Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Brauchbare PR dürfte die Regionalzeitung Kärntner Woche (Region Völkermarkt & Jauntal) vom 12. Oktober für den größten Energiekonzern des südlichsten Bundeslandes gemacht haben – übrigens auch in der Online-Ausgabe.

Der Artikel lässt kritische Distanz vermissen und liest sich wie eine Presseaussendung der Energiefirma. Besonders auffallend ist der häufige Gebrauch des Firmennamens, vor allem im ersten Absatz: Von insgesamt 42 Wörtern findet sich hier sechsmal das Wörtchen „Kelag“. Jedes siebte Wort ist also der Name der Firma über die berichtet wird. Ein Auszug:

„Kelag-Vorstand Harald Kogler zeichnet – mit Günther Stückler – als Geschäftsführer der Kelag Wärme für den Ausbau dieses Kelag-Geschäftsfeldes verantwortlich. Die Kelag Wärme ist eine 100%-Tochter der Kelag.“

Mancher dürfte sich in eine Episode der Schlümpfe versetzt fühlen. Alles kela… ähh, klar?

Immerhin fehlt auch die offizielle Werbeeinschaltung einige Seiten später nicht:

Bei manchen Artikeln weiß man nicht recht ob diese ernst gemeint sein sollen oder nicht, wie zuletzt bei diesem, erschienen in „Heute“ am 17. Oktober:

Dieser Artikel erinnert mehr an ein Kinderbuch, das jungen Lesern Albträume bereiten könnte, anstatt an eine qualitative, journalistische Arbeit.

„Viele Jahre lebte Hirsch Hansi glücklich im Wald“

… und…

„Jägern ist er ein Leben lang geschickt ausgewichen“

… doch am …

“Samstagabend stakste der Zwölfender über die Fernpass-Straße und übersah dabei den Pkw eines Innsbrucker Ehepaares“

Interessant, dass „Heute“ den Hirsch in eine Erzählperspektive rückt und ihm eine Identität verleiht, wahrscheinlich wäre eine Kurzmeldung „Wildunfall auf Fernpass-Straße, Lenker leicht verletzt“ zu wenig Sensation gewesen. Über das Schicksal der menschlichen Beteiligten wird nur am Rande berichtet:

„Der Lenker konnte aus dem Wrack befreit werden – leicht verletzt! Hansi verendete noch am Asphalt“

Da war wohl der Wurm im Apfel: Auf Heute.at konnte es ein Journalist nicht abwarten und präsentierte den Lesern das iPhone 5, obwohl am selben Abend dann doch nur das iPhone 4S vorgestellt wurde. Der Artikel steht bis heute unverändert online.

Ein Fall von (Eis-) Kaltschreiben. Komischerweise weiß es Heute.at eigentlich auch besser, wenn man sich diesen Artikel vom gleichen Datum anschaut. Sogar der Text ähnelt sich in vielen Abschnitten.

Interessant ist das ja eigentlich schon: Da fasst das FBI endlich den bösen, bösen Hacker, der die Nacktaufnahmen der Stars von deren Computern und Mobiltelefonen klaut, und dann kommt „Österreich“ und veröffentlicht ebendiese prekären Aufnahmen sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe.

Aufatmen. Nach den Hackerangriffen auf Prominente wie Scarlett Johansson (26) und Mila Kunis (28) kann Hollywood wieder ruhig schlafen. Im Rahmen der “Operation Hackerrazzi“ wurde Christopher Chaney (35) nach elfmonatigen FBI-Ermittlungen in Florida festgenommen.

Ob die Stars wirklich so ruhig schlafen können, wenn plötzlich Tageszeitungen anfangen, die viel diskutierten Nacktfotos abzudrucken? Und dazu texten:

Lasziv auf dem Bett: Das Foto war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Dass dies eine Verletzung der Intimsphäre darstellt, scheint „Österreich“ wenig zu stören:

Berechtigte Interessen werden in jedem Fall durch Veröffentlichungen von Aktfotos des oder der Abgebildeten ohne deren Einwilligung verletzt. Die Verletzung berechtigter Interessen liegt hier in der Verletzung des aus dem Grundsatz der Achtung der Privatsphäre erfließenden Selbstbestimmungsrechts […].

