-Infografik)Fairerweise muss man sagen, dass dieser Fisch schon beim Kopf zu riechen begann. Denn wenn die oberste Presseagentur des Landes eine „Infografik“ veröffentlicht, ohne Hinweis auf den extrem niedrigen Auszählungsstand, dafür unter der frei erfundenen(?), jedenfalls aber irreführenden Bezeichnung „Endergebnis ohne Briefstimmen“ (in der Aussendung der Stadt Wien ist von Endergebnis keine Rede), dann ist das zumindest — wie hieß das bei der Volksbefragung gleich? — sehr suggestiv.

Fox News berichtet über Obamas neue Klima-Website und fragt sich angesichts des aktuell heftigen Schneefalls, ob denn an dieser Erderwärmung, von der alle reden, was dran sein kann: „Let’s talk about the dichotomy that that creates!“ Wo doch auch Sarah Palin herself nicht daran glaubt. Seht selbst:

Aus der Sendung Fox & Friends vom 9. Februar. Via Media Matters.

Update: Danke an Thomas für den Hinweis auf diese Daily-Show-Reaktion dazu:

vivailpapa

Eine Agenturmeldung besonderer Tragweite hatte dieser Tage die Austria Presse Agentur auf Lager:

Papst Benedikt XVI. bestaunte dichten Schneefall am Petersplatz

Utl.: Angezuckerte Kuppel des Petersdoms begeistert Touristen –
Verspätungen auf römischem Flughafen Fiumicino =

Rom (APA) – Benedikt XVI. hat am Freitag aus dem Fenster seiner Wohnung im Apostolischen Palast im Vatikan geschaut, um den dichten Schneefall über dem Petersplatz zu bestaunen. Dies berichteten einige seiner Mitarbeiter nach Angaben italienischer Medien. Dutzende von Touristen versammelten sich unter den Kolonnaden des Petersplatzes und fotografierten die angezuckerte Kuppel des Petersdoms.

Die Meldung inspirierte Niko Alm zu Alm hat Husten. Wie geht’s euch?

Einen köstlichen Fall von mutmaßlichem Bilderklau in der Redaktion von Bild.de hat das BildBlog aufgedeckt: Ein Artikel über den der Erde angeblich gefährlich werdenden Asteroiden Apophis wurde mit einer Grafik aus dem Fundus der Bildagentur Corbis illustriert – mit klar sichtbarem Wasserzeichen, das vor unbefugter Nutzung schützen soll:

bild_corbiskomet

Inzwischen wurde das Wasserzeichen einfach abgeschnitten, schließlich zählen BILD-Redakteure zu den fleißigsten BildBlog-Lesern.

Die Sparefrohs von BILD hätten auch ohne Einwurf von großen Scheinen zu guten Illustrationen kommen können, denn die Bilder der NASA unterliegem keinem Copyright. Und für alle anderen Themen gibt’s Suchmaschinen wie Everystockphoto, die nach lizenzfreiem oder Creative-Commons-Material suchen. Hier zwei passende NASA-Illustrationen:

Gut, das Ding links ist vielleicht ein bisschen größer als der Asteroid, um den es geht, aber sowas stört bei BILD ja selten jemanden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis 2029 auf der Erde einschlägt, liegt übrigens bei 0,0007 Prozent.

(Screenshot von Bild.de: BildBlog)

Es ist großartig, wenn „Heute“ das heutige gesellschaftspolitische Gewicht von Facebook-Gruppen anerkennt und heute so titelt:

Dank „Heute“ konnte die getitelte Zahl von 89.000 Unterstützern in der betreffenden Facebook-Gruppe heute auch tatsächlich erreicht werden. Hier der Artikel im Volltext.

Die Woche ist noch jung, darum hier Vorschläge für weitere Berücksichtigung moderner Facebook-Bürgerinitiativen:

Die Gruppe „Mein Wecker ist ein Arschloch“ kann jede Unterstützung gebrauchen. Ähnlich die Gruppe der 76.000 allabendlichen Mathematiker:

Wie die Kämpfer gegen die Gefahren kalten Rauchs verdienen auch die Aktivisten aus der Gruppe „Alkohol ist böse“ Aufmerksamkeit:

Immerhin bald 25.000 Frauen stehen auf Männer, die gut riechen – vielleicht eine Headline für den nahen Valentinstag?

Ich hatte bislang keine Ahnung, wer Ed Hardy ist, aber dank dieser Facebook-Gruppe weiß ich, dass es sich um einen Modeschöpfer handelt, dessen Kreationen sich dadurch auszeichnen, über die Intelligenz seiner Träger Auskunft zu geben. Eine Information, die „Heute“ seinen Lesern nicht vorenthalten sollte:

Der Hype rund um Apples neuestes Gadget hält nun schon fast zwei Wochen an. Die meisten Medienberichte beschäftigen sich nach wie vor mit der Frage ob und wie das iPad die (Medien-)Welt revolutionieren wird. Aber neben dieser laufenden Debatte zwischen iPad-Skeptikern und iPad-Fans gibt es auch einzelne Stimmen, die dem iPad-Hype-Spektakel an sich kritisch gegenüberstehen.

Im Online Magazin Carta überlegt der Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl wie viel Geld sich Apple durch sein cleveres Product Placement per Geheimniskrämerei erspart hat:

Hochzurechnen wäre demnach, wie viele Millionen und Abermillionen Dollar es Apple gekostet hätte, wenn das Unternehmen für all die Print-Artikel, TV-, Radio- und Onlinebeiträge den Platz bzw. die Sendezeit in Form von Anzeigen bzw. Werbespots hätte bezahlen müssen, statt sich der Gratis-Publicity quer durch die Medienwelt zu erfreuen.

Natürlich, so Russ-Mohl, müssten Journalisten über neue Produkte am Markt berichtet, aber das übermäßige und übertriebene Hochjubeln eines Produkts würde im Endeffekt LeserInnen und für Werbung zahlende Firmen als die Deppen dastehen lassen.

Auch das NDR-Fernsehen beschäftigt sich mit dem Apple induzierten medialen iPad-Hype in einem Online-Artikel und einem Videobeitrag im Medienmagazin Zapp:

Also besser kann es eigentlich nicht laufen. Da entwickelt man etwas, stellt es der Öffentlichkeit vor und Journalisten weltweit ergießen sich in Begeisterungsstürmen. In Sendungen und Zeitungen wird dieses neue Produkt gepriesen, als handele es sich um eine Erfindung von weltverändernder Dimension. Die Pille gegen Krebs? Die Maschine gegen Klimaerwärmung? Nein, es ist einfach nur ein neues Produkt aus dem Hause Apple.

Ja klar, Steve Jobs Produktpräsentationen sind oscarverdächtig und Apple-Produkte elegant und benutzerfreundlich….aber das?

Jedenfalls scheint es an der Zeit sich den Gartnerschen Hypezyklus wieder in Erinnerung zu rufen: Nach dem ‚Peak of Inflated Expectations‘ kommt unweigerlich der ‚Through Trough of Disillusionment‘, auch für JournalistInnen.

Illustration: „Bild am Sonntag“ 31.1.2010, „Bild“ 29.1.2010, Bild.de 8.2.2010