Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Der Tageszeitung „Heute“ ist es wieder einmal gelungen, außerordentliche Nachrichten zu veröffentlichen. Am 30. Oktober berichtet das Blatt von der ersten Nationalratssitzung und schreibt von einer angriffigen Rede des „Abgeordneten“ Karl Öllinger von den Grünen. Das Problem dabei: Karl Öllinger sitzt nicht mehr im Nationalrat.

Heute Artikel 30.10.2013Angriffig Öllinger (Grüne): Raiffeisen Medien hätten Untersuchungen gebremst. Minderheiten müssen U-Ausschuss einsetzen können. FP-Applaus.

 Gemeint war vermutlich die Rede von Öllingers Parteikollegen Werner Kogler.

Auf seiner Facebookseite war Öllinger sichtlich überrascht.

Bildschirmfoto 2013-11-04 um 14.44.01

 Ob die Journalisten bei „Heute“ neuerdings Geister sehen, oder einfach schnell was zur Sitzung schreiben mussten, bleibt wohl ein Rätsel.

Disclaimer: Neben meinem Studium an der Universität Wien bin ich auch Mitglied der Wiener Grünen und Bezirksrat in Wien. Während des Wahlkampfes war ich Teil des Grünen Kampagnenteams. Für meine Artikel im Rahmen der Lehrveranstaltung „Kobuk“, versuche ich aber ausschließlich objektive Medienkritik zu üben und meine parteipolitischen Meinungen außer Acht zu lassen.

Update: „Heute“ hat den Fehler schneller als wir erkannt und am Folgetag ein Erratum gedruckt. Herzlichen Dank an den „Heute“ Politik-Ressortleiter Erich Nuler, der uns darauf aufmerksam machte.

heute-erratum

„Heute“ hat es bekanntlich nicht so mit der Wahrung von Persönlichkeitsrechten. So auch im Fall der niedergestochenen Amida M. Diese hat ihre Rechte anscheinend mit ihrem Tod verloren und der Gratiszeitung überschrieben.

HEUTE-Print vom 28.10.13 (Seite 9)

HEUTE-Print vom 28.10.13 (Seite 9)

Im Bild zum Artikel misst „Heute“ gleich mit dreierlei Maß:  Der zweijährige Bub wird großzügig verpixelt. Die Verstorbene wird gar nicht unkenntlich gemacht. Und der mutmaßliche Täter kriegt einen kleinen Pseudo-Balken vor die Augen. Solche Balken sind zwar weit verbreitet, sind aber laut Medien – und Urhebergesetz keine ausreichende Anonymisierung, weil die Person weiterhin identifizierbar ist. Anständig geschützt ist somit nur der Zweijährige.

Fraglich ist auch, ob „Heute“ überhaupt die Rechte am Foto besitzt – als Quelle ist lediglich „Privat“ angegeben.

Davon abgesehen stellt „Heute“ den nicht rechtskräftig Verurteilten vor vollendete Tatsachen:

Mit einem Küchenmesser metzelte der polizeibekannte Schläger seine Gemahlin nieder. (…) Passanten überwältigten Berserker Fazil M. (Hervorhebung von uns)

Es gilt die Unschuldsvermutung, auch für „Heute“.

Man muss das Problem der Kronen Zeitung schon verstehen. Echte Fotos vom drohenden Bürgerkrieg in Ägypten geben einfach zu wenig her. So ein Muslimbruder, der muss die „Krone“-Leser anspringen wie die schreiende Katze in einem schlechten Hollywood-Schocker:

krone_aegypten_manipulaton

Nein, den Vertikalhinweis in Mikroschrift lassen wir nicht gelten. Fotomontage-Hinweise, die schlechter erkennbar sind als die Manipulation, verfehlen ihren Zweck. Und ja, die Montage ist schlecht, aber sie erzielt einen gewünschten Effekt.