(Korn: Einführung in das Kommunikationsrecht)

Woher hat „Österreich“ die Fotos überhaupt? Weder in der Print- noch in der Online-Version des Artikels wird die Quelle des Fotos offengelegt (Ja, eh – vom Iphone der Scarlett, werden viele jetzt denken. Reicht aber nicht). Des Rätsels Lösung finden wir beim Konkurrenzblatt „Heute„:

© Facebook

Wie „Das Biber“ entdeckte, berichtete „Österreich“ in der Ausgabe vom 13. Oktober über den hohen Ausländeranteil in Österreich. Die Grafik wies zumindest einen Fehler auf:

Die „Krone“ toppte „Österreichs“ faux pas in der Krone Bunt vom 16. Oktober und verlegte Serbien nach Bosnien:

Nicht der erste Kobuk vom Balkan.

Andreas Quatember lehrt Statistik an der JKU Linz. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seiner Instituts-Homepage in der Rubrik “Unsinn in den Medien”.

Jeder dritte Schulwegunfall im Herbst

Jeder dritte Schulwegunfall passiert im Herbst zwischen Oktober und Dezember, warnt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Vor allem in Oberösterreich passieren die meisten Schulwegunfälle in der dunklen Jahreszeit, so eine Studie.

Heuer passierten in Oberösterreich allein in der ersten Jahreshälfte bereits 32 Schulwegunfälle. Die Statistik zeigt, dass in der Zeit zwischen Oktober und Dezember das Risiko für die Schulkinder noch weiter steigt. Denn von den 64 Unfällen im Vorjahr passierten 20, also etwa ein Drittel in der sogenannten dunklen Jahreszeit. […]

(Quelle: orf.at, gefunden von Christoph Pamminger)

Um auf dem Schulweg überhaupt einen Unfall haben zu können, muss ein(e) Schüler(in) in die Schule gehen. Das tun sie in Österreich von 52 Jahreswochen ca. in

  • 12 Frühlingswochen (13 – 1 Osterferienwoche),
  • 4 Sommerwochen (13 – 9 Sommerferienwochen),
  • 13 Herbstwochen (keine Ferien) und in
  • 10 Winterwochen (13 – 2 Weihnachtsferien- und 1 Semesterferienwoche).

Der Herbst stellt mit 13 von insgesamt 39 also genau ein Drittel aller Schulwochen. Mit 20 von insgesamt 64 Schulwegunfällen passierten in Oberösterreich im Vorjahr allerdings nur 31,2 % aller Unfälle im Herbst. Also – wenn überhaupt – dann sind im Herbst im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten sogar verhältnismäßig weniger Unfälle zu verzeichnen. Einfach die vier Jahreszeiten als gleich lang zu betrachten, wenn man Schulwegunfälle untersucht ist natürlich Unsinn. Oder was halten Sie von folgender Schlagzeile?

August sicherster Schulwegmonat
Noch nie sind im August Unfälle am Schulweg passiert!

Trotzdem sollten Eltern natürlich auf reflektierende Kleidung achten und Kinder diese auch anziehen. Aber das ist eine andere Geschichte …

Die Print-Ausgabe der „Presse“ vom Montag enthält eine ganze Seite „Baupanorama“ – mitfinanziert von der Landesinnung Bau Wien, die Interessenvertretung aller in einer Branche tätigen Unternehmen und Selbstständigen. Die Innung hat, stolz auf die Kooperation, die Seite freundlicherweise als PDF online gestellt. Dort ist auch der Hinweis auf die Kofinanzierung der Seite zu lesen:

Seite mit finanzieller Unterstützung der Landesinnung Bau Wien.

Solche mitfinanzierten Extra-Teile sind üblich – die redaktionelle Verantwortung dieser Inhalte in redaktioneller Aufmachung hat aber, trotz „finanzieller Unterstützung“, bei der Redaktion zu liegen.

Bei der „Presse“ sieht man das offenbar anders: Ein Fünftel der gesponserten Seite macht die Kommentarspalte aus. Die gehört ganz allein Gastkommentator Josef Witke. Er ist „Landesinnungsmeister für Elektro-und Alarmanlagentechnik und Kommunikationselektronikhersteller“, wie unter seinem Kommentar zu lesen ist – also ein führendes Mitglied der Innung, die die Seite sponsert. Witke schreibt über Energiesparlampen, Importverbote für Geräte, die viel Strom verbrauchen und von seiner Zukunftsvision der von Stromfirmen ferngesteurten Elektroheizungen:

(…) Strom ist – in Verbindung mit erneuerbarer Energie – nun einmal am effizientesten steuerbar, das heißt, Elektroheizungen können aus der Ferne bei Spitzenlast zu- und bei Überschuss abgeschaltet werden.

