Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Die „Krone“ argumentiert in ihrer Ausgabe vom 6. Mai mit einer Studie gegen die kürzlich von den Grünen angeregte Diskussion über eine Ringstraße der Zukunft. Bei dieser schon 2012 publizierten Studie handelt es sich um eine Veröffentlichung der KFZ-Lobby, die lediglich auf temporäre Sperren des Rings eingeht. Mit einer dauerhaften Verkehrsberuhigung, wie von der „Krone“ suggeriert, hat diese Studie nichts zu tun.

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In der Studie geht es ausschließlich um die Erhöhung der Schadstoffemissionen als Folge von vorübergehenden Straßensperren für ein bis vier Stunden, wie es bei Demos (wie z.B. jene der Plattform „Autofreie Stadt“) der Fall ist, welche die „Krone“ sehr häufig kritisiert.

In der Arbeit schätzt die Autorin die verursachten Mehremissionen, die durch Staus und Umleitungen aufgrund einer vorübergehenden Ringsperre entstehen. Dabei gelangt sie zum wenig überraschenden Ergebnis, dass es mit Sperre eines Abschnitts des Rings zu einer höheren Schadstoffbelastung kommt als ohne einer solchen Straßensperre.

Screenshot: krone.atDoch selbstverständlich würde eine Umgestaltung der Ringstraße mit einer umfangreichen Neuordnung der Verkehrsströme einhergehen und ist mit einer kurzzeitigen Straßensperre nicht vergleichbar.

Selbst die Autorin der Studie bestätigte mir gegenüber, dass für eine dauerhafte Sperre die Berechnungen mit anderen Randbedingungen durchgeführt werden müssten. Inhaltlich ist diese Studie für eine Argumentation gegen eine langfristige Umgestaltung mit einem dafür notwendigen Verkehrskonzept also völlig ungeeignet.

Laut dem „Krone“-Artikel handle es sich um zwei ExpertInnen der Technischen Universität (TU) Wien, die bereits vor Monaten sämtliche Folgen einer Sperre der Ringstrasse erhoben hätten. Die besagte Studie wurde allerdings bereits vor mittlerweile 40 Monaten veröffentlicht und kommt nicht von der TU. Der Herausgeber der Studie ist nämlich der Österreichische Verein für Kraftfahrzeugstechnik.

Bildschirmfoto 2015-05-07 um 12.52.11Der ÖVT schafft es nicht zum ersten Mal, dass über seine Studien in den österreichischen Medien prominent berichtet wird. Schon voriges Jahr haben wir aufgezeigt, wie APA, Heute & Co über eine dieser Lobbystudien berichteten, ohne dass für die Leserschaft eine journalistische Einordnung erfolgte.

Der Artikel merkt an, die Autorin der Studie würde „ganz ohne politisch motivierte Emotion“ erklären, „warum sich die Situation sicher nicht bessert“. Doch ganz im Gegenteil dazu setzt sich der ÖVK seit Jahren sehr intensiv für die Interessen der Automobilbranche ein. Der ebenfalls erwähnte achtzigjährige Hans Peter Lenz, dessen Vorsitzender, wird als „Motoren-Papst“ bezeichnet, der als Vorstand am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik als strikter Verteidiger der Verbrennungskraftmaschine galt. Er behauptete beispielsweise auch,  dass es Tatsache sei, dass es keine vom Menschen verursachte Klimakatastrophe gäbe.

Die Krone trägt nichts zu einer demokratischen Debatte über eine umfassende Umgestaltung der Wiener Ringstraße bei. Vielmehr führt sie ihre LeserInnen absichtlich in die Irre.

Kürzlich machte eine vermeintliche Sensation in internationalen und auch österreichischen Medien die Runde. So behaupten „buzz.oe24.at“, „heute.at“, die Online-Ausgabe der „Bild“ und viele internationalen Medien, dass so mancher Bart ekliger und dreckiger als Toiletten sei. In Online-Artikeln von „Heute“ und „Bild“ ist sogar die Rede davon, dass in Bärten Spuren von Kot enthalten sei. Wie sich herausstellt, ist das Unfug.

Bart

Die Meldungen gehen auf ein Experiment des US Senders KOAT Action News 7 zurück. Dort wurden bakterielle Proben aus den Bärten von zufällig ausgewählten Männern analysiert. Laut Ergebnis wurden teilweise Bakterien, die unter anderem im Darm zu finden sind, auch in den Bart-Proben gefunden. Einige Medien setzen dann diese Bakterien mit „Spuren von Kot“ gleich. Das ist so allerdings nicht richtig.