Dabei hatten wir doch erst letzten Sommer die schöne Syrien-Montage, mit der die „Krone“ weltweit Wellen schlug:

Foto: derstandard.at

Davor den Kopf des Golf-Millionärs, dem die „Krone“ einen neuen Körper verpasste:

krone_millionenmann_manipulaton

Im Vergleich fast harmlos, das Foto vom Panzerwagen, das vier Jahre später einer Hausräumung in Wien zugeschrieben wurde:

krone_hausbesetzung_manipulation

Königin Beatrix, die — plötzlich zehn Jahre jünger — scheinbar vor der Innsbrucker Uniklinik stand:

Die Hunde-Schockbilder aus der Ukraine, die von überall her kamen, nur nicht aus der Ukraine:

krone_ukraine_manipulation

Der vermummte Student, der laut „Krone“ die Uni-Wände mit Parolen besprühte:

Foto: BILDblog

Ein Demonstrant, der fürs Titelblatt ein bisschen aggressiver an die Polizei herangerückt wurde:

Foto: https://imgur.com/OA9ku

Und viele viele mehr. Wir haben hier sicher nicht einmal die Spitze des Eisbergs angeschmolzen. Für das letzte Bild hat sich die „Krone“ — damals noch unter dem alten Dichand — übrigens so entschuldigt:

Durch ein äußerst bedauerliches Missverständnis wurde das ursprünglich querformatige Bild spätnachts reprotechnisch so verzerrt, dass der Demonstrant etwas näher bei der Polizei zu stehen schien, als dies tatsächlich der Fall war (rechts). Diese Montage geschah ohne Wissen der Chefredaktion. Wir bedauern diese technische Panne außerordentlich.

„Technische Panne“, klar.

Zwölf Jahre später, nachdem die Syrien-Fälschung aufgeflogen ist, kennt der junge Dichand solche Scham nicht mehr. Für ihn fehlte offenbar nur ein kaum lesbarer Alibi-Hinweis:

Während wir die Copyrights beider Fotos korrekt angegeben haben, fehlte leider der Hinweis darauf, dass es sich eben um das journalistische Stilmittel einer Fotomontage handelt. Wir entschuldigen uns für dieses Versäumnis.

Dieses Statement vom Herausgeber der größten Tageszeitung Österreichs hätte einen größeren Aufschrei verdient als die Fotomontage selbst. Denn das Problem ist nicht wie gut oder schlecht eine Manipulation erkennbar ist, sondern:

Wer das Lügen mit Bildern zum „journalistischen Stilmittel“ erklärt, dem ist in der Berichterstattung jede Verfälschung zuzutrauen.

Das haben Sie vielleicht noch nicht gewusst, aber: Bilder von Verstorbenen gehen automatisch in das Eigentum der Kronen Zeitung über. Ebenso verfällt das Recht auf Anonymisierung und Privatsphäre. Freunde, Bekannte und entfernte Verwandte erfahren so bequem beim Frühstück einfühlsam die tragische Nachricht.
Krone_Hitzetod

Und dass an der ganzen Titelstory vielleicht gar nichts dran ist, wie die „Krone“ mitten im Artikel selber einräumt?

Krone_Hitzetote_Titelblatt„[…] Auslöser dürften Hitze und Anstrengung gewesen sein“, wird vermutet. Da eindeutig kein Fremdverschulden vorliegt, wird der tragische Todesfall nicht weiter untersucht und keine klärende Obduktion vorgenommen. (Hervorhebungen von uns.)

Ja mei, Hauptsache, die erste Hitzetod-Schlagzeile des Jahres stand nicht in „Österreich“.