Das lässt viele wohl nicht nur dafür danken, dass einem der Stromanbieter bis jetzt noch nicht die Heizung abdrehen kann, wenn’s gerade zu wenig Strom gibt. Man darf sich auch über den Deal wundern, den die Presse offenbar mit der Wirtschaftskammer eingegangen ist: „Ihr finanziert uns eine Seite Zeitung, dafür geben wir euch Platz für einen Kommentar von einem eurer Leute – außerdem ein passendes redaktionelles Umfeld.“ Das passiert seit Jänner diesen Jahres – jeden Montag gibt’s das „Baupanorama“, fast jeden Montag schreibt jemand von der Bauinnung einen Kommentar (hier nachzulesen).

Aktuell wird heftig darüber diskutiert, dass sich Firmen und politische Parteien wohlwollende Berichterstattung mit Inseraten kaufen. Gleichzeitig verkauft „Die Presse“ jede Woche einen scheinbar redaktionellen Kommentar an die Wirtschaftskammer. Darüber sollten wir zumindest nachdenken.

Nachtrag 11.10.: Ich habe die Chefredaktion der „Presse“ um eine Stellungnahme gebeten. Sobald diese einlangt, wird sie hier zu lesen sein.

So harmlos kommt er daher, dieser Gesundheitstipp in der heutigen Kronen Zeitung. Im Schafspelz bis kurz vors Finale, als würd’s wirklich nicht um Umsatz gehen. Und dann noch als vertrauenswürdige Empfehlung eines Arztes, nicht anonym von irgendwo aus USA, sondern von quasi nebenan. Das ist schon wirklich gut gemacht:

(Für Artikelkontext bitte Bild anklicken)

Ohne Ironie, kurz war ich selbst so weit, mir gleich heute so einen Kaugummi zu besorgen. Die Kunst ist ja auch, die Leute glauben zu machen, dass sonst bis zum Abend die Zähne verfaulen. Aber faul ist hier was ganz anderes…

Links (ungekürzt): der redaktionelle „Krone“-Artikel vom 22.9.
Rechts (gekürzt): Presseaussendung des Kaugummiherstellers Wrigley vom 14.9.

Krone:

Zwei von drei Österreichern haben mittags keine Gelegenheit, Zähne zu putzen — so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. Aber auch wer häufig unterwegs ist, kann leicht auf Mundhygiene achten.

Wrigley:

Nur rund jeder 3. Österreicher hat laut einer 2011 durchgeführten Market-Umfrage mittags Gelegenheit zum Zähneputzen. Fazit: Auch wenn man viel unterwegs ist, kann man zwischendurch einiges für Mundhygiene und Zahngesundheit tun.


Krone:

Tagsüber nach Möglichkeit auf zu süße oder scharfe Speisen verzichten. Vorsicht, Softdrinks sind Zahnschmelzkiller Nummer 1!

Wrigley:

Verzichten Sie mittags unterwegs nach Möglichkeit auf zu süße oder scharfe Speisen […] Softdrinks sind die Zahnschmelzkiller Nummer 1!


Krone:

Nach dem Essen (das gilt auch für Snacks!) den Mund gründlich mit Wasser ausspülen und nach Möglichkeit Zahnseide verwenden.

Wrigley:

Nach jedem Essen oder Snack sollten zumindest die groben Speisereste entfernt werden. Verwenden Sie nach Möglichkeit Zahnseide und spülen Sie den Mund auch nach kleinen Mahlzeiten regelmäßig kräftig mit Wasser aus.


Krone:

Am besten nach jeder Mahlzeit oder süßen Getränken auf zuckerfreien Kaugummi setzen. 10 bis 20 Minuten im Mund behalten. „Dadurch werden vermehrt Speichel gebildet und Säuren neutralisiert“, erklärt Zahnarzt DDr. Paul Moser aus Großgmain, Salzburg.

Wrigley:

Der Haupteffekt des Kauens von zuckerfreien Kaugummis liegt in der erhöhten Speichelproduktion, die eine Neutralisation des Säuregehaltes […] zur Folge hat. […] Gekaut werden sollte idealerweise nach jedem Essen oder Trinken, wenn Zähneputzen nicht möglich ist. Studien zufolge ist eine Kauzeit von 10-20 Minuten […] optimal. „Zuckerfreier Kaugummi stellt eine sinnvolle Ergänzung der täglichen Zahnpflege dar[…]“, erklärt DDr. Moser [Facharzt für Zahnheilkunde in Salzburg]


Oder vielleicht doch lieber ne Karotte…?


