Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Wie die Kobuk-Leser bestimmt schon wissen, haben die österreichischen Medien so ihre Probleme mit dem Balkangebiet.

Auf den ersten Blick beschreibt ein Artikel in der „Heute“-Ausgabe vom 11.11. die „Reichweiten der vier Mullah-Raketen“, doch wirft man einen genaueren Blick auf die Karte, so fällt auf: In der Balkanregion fehlen zwei Länder, die erst „kürzlich“ unabhängig wurden: Montenegro (seit Juni 2006 unabhängig) und Kosovo (Unabhängigkeit von Serbien wurde im Februar 2008 proklamiert).

Ob „Heute“ uns dadurch mitteilen will, dass die Redaktion diese beiden Länder nicht anerkennen will, oder ob dies bedeutet, dass man in der Redaktion politisch nicht auf dem Laufenden ist, ist Interpretationssache.

Welchen Sinn der Pfeil haben soll, ist auch ein Rätsel. Er beginnt weder in Teheran, noch bei den eingezeichneten Atomanlagen. Er endet noch dazu im Atlantik, wobei er auch auf den Text zeigen könnte. In diesem Fall unterstellt „Heute“ ihren Lesern aber die Unfähigkeit, den Zusammenhang zwischen Bild und daneben stehendem Text zu erkennen.

PS.: Auf Seite 20 in der selben Ausgabe wird der Begriff „Männlichkeit“ definiert:

Wieder etwas gelernt: Ameisen machen Honig.

Eine aktuelle Studie des Medienwatchblogs „Kobuk“ hat ergeben: Statistisch gesehen sterben Leser der „Kronen Zeitung“ am Abend dümmer als am Morgen. Richtig schlau werden sie aus ihr aber nie.

Links: Abendausgabe, rechts: Die aktuellere Morgenausgabe von heute (Bild anklicken für Großansicht)


… ein deutlicher Erfolg geworden.

… kann, wenngleich das Ergebnis unter den Erwartungen der Initiatoren geblieben ist, als Erfolg gewertet werden. Das Resulatat [sic!] muss …


Mit mehr als 400.000 Unterschriften … Erwartungen deutlich übertroffen.

Mit 383.320 Unterschriften … Zeichen wachsender Unzufriedenheit …


Die Zahl, die „Krone“-Leser nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen vielleicht nie erfahren werden, lautet übrigens 383.820.

In seriösen Medien haben Sätze in Anführungszeichen eine klare Bedeutung: Sie kennzeichnen die wörtliche Wiedergabe von andernorts Gesagtem oder Geschriebenem. Bei Straßenblättern wie der „Kronen Zeitung“ ist das ein bisschen anders. Dort werden Anführungszeichen auch als Stilmittel verwendet, um Erfundenem mehr Nachdruck zu verleihen:

Gewusst hat es längst jeder*, jetzt aber geben es die Täter auch noch zu: Facebook hilft […] auch beim Einbrechen! […] 78 Prozent der ehemaligen Täter gestehen: „Ja, wir nutzen Facebook & Co.“

„Nein, wir nutzen es nicht. Denn erstens sind wir Ex-Einbrecher und zweitens…“ ist das Zitat schlicht gelogen. Denn nicht einmal die Grundaussage stimmt, wie unsere BILDblog-Kollegen in einer mittlerweile dreiteiligen Serie aufgezeigt haben: 39 Ex-Einbrecher hatten lediglich angegeben, dass sie glauben, dass Facebook, Twitter und Co. bei Einbrüchen ihrer aktiven Kollegen eine Rolle spielen. Eine reine Mutmaßung, die nichts darüber aussagt, bei wie vielen Einbrüchen — und ob überhaupt in signifikantem Ausmaß — das in der Realität der Fall ist.

Im englischen Originalartikel wird auch „Google Street View“ als mögliche Infoquelle für Beutezüge erwähnt. Also jene Straßenpanoramen, die nicht aus dem All, sondern von speziellen Google-Autos am Boden aufgenommen werden. Das Problem: „Google Street View“ existiert in Österreich gar nicht. Wie erzeugt man nun bei den eigenen Lesern Betroffenheit und Angst vor etwas, dass es in Österreich gar nicht gibt?

Auch dafür hat die „Krone“ schnell mal was erfunden:

Und nicht nur das. Auch die Satellitenbild-Funktion bei „Google Maps“ ist für die Kriminellen Gold wert. Wo ist der nächste Nachbar, gibt es einen Zaun, wo kann ich mich verstecken — die Antworten auf all diese Fragen werden den Einbrechern per Internet bequem nach Hause geliefert. 74 Prozent der Profi-Gangster vertrauen auf die Hilfe aus dem All.