Ein 2-seitiger Krone-Artikel über Ernst Mayer, den Chef der „Fussl Modestraße“, riecht nach Schleichwerbung. Der Beitrag kreiert ein freundliches Bild eines selbstlosen Retters. Der gute Samariter  ist doch tatsächlich so barmherzig, 60.000 Euro an „Menschen für Menschen“ zu spenden. Hilfsorganisationen zu unterstützen ist zwar eine gute Sache. Die Krone verwandelt die gute Tat allerdings in ein Werbetool für ihren Kunden. Denn dass wenige Seiten vor dem „Lobeslied auf Mayr“ ein Inserat von „Fussl“ platziert ist, untermauert die Vermutung, dass es sich hier um einen krummen Deal handelt.

Die Redakteurin schafft es mehr Information zum Modekonzern und dem spendablen Manager in den Artikel zu packen, als zu dem Hilfsprojekt selbst. In wohlwollendem Ton erfahren wir, dass sich der „Mode-Gigant“ „erfolgreich gegen internationale Billigketten behauptet“ und dass er von der Tour „tief bewegt“ ist.

Details zu Dauer und Ablauf des Projekts oder zum Bau der Schule werden dem Leser vorenthalten. Stattdessen erfahren wir in einer Infobox den Umsatz, die Anzahl der Mitarbeiter und Filialen, und woher die Firma ihren Namen hat.

Es findet sich nebenbei auch Platz um die Stiftung „Mensch für Mensch“ ins rechte Licht zu rücken und den Verdacht der Veruntreuung von Spendengeldern zu entkräften.

Dem nicht genug, vermittelt der Artikel das Weltbild: Fortschrittlicher Europäer hilft rückständigen Afrikanern. „Barfüßige und in Lumpen gekleidete Kinder“ winken „dem so fremd aussehenden Mann in dem nicht weniger faszinierendem Automobil“ zu, während „äthiopische Bauern mühsam mit einem Ochsengespann pflügen“. Eine weitere Passage beschreibt:“Dutzende Tagelöhner aus der Umgebung schweißen, hämmern, betonieren und sägen mit den primitivsten Werkzeugen, was das Zeug hält.“ Dies der Ton, der den gesamten Beitrag durchwächst.

Als Journalismus getarnte Werbung soll es in der Krone-Bunt ja auch schon im großen Stil gegeben haben

Sie tun es schon wieder! Das Cover der Gratisausgabe von „Österreich“  vom 07. Juni wird offenbar von ungekennzeichneter Werbung für McDonalds geziert.  Wie es der Zufall so will finden sich just in jener Ausgabe auch Gutscheine für die Fastfood-Kette.

Wurde dem Inserenten zu der Beilage da ein kleines Zuckerl als Draufgabe geleistet?

Laut den auf oe24.at veröffentlichten Tarifen (siehe pdf Seite 6) und dem geprüften Durchschnittswert der Druckauflage 2012 (pdf Seite 52) kommt der Preis für die McDonalds Beilage auf Daumen mal Pi 50.000 Euro. Pro Tausend Stück werden 95€ verrechnet, und durchschnittlich erscheinen an einem Freitag 495.390 Exemplare (geprüfte Druckauflage laut ÖAK). Das macht 47.062,05 Euro.

Da wäre ein Entgegenkommen seitens „Österreich“ zugunsten des Werbenden schon denkbar. Denn interessant ist auch, dass laut Tarifliste der Preis für die Coverplatzierung in dieser Form nicht angegeben ist. Sieht also ganz nach einem Special-Deal aus.

Im Fall der McDonalds Platzierung am Cover, entspricht das Format etwa einer 1/3 Seite quer. Im Heftinneren würde das an einem Freitag 8.820 Euro kosten. Bei dem Sonderformat am Titel kommt aber ein 300%-iger Zuschlag hinzu. Das würde dann 35.280 Euro ergeben. Das Zuckerl hat dem Inserenten bestimmt geschmeckt!