Der Unterschied zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt?
Manchmal nur eine Präposition:

Kurier, 15.9.2011, S. 30

Mit Dank an den Hinweisgeber!

Ganz wohl war dem ORF offenbar nicht, als er gestern zum zweiten Mal einen mit Gebührengeldern gekauften 9/11-Verschwörungsfilm aus dem Internet zum „dok.film“ adelte. Daher verabschiedete er sich gleich zu Beginn der Ausstrahlung von seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag und distanzierte sich vom eigenen Programm:

Der folgende Dokumentarfilm „9/11 Mysteries“ wurde von der amerikanischen Autorin Sophia Smallstorm [sic! Das ist ein Pseudonym, die Dame heißt Sofia Shafquat] im Jahr 2006 produziert. Smallstorm widerspricht darin den offiziellen Darstellungen der Ereignisse vom 11. September 2001.

Der ORF stellt diese spekulative Ansicht zur Diskussion, distanziert sich jedoch von anfälligen [sic!] Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen.

In anderen Worten, der ORF macht mitten in den Raum ein Häufchen und sagt: „Ist nicht von mir, ich stell das nur zur Diskussion.“

Wie eine profunde Diskussion entstehen soll, wenn der ORF den Zusehern das nötige Hintergrundwissen vorenthält, um eloquent dargebrachte Falschbehauptungen, Verdrehungen und Unterstellungen als solche zu erkennen, bleibt sein Geheimnis. Dabei haben diese Arbeit schon andere auf sich genommen. Der ORF hätte nur die kommentierte Version der Doku senden müssen. Wo sich jemand die Mühe gemacht hat, praktisch jeden zweiten Satz per Insert zu relativieren oder mit Fakten zu widerlegen.

Auch der Privatsender HISTORY hat sich des Themas angenommen. In „The 9/11 Conspiracies, Fact or Fiction“ werden nahezu alle 9/11-Verschwörungstheorien und -filme aufgegriffen (auch der vom ORF) und Experten mit deren Aussagen konfrontiert. Im Rahmen unseres Bildungsauftrags senden wir die englischsprachige Doku im Anschluss an diesen Beitrag — ganz ohne Distanzierung.

Clunkity Clunk

Wem dieser Film zu lang ist, dem empfehle ich dennoch exemplarisch die Stelle bei 27:56. Im ORF behauptete Sophia Smallstorm Sofia Shafquat ja, der Einsturz jedes Turms hätte im Normalfall 96 (!) Sekunden dauern müssen — da haben vielleicht doch einige kurz gestutzt. Im HISTORY-Interview erklärt sie aber unwiderlegbar, warum es ohne Sprengung unmöglich schneller hätte gehen können:

[Less than 15 seconds] that’s basically free-fall speed. I have a hypothetical demonstration. A collapse is „clunkity clunk … clunkity clunk … clunkity clunk …“, floor by floor. Say that 110 times. And a major Republican tried this. He took his watch with the second hand and he said ‚clunkety clunk‘ 110 times. It took him over three minutes.

[Weniger als 15 Sekunden] das ist praktisch freier Fall. Nehmen wir dieses theoretische Beispiel: Ein Einsturz ist „clunkity clunk … clunkity clunk … clunkity clunk …“, Stockwerk für Stockwerk. Sagen Sie das 110 Mal. Ein bedeutender Republikaner hat das ausprobiert. Er nahm den Sekundenzeiger seiner Uhr und sagte ‚clunkity clunk‘, 110 Mal. Er benötigte dafür über drei Minuten.

Der Treppenwitz

Noch 2003 weigerte sich der ORF trotz zahlreicher Proteste standhaft, eine kritische Dokumentation der Filmemacherin Nathalie Borgers über die Kronen Zeitung ins Programm zu nehmen. Begründung damals: Die Produktion entspräche in mehreren Punkten nicht den Qualitätskriterien für ORF-Dokus. Und Wolfgang Lorenz weiter:

Wo in einer Dokumentation Fakten und Analysen gefragt wären, bleibt die Gestalterin in der bloßen Illustration von Vorurteilen hängen.

Und jetzt — auch wenn die Marke ruiniert ist — unser „dok.film“:

Video: Kronen Zeitung – Tag für Tag ein Boulevardstück