Dort will der Knirps (..) an bislang ungelösten mathematischen Rätseln der Menschheit arbeiten – und unter anderem Einsteins Urknalltheorie widerlegen.
Bei Quanten- und Urknalltheorie dürfte es sich eher um physikalische als um mathematische Rätsel handeln, und die Urknalltheorie geht auch nicht auf Einstein zurück sondern auf den Physiker Lemaître.
Vor einem Jahr erschien auf Kobuk ein Artikel über die menschenverachtende und pietätlose Berichterstattung von „Österreich“ über den Mord an Stefanie P. Der Artikel hatte immerhin eine Verurteilung durch den Medienrat zur Folge.
Nun findet der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter statt. Hat „Österreich“ dazugelernt? Nein, im Gegenteil: Auch andere Medien unterlassen den gesetzlich vorgeschriebenen Schutz von Persönlichkeit, Identität und Intimssphäre von Opfer und Tatverdächtigem zugunsten reißerischer Berichterstattung über Sex & Crime.
Das Medienrecht sieht in § 7a den Schutz vor identifizierender Berichterstattung vor, um Opfer und ihre Angehörigen nicht ein zweites, öffentliches Mal zum Opfer werden zu lassen und um zu verhindern, dass Verdächtige oder Verurteilte in Form eines ‘Medienprangers’ anstelle oder neben einer gerichtlichen Bestrafung eine soziale Ersatz- oder Zusatzbestrafung erfahren. (Korn, 2010)
Da die Dokumentation der Verstöße gegen diese Bestimmung diesen Blogeintrag sprengen würde (siehe Collage oben), gibt es hier alle Zeitungsausschnitte zum Mordfall Stefanie P. in einem separaten Album (von uns anonymisiert).
Die auffälligsten Verfehlungen der letzten Tage:
Bilder des Angeklagten und des Opfers werden tagelang unverpixelt in Heute, Krone und Österreich abgedruckt. Dasselbepassiert in Onlineartikeln. Bei „Heute“ gibt man unverfroren zu, dass ein Foto des Opfers schlicht von Facebook stammt (siehe Bildcredit!). Auch der Kurier hält sich bei Philipp K. und Opfer Stefanie P. nicht zurück.
Wie in den Zeitungsausschnitten ersichtlich, präsentieren „Österreich“ und die Krone (auf der Titelseite) den vollen Namen des Angeklagten und die Krone sogar den vollen Namen des Opfers und seiner Schwester. Der Beitrag ist zwar schon etwas älter, doch auch die Oberösterreichischen Nachrichten bringen ein unverpixeltes Foto und den vollen Namen des Opfers. Überraschenderweise reihte sich sogar die „Presse“ in diese Riege ein, wie man im Google-Cache eines Berichts noch sehen kann, hier wurde aber mittlerweile (vergleichsweise vorbildlich) schon korrigert.
Allem Anschein nach herrscht in den Redaktionen Verwirrung darüber, wann und wie die Identität der Beteiligten geschützt werden muss. Beispiel Oe24.at: Online wird der Angeklagte verpixelt (das Foto kommt schließlich von der APA), aber trotzdem mit vollem Namen genannt. An anderer Stelle jedoch wieder abgekürzt. Auch die Krone gibt sich ungeschickt: Beim Video-Beitrag zum Prozess ist der Angeklagte zunächst unverpixelt und klar erkennbar, im Video selbst jedoch unkenntlich gemacht.
„Österreich“ nimmt in der Ausgabe vom 5. Mai gleich das Urteil vorweg, denn „Lebenslang ist beinahe fix!“ Die in Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgeschriebene Unschuldsvermutung scheint nicht zu gelten.
„Österreich“ und der Kurier finden es darüberhinaus angebracht, den Angeklagten plakativ mit dem Spitznamen „Milchgesicht“ zu betiteln, was sich übermehrereArtikelhinzieht.
Ebenso unverschont bleibt das Privatleben der Beiden. Die Krone präsentiert, im öffentlichen Interesse natürlich, deren „Liebes-Collage“, das Magazin News zeigt in einer Online-Bilderstrecke Privatfotos und sogar intime Liebesbriefe.