Kunstvolle Angst-Prosa, frei erfundene Zitate und schaurige Fantasiegeschichten, die sich um einen kleinen, wahren Kern ranken. Die Grenze scheint nicht nur am Kiosk fließend, zwischen Groschen-Heft und „Kronen Zeitung“.

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*) Eine Legende, an der die „Krone“ fleißig strickt, siehe auch die Schlagzeilen in diesem älteren Kobuk.

Kennt ihr den Wilhelmsschrei? Ein Todesschrei auf Band, der erstmals in den 50ern für die Nachvertonung eines Hollywood-Films eingesetzt wurde und so markerschütternd gut gelungen ist, dass er zum Teil bis heute als Synchronschrei des Todes eingesetzt wird. Oft auch als Insider-Gag unter Soundleuten. Rechts ein Zusammenschnitt.

Der Wilhelmsschrei scheint beim ORF einen kleinen Bruder zu haben.

Schon bei „Dancing Stars“ (ich habe nur ein paar Ausschnitte im Internet gesehen, ich schwöre), habe ich mich gewundert, wie eine Handvoll betulicher Herrschaften, an ihren Tischchen im ORF-Ballroom, akustisch ausrasten können wie bei einem Hansi-Hinterseer-Open-Air. Ich hab dann ein bisschen genauer hineingehört, in den Studio-Applaus, und seither verfolgt sie mich durch alle großen ORF-Shows, die ORF-Eule:

(Video laut aufdrehen und auf das „Uhuhuhuuu!“ im Hintergrund achten)

Hört ihr sie auch?

Kennt ihr schon den: Was macht ein „Österreich“-Reporter vor dem Bahnübergang?
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Er wartet auf Grün:

"Österreich" (NÖ-Ausgabe), 28.10.2011, S. 18

„Doch wenn eine Bahnanlage ausfällt, dadurch acht Schnellbahnen […] nicht mehr vom Platz kommen und zudem auch noch Ampeln bei 12 Bahnübergängen nicht mehr grün [sic!] werden, ist das ein besonderes Pech“

(Danke an Wolfgang für den Hinweis)

Ob Priester im Notstand, Polizisten in „Notwehr“ oder ein Minister, der zu schön um wahr zu sein. Was die „Krone“ auszeichnet, ist ein untrügliches Gespür, wann den Mächtigen und Institutionen des Landes Unrecht widerfährt. Schlagen sich andere Medien allzu leichtfertig auf die Seite der Schwachen, Gepeinigten und Übervorteilten, weiß die „Krone“ um ihre staatstragende Verantwortung als Blitzumleiter des Volkszorns: Würde auch sie Öl in die schwelenden Feuer gießen, geriete womöglich das Gefüge des Landes ins Wanken — und am Ende noch sie selbst.

Drum hört nicht auf jene, die unser Land schlechtschreiben. Lasst uns in Leserbriefen gemeinsam den immer gleichen Mond anheulen. Aber stellt keine neuen Fragen, ruft nicht nach Aufklärung. Österreich ist schön. Die Kirche ist heilig. Grasser der Beste. Und unsere Banken sind sicher!

„So sicher sind unsere Banken — Experten bestätigen, dass man sich keine Sorgen machen muss“
(Kronen Zeitung, 29.10.2011, S. 10)

Beide kämpfen auf ihre Art für den Wandel der Medien: Wolfgang Fellner, der „Opa des Inzest-Journalismus“, so die Jury der frisch vergebenen Big Brother Awards. Und A1-Chef Hannes Ametsreiter, ebenfalls geehrt, als Totengräber der Netzneutralität*).

Das verbindet. Und so darf A1 heute auf einer Doppelseite das „Thema des Tages“ einnehmen. Jene journalistische (!) Rubrik im Fellner-Blatt, wo für gewöhnlich Persönlichkeitsverletzungen Rufmord das Wichtigste des Tages abgehandelt wird:

(Bild anklicken für Großansicht)

Ein kleiner Auszug aus dem investigativen Report:

… Neues Super-Smartphone bei A1 … Heute erster Verkaufstag des neuen Apple-Smartphones bei A1 … A1 startete den Verkauf als Erster … Als Erster öffnete Mobilfunk-Marktführer A1 um Mitternacht seine Shops … Im A1-Shop in der Pernhartgasse gab es um Mitternacht eine Produktpräsentation … Größte Stückzahl bei A1 … Bei A1 haben sich mehr als 10.000 Interessenten vorregistriert … „Anfangs gibt es immer zu wenige“, sagt A1-Vorstand Alexander Sperl … Top-Angebote. A1 bietet das iPhone 4S mit Vertrag und iPhone-Paket … Wer jetzt einen der vier A1-Smartphone-Tarife abschließt, hat sein gesamtes Vertragsleben lang doppelt so viele … Doppeltes Freivolumen: In allen vier A1-Smartphone-Tarifen bekommen Neukunden jetzt das doppelte Freivolumen … Und dass auch datenintensive Anwendungen wie Fernsehen am iPhone (A1 TV-App) richtig Spaß machen, dafür sorgt das super-schnelle A1-Netz …

Gezählte 38 Mal wird die Marke auf den beiden redaktionellen Seiten erwähnt. In dieser Ausprägung fällt es schwer, noch von Schleichwerbung zu sprechen. Das ist schon Tourette.