Im Video des Senders erklärt der leitende Mikrobiologe, dass es sich hierbei um Enterobakterien handelt. Enterobakterien kommen so gut wie überall vor. Im Kot, auf dem Boden, auf der Haut, im Bart oder auf dem Gerät mit dem du diesen Artikel gerade liest. Deswegen hast du aber noch lange kein Kot auf deinem Smartphone oder Tablet. Diese Bakterien sind also allgegenwärtig und sie mit Kot gleichzusetzen, wie es zum Beispiel „Heute“ macht, ist unsinnig:

„So befinden sich Mikrobiologen zufolge im Bart eines Mannes mehr Bakterien als auf einem Klo, darunter sogar Spuren von Kot.“

Ob dieses Experiment wissenschaftlichen Kriterien standhalten würde ist fraglich. Ein Gegen-Experiment mit Proben von der Gesichtshaut von glattrasierten Personen wurde vom US-Sender KOAT Action News 7 jedenfalls nicht durchgeführt.

Diese Meldung war wohl zu saftig, um sie mit Recherche zu verderben: Einige Medien, darunter „Heute“ und „Österreich“, berichten über ein Restaurant in Nigeria, das Menschenfleisch aufgetischt haben soll. Was uns diese Medien auftischen sind allerdings keine aktuellen Nachrichten, sondern eine Falschmeldung, die noch dazu schon seit August 2013 durch Netz geistert.

Menschenfleisch Screenshot

Das erste Mal geht die Meldung im August 2013 durchs Netz. Damals überwiegend in afrikanischen Medien. Soweit sich die Quellen zurückverfolgen lassen, dürfte der nigerianische Blog „Naijazip“ der Ursprung der Meldung sein. Der Artikel ist in einem subjektiven Stil geschrieben und der Blog sagt von sich selbst, „Latest Gossip News“ zu bieten.

Ein halbes Jahr später, im Februar 2014, taucht die Story in den ersten deutschsprachigen Medien auf. Die Meldung wird eins zu eins übernommen.

Über ein weiteres Jahr später, heuer im Mai, zieht die BBC Swahili nach. Deren Artikel ist auch die Quelle für „Österreich“ und „Heute“. Mittlerweile hat die BBC den Artikel allerdings gelöscht, und kurz davor noch einen Disclaimer eingebaut (Google Translate):

BBC Swahili has confirmed that a story we published about a restaurant in Nigeria selling human flesh was not true. Police in Nigeria have denied reports that they shut down a human flesh selling restaurant.

Ein Fake also, wie man auch auf Snopes.com nachlesen kann. Es ist doch bemerkenswert, wie eine Meldung von einem nigerianischen Blog fast 2 Jahre später noch um die Welt gehen kann. Und in diesen 2 Jahren hat es sich niemand (bis auf die BBC heute) angetan, bei der nigerianischen Polizei nachzufragen, ob an der Geschichte etwas Wahres dran ist.

Mitarbeit: Thomas Hoisl

Wien hat sie schon, München will sie noch, die gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen. Der Unterschied: Laut Krone zahlt München für dieselbe Aktion um 53.000 Euro weniger als Wien. Doch so einfach geht die Rechnung der Krone nicht auf.
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Was die Krone nämlich verschweigt: In München wird es deutlich weniger Ampeln geben. In Wien wurden die Ampelpärchen auf 120 Schutzwegen montiert. Das entspricht 240 Ampeln. In München sind aber zur Zeit nur 32 Ampeln mit gleichgeschlechtlicher Pärchenoptik geplant. Das bestätigt uns der zuständige Landesreferent Klaus Krämer auf Anfrage. Er schreibt:

„Die Kosten für einen „Signalbegriff“ (in diesem Fall das Rot oder das Grün) belaufen sich nach den uns vorliegenden Zahlen auf etwa 150 €. Also ca. 300 € pro Fußgängersignal (bestehend aus zwei Signalbegriffen), 600 € pro Fußgängerfurt, da immer zwei Fußgängersignale (oder 4 Signalbegriffe) vorhanden sind. So können mit 10.000 € insgesamt ungefähr 16 Fußgängerfurten ausgestattet werden, die wir über mehrere Lichtsignalanlagen verteilen wollen.“

Die Kosten für das Wiener Projekt belaufen sich auf 63.000 Euro. Das macht pro Ampel 262,50 Euro. Damit sind die Münchner Ampeln pro Stück sogar um 40 Euro teurer als die Wiener Modelle.