In der Zeit im Bild – am 18. Juli um 13 Uhr (Beitrag in der ORF TVthek eine Woche abrufbar) – wurden bei einem Bild, zur Ankündigung eines Beitrags, die Logos zweier Konkurrenzsender einfach wegretuschiert. Die Schriftzüge der Privatsender befanden sich auf den gut sichtbaren Mikrofonen. Im Beitrag selbst waren die Logos anschließend wieder deutlich erkennbar.

orf_logos_nichtretuschiert

Auf Anfrage von Kobuk schickte uns Markus Wibmer von der ORF-Pressestelle folgende Stellungnahme:

„Der ORF bedauert – gerade im Licht der Diskussion vor wenigen Tagen –, dass es durch die individuelle Fehlleistung eines Mitarbeiters zu diesem Fehler gekommen ist. Aufgrund des sehr engen Zeitkorsetts konnte das Hintergrundbild inhaltlich-redaktionell nicht mehr kontrolliert werden. Es wurden jedoch mittlerweile Vorkehrungen getroffen, zukünftig solche Fehler auszuschließen.“

Dies ist nicht der erste Vorfall dieser Art: Vor kurzem wurde aus einem Foto auf ORF.at, welches bei der Zwischenlandung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Wien aufgenommen wurde, das Logo des Radiosenders 88.6 wegretuschiert. Laut ORF-On-Geschäftsführer Karl Pachner war das „redaktionelle Linie“ – die Firmenlogos könnten schließlich vom eigentlichen Bildinhalt ablenken. Für ORF.at wurde diese Vorgabe schließlich aufgehoben. Bis zur ZIB-Redaktion haben sich die neuen Regeln aber wohl noch nicht herumgesprochen.

Mit einer Extraportion Öffentlichkeitsarbeit von McDonalds ist in den letzten Wochen wohl die „Heute“-Redaktion versorgt worden. In vier Ausgaben fallen besonders schmeichelhafte und werbliche Berichte über den Fast-Food-Giganten auf. Hat dessen Kommunikationsabteilung einen besonders guten Draht in die „Heute“-Redaktion?

Nicht nur über die neue Burger-Kreation eines Wieners (21.6.), sondern auch über die Änderungen im Happy-Meal-Menü (26.6.) wird fleißig berichtet.

Dem nicht genug, folgt die hungrige „Heute“-Redaktion auch der Einladung von McDonalds, die „Geheimküche“ zu zeigen. Die Journalistin „enthüllt“ hier einiges über den dortigen Gourmet-Koch:

In dieser kleinen Version einer McDonald’s-Küche kreierte der 2-Hauben-Koch Gerhard Fuchs aus Ried (OÖ) bereits die McWraps (ein Welterfolg), die McNoodles und die McSalads.

Mit viel Liebe testet er dafür Zutaten und erschafft neue McProdukte.

 

Der ganze Artikel liest sich wie ein PR-Text. Haben die Veröffentlichungen mit Anzeigeninvestitionen von McDonalds zu tun?

Was mir noch aufgefallen ist: „Heute“ berichtet in der Ausgabe von 25.6. von einem Bankräuber, der in Simmering festgenommen wurde. Sogar bei Storys zu Banküberfällen kommt McDonalds also wohlwollend inkl. hübschem Marketing-Bildchen vor. 25_6

 

Da bleibt auf die Frage „Willkommen bei McDonalds, Ihre Bestellung, bitte?“ nur zu sagen: Mehr unabhängigen Journalismus bitte!

Ganz unverfroren mischt die  „Bezirkszeitung Hietzing“ (E-Paper) redaktionellen Inhalt mit Werbung, und das gleich zwei Mal auf einer Doppelseite!

Auf Seite 20 des Wochenblatts gibt ein Gastronom praktische Ratschläge für das perfekte Steak. Bilder des „gemütlichen Schanigartens“ – seines Lokals – krönen die Tipps vom Profi. Direkt darunter springt einem die Anzeige für selbiges Lokal ins Auge.

Doch damit nicht genug: Auf der nächsten Seite lobt die Bezirkszeitung das exotische Flair eines griechischen Restaurants in höchsten Tönen. Direkt daneben ist nicht nur eine Werbeeinschaltung des Restaurants, sondern das Ganze ist auch noch mit einem Gutschein garniert. Ein Traum!