Aus ihrem Interview in „Österreich“ schließen wir, dass die Mutter des Angeklagten ihr Gesicht bewusst in der Öffentlichkeit zeigen will. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass ihr Sohn, der mutmaßliche Täter, diese Ansicht teilt. Dass ein explizites Einverständnis vorliegt, ist zu bezweifeln, schließlich haben andere Medienbrav verpixelt.
Wenn Philipp K. anonym bleiben wollte (was der Berichterstattung der APAnach durchaus denkbar ist), stellt sich die Frage, ob es zulässig ist, den Namen eines Verdächtigen abzukürzen, aber dann dennoch jedermann mittels des vollen Namens der Mutter über seine Identität zu informieren. Immerhin, rein rechtlich zählen sowohl Name als auch familiäre Beziehungen zu jenen Identifizierungsmerkmalen, die vom Identitätsschutzparagraphen (§ 7a MedienG) erfasst werden.
Der Ehrenpreis für den sinnfreiesten Versuch, die Persönlichkeitsrechte zu schützen, geht an Oe24.at: Sowohl Angeklagter als auch Opfer werden innerhalb der selben Seite je einmal verpixelt und einmal nicht:
Dass Information und Werbung oft nah beieinander liegen, wissen wir bereits.
„Heute“ informiert in ihrer Rubrik „Muttertag-Spezial“ in drei Artikeln über „NOAN-Olivenöl“, ein Produkt, dessen Hersteller verspricht, einen Teil des Umsatzes und den Reinerlös Kinderhilfsprojekten zugute kommen zu lassen. Mangels Spendegütesiegels sind wir gezwungen, die Angaben der in Griechenland registrierten Firma zu glauben. Was schwerer wiegt: „Heute“ verzichtet auf jegliche Offenlegung, warum dieses Produkt derart massiv redaktionell beworben wird und ob es dafür eine Gegenleistung gab. Ein „Wir freuen uns, diese Kinderhilfsprojekte mit diesem Muttertagsartikel kostenlos zu unterstützen“ hätte uns da schon genügt.
Bereits beim ersten Artikel „Meistermenü vom Starkoch für Mama“ wird uns das Produkt (von mir rot gekennzeichnet) ans Herz gelegt:
Auf der nächsten Seite gibt es gleich zwei informative „Berichte“ über das besagte Olivenöl, welches laut „Heute“ nicht nur Kinderprojekte fördert, sondern natürlich auch jedes Gericht verfeinert:
Interessant ist auch: Schon 2009 ist online ein Artikel zum Olivenöl zu lesen.
Der nette Herr im Bild rechts ist aus einer Szene aus Kottan ermittelt aus dem Jahr 1977:
Schremser: (Blättert in einer griechischen Zeitung.) Kottan: Können Sie griechisch? Schremser: Ka Wort, warum? Kottan: Nur so. Schremser: Ah, Sie meinen wegen der Zeitung? A österreichische Zeitung im österreichischen Fernsehen? Schleichwerbung – das geht nicht!
Auf Kobuk startet ab sofort ein Schwerpunkt zum Thema Schleichwerbung (hier die Sammlung aller Artikel dazu), denn: Wer wie die Kobuk-Autoren Medien quasi beruflich kritisch konsumiert, stellt unweigerlich früher oder später fest, wie unfassbar viele Artikel und Beiträge ganz offensichtlich mehr mit Scheckbuchjournalismus oder den Agenden irgendwelcher Interessensgruppen zu tun haben als mit tatsächlich Berichtenswertem.
Nicht immer kann nachgewiesenwerden, dass für Berichterstattung tatsächlich Geld floss. Oft ist das kommerzielle Motiv hinter einem Artikel allzuoffensichtlich, manchmal sieht Werbung trotz Kennzeichnung redaktionellen Beiträgen einfach nur täuschend ähnlich, bisweilen fragt man sich gar, ob nicht einfach einem befreundeten Unternehmer ein Gefallengetan werden soll, manchmal ist es vielleicht nur pureFaulheit, aber immer, immer ist Schleichwerbung elend!