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*) Ohne Netzneutralität entspräche das Internet in etwa einem Kiosk, wo eines Morgens nur mehr „Österreich“ und „Krone“ gut sichtbar aufliegen, weil sie dem Betreiber dafür mehr Geld zahlen als die Konkurrenz. Und Zeitungen, die gar nichts zahlen? „Die hol ich aus dem Lager, dauert nur ein bisschen.“

Überschrift in "Österreich" Serben fielen über zwei Wiener her. Messerstich: Opfer den Hals zerschnitten"Von einer brutalen G’schicht weiß „Österreich“ in der Printausgabe von Sonntag zu berichten:

Serben fielen über zwei Wiener her

Klare Sache. Zwei Wiener, zwei Serben, letztere greifen erstere an und verletzen sie. Ganz so klar ist die Sache doch nicht, wie sich beim Durchlesen des Artikels herausstellt:

(…) Die zwei Unbekannten schimpften die beiden Freunde in vermutlich serbischer Sprache. Plötzlich zog einer der Übeltäter ein Messer aus seiner Tasche und stach dem Wiener, Gerald K., in den Hals. Anschließend flüchteten die beiden Serben in unbekannte Richtung.

Der einzige Hinweis auf die Herkunft der Täter ist also die Aussage der Opfer und einzigen Zeugen, wonach die zwei Männer „vermutlich“ auf Serbisch geschimpft hätten. So schnell kommt man zu einer Staatsbürgerschaft sonst nur mit viel Geld in einem südlichen österreichischem Bundesland.

Ein Gedankenexperiment: Die zwei angegriffenen Wiener sind Slawisten. Und weil sie aufgrund der Aussprache einzelner Wörter genau wussten, dass die Männer serbisch und nicht zB kroatisch gesprochen haben, konnten sie so eine genaue Angabe über die gesprochene Sprache machen.

Selbst wenn man zweifelsfrei – aufgrund der Aussage der einzigen Zeugen, die gleichzeitig Opfer sind – wüsste, dass die beiden Männer serbisch gesprochen hätten, könnte man daraus nicht ableiten, dass es sich um Serben gehandelt hat. Viele ÖsterreicherInnen sprechen (zusätzlich oder ausschließlich) andere Sprachen als Deutsch. Und dass sich „Österreich“ mit den verschiedenen Ländern Südosteuropas ein bisserl schwer tut, wissen wir ja inzwischen.

„Österreich“ schließt aufgrund der Aussage zweier Zeugen vorschnell auf eine Staatszugehörigkeit – vielleicht, weil’s so schön ins Klischee passt?

Die Tageszeitung “Österreich” berichtet in ihrer Ausgabe vom 19. Oktober unter der Rubrik „Wien Aktuell“ von dem Fitnessgerät Powerplate.

Wie es der Zufall so will, findet sich auf der selben Seite eine Werbeanzeige, der auch im Artikel genannten Firma Lifestyleladies, die in Österreich das Training mit dem Sportgerät anbietet.

Der Artikel selbst ist nichts anderes als ein leicht modifizierter Pressetext der der Vertriebsfirma des Fintnessgeräts, welcher auch auf der angepriesenen Homepage heruntergeladen werden kann. Dort findet sich übrigens auch ein Flyer für ein Probetraining. Die Models auf dem Gutschein weisen eine frappierende Ähnlichkeit zu den jungen Damen auf, die uns im Zeitungsbericht so freundlich entgegen lächeln.

Den identischen Text findet man auch auf Oe24.at, wo als „Service“ der Redaktion ein Probetraining bei den Lifestyleladies empfohlen wird.

Eine Kennzeichnung als Werbeanzeige sucht man vergebens.

Oe24.at ist bei der Berichterstattung über den umstrittenen Kunsthallen-Chef ein scheinbar unauffälliger Fehler unterlaufen, denn der Herr mit der ähnlichen Frisur ist nicht Kunsthallendirektor Gerald Matt sondern der amerikanische Schauspieler Matt Gerald (zu sehen beispielsweise in Avatar).

Folgt man den Links in der Seitenspalte, findet man ein Foto vom „richtigen“ Matt.

Der Untertitel der Geschichte zeigt zudem kein sehr klinisches Verhältnis zur Rechtschreibung:

Grünen und ÖVP liegen in Punkto Kunsthallen-Boss Gerald Matt im Klinisch.