Einfache Rechnung:

 GesamtkostenAnzahl der AmpelnKosten pro Ampel
Wien63.000 €240262,50 €
München~10.000 €32~300 €

Es stimmt also, dass Wien mehr Geld für das Projekt ausgibt als München. Der Krone Vergleich ist aber trügerisch. Die Anzahl der Ampeln wird im Artikel kein einziges Mal erwähnt.

Die Salzburg-„Krone“ hat in den letzten Monaten massiv Druck auf die Politik ausgeübt — mit einer Kampagne, die ihresgleichen sucht. Deren Hauptnutznießer ist die Spar-Gruppe, einer der größten Werbekunden der Kronen Zeitung.

„Jedes Bundesland würde sich glücklich schätzen, hätte es einen Europark, der mit dem Ausbau hunderte neue Jobs … schaffen will. Wer dies verhindert, treibt viele Familien in Verzweiflung und finanzielle Not.“

(Die „Krone“ über Shoppingcenter-Ausbaupläne von Spar)

Allein im ersten Quartal 2015 buchte Spar rund ein Fünftel aller ganzseitigen Inserate der Salzburg-„Krone“. Bei überregionalen Schaltungen entspricht das einem Listenwert von über 2,5 Millionen Euro.

Man ahnt die wirtschaftliche Machtposition gegenüber dem „unabhängigen“ Kleinformat. Anders ist kaum zu erklären, wie die „Krone“ in Salzburg den Streit um die Erweiterung des Spar-Einkaufszentrums Europark „journalistisch“ begleitet.


Eine Chronologie:

8. Jänner — Das schönste Einkaufszentrum der Welt

Die „Krone“ preist das Engagement der Konzerne für unser aller Wohl, Spar für gemeinsame Kämpfe und den Europark als „schönstes Einkaufszentrum der Welt“:

Der Europark wurde natürlich nie zum schönsten Einkaufszentrum der Welt “gekrönt”. 2007 erhielt er lediglich vom globalen Lobbyverband der Shoppingcenter einen Designpreis. Dieser nicht allzu exklusive Award ging im selben Jahr noch an sieben (!) andere Einkaufszentren (PDF). Im Gegensatz zur “Krone” wirbt der Europark auch “nur” mit “schönstem Shoppingcenter Europas”. Dabei beruft er sich übrigens auf ein 18 Jahre altes Architekturmagazin.

 

10. Februar — Diktaturen und Ausgangssperren

Um die Ortskerne zu stärken stoppt das Land Salzburg vorläufig alle Erweiterungspläne von Einkaufszentren. Die endgültige Entscheidung wird im April folgen. Die „Krone“ bringt ein doppelseitiges Interview mit den „starken Argumenten“ ihrer Anzeigengroßkunden Spar und XXXLutz gegen diese Maßnahme:

(Für Komplettansicht Ausriss anklicken)

 

Subtil verfeinert mit einem Kommentar, der diese politische Entscheidung mit „elenden Diktaturen“ und „totalen Ausgangssperren“ in Verbindung bringt:

 

11. Februar — Warnung vor dem Kommunismus

In der Sache wenig Neues, aber die Redaktion muss noch dringend eine Warnung loswerden. „Es geht Richtung Kommunismus“ in Salzburg — :

 

15. Februar — Die Politik darf Stellung beziehen

Niemand sage der „Krone“ einseitige Berichterstattung nach und in Interviews keine kritischen Fragen zu stellen. Daher heute ein großes Interview mit der verantwortlichen Landeshauptmann-Stellvertreterin und Raumordnungsreferentin:

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17. Februar — Vor dem Fasching

Niemand sage der „Krone“ zu viel Nähe zu den Objekten ihrer Berichterstattung nach. Daher beschränkt sich der Hinweis auf das Faschingsfest im Europark auf das Allernötigste: Nur eine rechte Seite, zwei unscheinbare Bilder und neutral distanzierte Formulierungen wie „das beliebteste Shopping-Center von Salzburg“ dokumentieren die Unabhängigkeit der Kronen Zeitung von ihren Inserenten:

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18. Februar — Nach dem Fasching