Sie untergräbt die Glaubwürdigkeit der Medien, sie korrumpiert unsere Gesellschaft, sie täuscht und tarnt und lügt. Und die Politik hat kein Interesse dagegen vorzugehen, ist sie doch längst selbst verstrickt.
Dabei sagt das Medienrecht: Entgeltliche Beiträge sind als solche zu kennzeichnen. Der OGH leitet daraus ein Trennungsgebot zwischen redaktionellen und entgeltlichen Inhalten ab. (Genau besehen sind sogar wörtlich übernommene Presseaussendungen „entgeltlich“, denn die ersparte Arbeit stellt einen geldwerten Vorteil dar. Die Rechtslage dürfte für so eine Auslegung aber zu schwammig sein.) Auch hat der OGH bemängelt, dass es der Gesetzgeber unterlassen hat, „das Deutlichkeitsgebot (der Kennzeichnung) näher zu umschreiben“.
Da Schleichwerbung nur schwer beweisbar ist, müssen Verdachtsfälle öffentlich diskutiert werden. Übrigens gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung: Wir können nicht ausschließen, dass unser Eindruck von Schleichwerbung täuscht. Die abschließende Meinung müssen sich die Leser bilden. Unsere Definition von Schleichwerbung ist deshalb: Uns beschleicht der Verdacht, hier soll für etwas geworben werden.
Wie fix Schleichwerbung im Produktportfolio mancher Medien verankert ist, zeigt ein Experiment der taz: In einer verdeckten Recherche bat ein als Medienberater getarnter Journalist die Anzeigenabteilungen von zehn deutschen Verlagen um ein „geeignetes redaktionelles Umfeld“, das Codewort für Schleichwerbung. Die Verkäufer der Frankfurter Rundschau lieferten gar Artikelentwürfe (siehe Bild), die Steuerhinterziehungsmodelle in Österreich bewerben sollten. Das gesamte Experiment findet sich hier und dieser ARD-Beitrag fasst die Recherche gut zusammen:
In der „Heute“-Ausgabe vom 20.04. fand sich neben der notorischen „Himmlischen SMS“ eine nicht als solche gekennzeichnete Bewerbung eines originellen Gedächtnistrainingsangebots.
Hübsch verpackt als vermeintliche Neuigkeit unter „Das Neueste kurz“.
Wie mangelnde Sorgfalt im journalistischen Alltag Aussagen von Politikern ins Lächerliche ziehen kann, beweist die Steiermarkausgabe der „Kleinen Zeitung“ vom 15.4.
Auf Seite 25 findet sich ein Artikel über die Landesbudgetdebatte in der Steiermark, in der u.a. die KPÖ für Vermögens- und Kapitalsteuern eintritt. So hätte man im Zuge einer Pressekonferenz vorgerechnet, dass man über Landesabgaben mindestens 45.000€ einnehmen könnte.
45.000€? Der Betrag würde vielleicht für einen besseren Dienstwagen reichen, aber ob er einen bedeutenden Beitrag zur Sanierung des Budgets darstellt, darf bezweifelt werden.
Aufklärung findet man dann auf der Homepage der KPÖ. Dort wird von „über 40 Mio. Euro pro Jahr“ gesprochen. Die „Kleine Zeitung“ hat also ganze drei Nullen weg gelassen.
(Vielen Dank an einen aufmerksamen Leser für den Hinweis.)
Dass man in der Kronen Zeitung die Leserbriefe oft selbst schreiben dürfte, ist kein großes Geheimnis.
Hier frage ich mich aber, ob sich die Krone-Redaktion oder ein Krone-Leser diesen Spaß erlaubt hat: Denn Armin Tamzarian ist ein Charakter aus der Serie „The Simpsons“, uns allen besser als Rektor Seymour Skinner bekannt.