Danke für den anonymen Hinweis!

Uwe Frers ist Gründer des Hotelbuchungsportals Escapio. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog.

Am Wochenende war ich bei Mama in Bayern. Sie ist 79 und hat von Computern, iPhones oder dem Internet keine Ahnung. Bei frischem Erdbeerkuchen und Filterkaffee mit Sahne wird sie plötzlich ernst und erklärt mir: “Uwe, stell Dir vor, diese Hotelkritiken im Internet sind gefälscht. Kam diese Woche im Fernsehen. Da müsst ihr ganz arg aufpassen.” Ihr Wissen über die offensichtlich kriminellen Methoden der Online-Reiseindustrie hatte meine Mama aus einem Bericht in der Nachrichtensendung “heute” vom ZDF am 4. Juli.

ZDF-hotelbewertungen

Wie kam es zu dem Fernsehbericht? Die Geschichte basiert auf einer Studie von Prof. Dr. Roland Conrady der FH Worms (PDF) vom Februar 2012. Im Rahmen der Studie haben drei Studenten 330 deutsche Hotels über ihre Erfahrungen mit Hotelbewertungen befragt. Eine eigenwillige Interpretation der Ergebnisse wurde 2012 bereits dankbar von überregionalen Medien publiziert, wie zum Beispiel Spiegel Online am 9. März 2012 “Online-Portale: Großer Teil der Hotelbewertungen ist manipuliert” oder die NZZ am 4. Mai 2012: “Hotel-Bewertungen im Internet: Fluch oder Segen?“. Als Akteur in der Branche der Online-Hotelvermittler überraschen mich einige Details sowohl bei der Studie als auch bei der Berichterstattung sehr deutlich.

Wer wurde wie befragt? Ausschließlich Hotels. Zum Beispiel wurde unter der Kategorie “Ihre Erfahrung mit gefälschten Bewertungen” gefagt, ob das Hotel bereits unangemessen bewertet wurde. 55% geben keine negativen Erfahrungen an, 32% der Hotels berichten von “Nicht angemessenen negativen Bewertungen über das eigene Haus”. Aber was versteht ein Hotel konkret unter “Nicht angemessenen Bewertungen”?

Wer oder was sind Hotelbewertungsportale? Die Studie wirft hier diverse höchst unterschiedliche Akteure in einen Topf:

  • Allgemeine Bewertungsportale wie Qype oder Ciao. Hier lassen sich verschiedenste Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen bewerten. Diese Portale sind nicht auf Hotelbewertungen spezialisiert. Sie haben keine eigenen Prüfteams, die sich nur mit Hotelbewertungen befassen. Bewertet werden kann ohne Nachweis einer Hotelbuchung:
  • Hotelbewertungsportale wie Holidaycheck oder Tripadvisor: Diese Portale haben sich auf Hotelbewertungen spezialisiert und besitzen eigene Prüfteams sowie Software Algorithmen für die Qualitätskontrolle der eingehenden Inhalte. Zudem können angemeldete Hotels Hotelbewertungen kommentieren. Bewertet werden kann ohne Nachweis einer Hotelbuchung, durch Partnerschaften mit Hotelbuchungsportalen gibt es aber “trusted reviews”, bei denen der Verfasser der Hotelbewertung auch sicher das Hotel gebucht hat.
  • Hotelbuchunsportale wie Booking.com, HRS oder Hotel.de. Hier können nur Reisende ein Hotel bewerten, die über dieses Portal das entsprechende Hotel gebucht haben. Die Mengen sind beeindruckend, alleine HRS verfügt über mehr als 3 Millionen Hotelbewertungen.