Es ist eine Unsitte am Boulevard, Themen zu verheizen und sich dann nicht mehr um sie zu kümmern. Die „Krone“ ist mit ihrer Nachberichterstattung zum Fasching im Europark eine löbliche Ausnahme. Und das süße Werbemodel hat vermutlich nur einen Krapfen gekostet:

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20. Februar — Spar Titelstar

Alte Regel am Boulevard: Die Seite eins verkauft das Blatt. Daher stehen hier immer klar verständliche Botschaften zu jenen Themen, die das Volk bewegen — außer man möchte jemandem eine Freude machen:

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Das Neue am Kommentar von „Jedermann“ ist heute das „Neo“, das er vor den Kommunismus setzt:

 

21. Februar — „Geben Sie Einkaufsfreiheit!“

Mittlerweile gemahnt die unabhängige Berichterstattung der Kronen Zeitung an eine Gehirnwäsche-Dauerschleife im Homeshopping-TV. Der Kommunismus trägt heute die Vorsilbe „Krypto“:

 

„Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!“ lautet ein berühmtes Zitat aus Schillers „Don Carlos.“

Ich möchte es abwandeln […]: „Frau Dr. Rössler, geben Sie Einkaufsfreiheit!“

 

 

22. Februar — Susanne fühlt sich wohl

Heute eine sympathische Wohlfühlreportage aus dem Herzen des Europarks.

 

6. März — „Alle gegen die Rössler“

Die Politikerin, die Familien „in Verzweiflung und Not treibt“, kriegt jetzt auch eine Doppelseite, ohne extra zu bezahlen. Nur der Werbewert ist bei Spar-Doppelseiten irgendwie höher:

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Die Manager des „schönsten Shopping Centers der Welt“ (Bildtext einer unabhängigen Tageszeitung) dürfen endlich ihre Argumente in einem investigativen Interview auf einer Europark-Doppelseite darlegen. Das letzte „Interview“ mit ihnen ist immerhin schon 24 Tage her (siehe weiter oben), und da mussten sie sich den Platz noch mit XXXLutz teilen:

 

 

Und der unabhängige Kommentar warnt vor Skepsis gegen Spar:

Jedes Bundesland würde sich glücklich schätzen, hätte es einen Europark, der mit dem Ausbau hunderte neue Jobs […] schaffen will. Wer dies verhindert, treibt viele Familien in Verzweiflung und finanzielle Not.

 

 

7. März — Und wieder ein Interview

In Salzburg hat es sich herumgesprochen: Jeder, der für Spar ist, bekommt in der Kronen Zeitung „das große Interview“. Das letzte zu diesem Thema liegt ja auch schon wieder einen ganzen Tag zurück. Heute: Der Gewerkschaftschef.

Und die gute Nachricht für alle Fans der gepflegten Kommunismus-Kommentare: Die rote Gefahr ist zurück.

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10. März — Mailand war gestern

Die fetzigen Shops im Europark haben eine sensationelle Modeschau ihrer neuen Kaufkollektionen auf die Beine gestellt. Die „Krone“ war live vor Ort hat sich vom Center-Management Bilder schicken lassen (“Fotos: Europark/Wild & Team”) und berichtet in angemessenem Ausmaß. Seither ist es Traum aller Mädchen einmal im Europark für ein großes Label zu laufen:

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12. März — Doppelt hält besser

Das Redaktionssystem der Salzburger „Krone“ ist inzwischen neu konfiguriert. Sobald in einem Artikel der Begriff „Europark“ oder „Spar“ aufscheint, wird das Layout vollautomatisch auf Doppelseite umgestellt. Außerdem werden großformatige Fotos von Gebäude und Management eingefügt. Eine enorme Arbeitserleichterung:

 

21. März — Ganz ohne Kommunismus

Wieder ein ganzseitiger Artikel für den Ausbau. Diesmal aber zurückhaltender und seriöser als gewohnt. Neuer Stil der Redaktion? Nein, es handelt sich um ein offizielles Inserat von Spar:

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9. April — Hausverstand statt Studie

Die Politik präsentiert eine Studie, die „Krone“ ist wenig beeindruckt. Der Witz an der Geschichte: Vermutlich das einzige, wofür Spar hier gezahlt hat, ist das Mini-Inserat mit Sepp Forcher auf Seite 27:

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Die „Krone“ empfiehlt, statt Studien den Hausverstand zu bemühen (eigentlich Domäne von Billa):

Die laut Kronen Zeitung „lächerlich kleine Umwandlung von Lagerräumen“ ist in Wahrheit übrigens eine Erweiterung um satte 11.300 m², knapp ein Drittel der derzeitigen Verkaufsfläche und fast so viel wie die letzte Erweiterung „Europark II“ mit 12.250 m².