„Du, sind Mamas überhaupt wichtig?“ – so lautet der Titel eines Artikels, der am 6.2. im Kurier erschien und seit 5.2 auf Kurier.at online ist. Das Thema: Der „Obsorgestreit“ um den Buben F. :
Name und Gesichter wurden von mir unkenntlich gemacht
Großfamilie, Jugendamt und Gericht liegen sich in den Haaren. Alle wollen das Beste für ihn. Was aber ist das Beste für F.? [Vorname des Kindes im Original ausgeschrieben]
Als gute Bekannte des Vaters und der Urgroßmutter väterlicherseits, die die einstweiligen Obsorgeberechtigten sind, bin ich zugegebenermaßen parteiisch. Ob es wirklich „das Beste für F.“ ist, dass der Kurier ein Foto des Buben abdruckt und online stellt, ohne die einstweilige Obsorgeberechtigte oder das zuständige Gericht um Erlaubnis zu bitten oder auch nur zu informieren, kann jede/r selbst beantworten.
In einem Telefonat mit dem Autor der Story und in einem Email an Chefredakteur Helmut Brandstätter (eine Kopie liegt mir vor) baten die einstweiligen Obsorgeberechtigten den Kurier, zumindest das Foto des Buben aus dem Internet zu nehmen. Diese Bitte zeigte bislang keine Wirkung.
Im Artikel werden darüber hinaus einige Behauptungen aufgestellt, ohne dem Leser Beweise vorzulegen oder Quellen anzugeben. Sowohl der Vater als auch die Urgroßmutter von F. (einstweilige Obsorgeberechtigte) geben an, vom Autor des Artikels nicht um eine Stellungnahme für den Artikel gebeten worden zu sein.
Yilmaz‘ und Hans‘ Debatte zur Verwendung des belasteten Begriffs „Ostarbeiter“ durch die Krone hat vieleReaktionen hervorgerufen. Es zahlt sich aus, auch einen Blick auf den Inhalt dieser über mehrere Tage gehenden „Ostarbeiter“-Kampagne der Krone zu werfen. So sah die Seite 5 der Ostersonntagsausgabe aus:
Gleich im ersten Absatz steht:
Laut letzten Prognosen werden ab heute in einer Woche Zehntausende Ostarbeiter auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen. Exakt kann die Zahl nicht vorausgesagt werden – mit bis zu 30.000 muss aber in jedem Fall gerechnet werden
Abgesehen von der merkwürdigen Formulierung („bis zu“ + „in jedem Fall“) nennt der Autor/die Autorin hier keine Quelle. Die Zahl 30.000 kann auch sonst indermedialenBerichterstattung nicht gefunden werden.
Die meisten Medien beziehen sich in ihrer Berichterstattung auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), die am 11.4. von Sozialminister Hundstorfer präsentiert wurde. Laut Originaltext-Service der APA erwartet man auf Basis dieser Studie 21.000 – 26.000 Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Für welchen Zeitraum diese Zahl gilt ist nicht vermerkt. Auch die „Qualitätsmedien“ sind sich diesbezüglich nicht einig: Derstandard.at nennt 15.000 auf die ersten beiden Jahre, Diepresse.com bezieht die Zahl 21.000 – 26.000 ebenso in den ersten beiden Jahren, beide berufen sich auf Klaus Novotny vom Wifo.
Im zweiten Absatz bezieht sich die „Krone“ ebenso aufs Wifo:
Mit diesem ersten Ansturm [also die „bis zu 30.000“] ist es jedoch nicht getan, denn laut Wifo Studien werde es sich um ein längerfristiges Phänomen handeln: In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren wird damit gerechnet, dass jährlich etwas mehr als 20.000 junge Arbeitskräfte aus dem Osten Interesse an Arbeit in Österreich zeigen werden.
Abgesehen davon, dass auch diese Angabe nirgends eine Entsprechung findet, ist die Formulierung irreführend. Der Leser/ die Leserin bekommt leicht den Eindruck, nach dem ersten Ansturm (bis zu 30.000) kämen pro Jahr nochmals 20.000 dazu. „Interesse zeigen“ kann allerdings nicht mit tatsächlichem Arbeiten in Österreich gleich gesetzt werden.
Auf der selben Seite findet sich ein Kommentar, das ein „Faules Osterei aus dem Osten“, das unvermeidliche Wolf-Martin-Gedicht zum Thema sowie die Warnung: „Auch Tunesier sind schon im Anmarsch“.
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