Warum ist diese Unterscheidung so wichtig? Während bei allgemeinen Bewertungsportalen theoretisch systematisch gefälschte Bewertung abgegeben werden kann, wird dies bei Hotelbewertungsportalen sehr schwer, bei Hotelbuchungsportalen fast unmöglich. Auffällig ist auch das Fehlen der Dickschiffe der Online-Pauschalreise-Vermittlung wie Opodo, Weg.de oder Lastminute.de. Diese und weitere 100 Anbieter haben über den Technologie-Dienstleiter Traveltainment zusammen knapp eine Millionen Hotelbewertungen eingesammelt (730.000 bis Februar 2012, ca. 200.000 kommen pro Jahr hinzu), die ebenfalls an eine Buchung gekoppelt und damit systematisch nicht zu fälschen sind. Da sich die Studie nur mit Deutschen Hotels beschäftigt, bleiben die Hotelbewertungen dieser Portale unberücksichtigt, obwohl Sie mehrere Millionen Hotelübernachtungen pro Jahr vermitteln.

Summiert man die im Netz erhältlichen deutschsprachigen Hotelbewertungen zusammen, wurde der größte Teil annähernd fäschungssicher über Hotelbuchungsportale generiert, auf Platz 2 folgen professionell agierende Hotelbewertungsportale und am Ende die allgemeinen Bewertungsportale.

Wie werden die Ergebnisse in der Studie interpretiert? Wie vorab schon erwähnt, werden bei “Ihre Erfahrung mit gefälschten Bewertungen” Hotels gefagt, ob das Hotel bereits unangemessen bewertet wurde. 55% geben keine negativen Erfahrungen an, 32% der Hotels berichten unter anderem von “Nicht angemessenen negativen Bewertungen über das eigene Haus”. Daraus wird in der Studie folgendes Resume gezogen: “Fast die Hälfte der Hoteliers: Erfahrungen mit gefälschten Bewertungen” (Chart 28 – pdf). Die Schlussfolgerung von “nicht angemessenen Bewertungen” aus der Sicht eines Hoteliers zur “Fälschung” erschließt sich mir nicht. Die Hotels wurden in der Studie auch gefragt, wer denn wohl die gefälschten Bewertungen geschrieben hätte (Chart 29 – pdf). 27% der Hotels geben an, dass das Wettbewerber waren, 9% sagen, dies käme von dafür beauftragten Agenturen. Moment mal, woher wissen die Hotels das denn?

Wie wird die Studie in den Medien interpretiert? Aus dem Zitat von Prof. Dr. Conrady “Wir haben festgestellt, dass tatsächlich eine Reihe von Fälschungen beobachtet werden können oder sehr sehr einseitige extrem positive oder sehr negative Darstellungen. In der Summe gehen wir davon aus, das ungefähr bei einem Drittel der Beurteilungen Vorsicht angebracht ist, weil es sich entweder um stark irreführende Beurteilungen oder sogar Fälschungen handelt” (im Video ab Sekunde 47) wird online die Überschrift: “Jede dritte Hotelbewertung ist gefälscht”. Es versteht sich zudem von selbst, dass eine Verlinkung auf die online publizierten Studienergebnisse fehlt.

Mein persönliches Fazit: Wie so oft liegt die Tücke im Detail. Insofern würde ich mir von etablierten Medien wie dem ZDF wünschen, das Vertrauen der Verbraucher in das Medium Internet nicht durch eine einseitige und zudem fahrlässig verkürzte Darstellung zu gefährden. Eine ergänzende kritische Analyse der Studienergebnisse durch Branchenkenner hätte eine differenzierte Sicht auf das Thema ergeben. Und das sollte das Ziel einer jeden Medienberichterstattung sein, zumindest beim öffentlich rechtlichen Rundfunk.

Last but not least: Der Erdbeerkuchen meiner Mama war sehr groß, wir waren alleine auf der Terrasse und hatten viel Zeit. Insofern weiß sie jetzt, dass Hotelbewertungen sicher nicht zu einem Drittel gefälscht sind.