Freche Reporter könnten da den Spar-Chef ja mal fragen, wie er es heute mit seinen Beteuerungen von 2005 hält:

Es ist kein Ziel, immer wieder auszubauen, sonst wird es eine Gstätten und ein kommerzieller Misserfolg. Wir wissen, wann es genug ist.
(Spar-Chef Gerhard Drexel, Salzburger Nachrichten 25.01.2005)

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10. April — „Verhöhnung von Joblosen“

Die Kronen Zeitung bemüht sich um eine Versachlichung der komplexen Debatte. Immerhin hätte sie auch schreiben können: „Wer gegen den Europark ist, quält auch kleine Hundebabys.“ Außerdem verstärkt sie ihre Kampagne gegen die Autoren der Studie, die dem Ausbaustopp mit zugrunde lag:

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15. April — Das Wunder von Salzburg

Die Landesregierung hält geschlossen dem monatelangen medialen Dauerfeuer stand. Die Dreierkoalition aus ÖVP, Grünen und Team Stronach lehnt sechs große Erweiterungen von Einkaufsflächen endgültig ab. Für die erfolgsverwöhnte „Krone“ steht sprichwörtlich die Welt Kopf:

 

Über ihr Krone-versum hat sie aber noch Kontrolle und so kommen auf drei Seiten Bericht im Blattinneren ausschließlich empörte Gegner dieser „willkürlichen“ Entscheidung zu Wort:

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16. April – Jetzt erst recht

Die Politik hat entschieden, aber es ist noch lange nicht vorbei:

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In ihrem Kommentar sieht sich die „Krone“ in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit Spar:

„Erfolg ist ja das Letzte, das einem in Österreich verziehen wird“, meinte ich bei unserer „Krone“-Gala im Hangar 7.

Und wer hielt bei besagter Gala vor fünf Monaten freundlich die Jubiläumsausgabe der Salzburger Kronen Zeitung in die Kamera? Richtig, der Vorstandsvorsitzende des Milliardenkonzerns Spar „und Gattin Andrea“:

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Alles eine große Familie.

 

17. April – Die Kampagne gegen die Studie geht weiter

Am 14. April zeigte sich Spar in einer großen Presseaussendung über Gefälligkeitsjournalismus „über Gefälligkeitsgutachten schockiert“. Drei Tage später stehen die Kerninhalte der Spar-Aussendung auf dem „Krone“-Titelblatt samt doppelseitiger „Aufdecker-Story“. Ergänzt um eigene Recherchen, die sensationell enthüllen, dass die Studienautoren nicht zum ersten Mal ein Shoppingcenter kritisch beurteilt haben:

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Der Erfinder der amerikanischen Shopping-Mall, wie wir sie kennen, war übrigens ein Österreicher. Der in die USA emigrierte Victor Gruen meinte zu dem Thema:

„Ich werde immer wieder der Vater der Shopping Mall genannt. Ich möchte die Gelegenheit nützen, diese Vaterschaft zurückzuweisen. Ich weigere mich, Alimente für diese Bastardprojekte zu zahlen. Sie haben unsere Städte zerstört.“

 

18. April — Die Opposition wird eingespannt

Die „Krone“ hat einen Oppositionspolitiker in den Europark geleitet begleitet, um die Expansions-Argumente der Spar-Presseabteilung noch einmal in Zeitungsform zu gießen. Darunter glänzt ein Interview des Spar-Chefs mit investigativen Fragestellungen:

Herr Dr. Drexel, was stört Sie am meisten? […] Braucht der Europark die Erweiterung wirklich so dringend? […] Wie geht es jetzt weiter?

Und die Chefredaktion beklagt den politischen Einfluss eines „Papierls“ — sie meint nicht ihr eigenes.

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19. April — Diktat der Konzerne

Das ist eigentlich eine „Krone“-Schlagzeile zu TTIP — aber die muss einfach hier rein:

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Eine Seite nach ihrem „Nein zum Diktat der Konzerne“ schreibt die „Krone“:

[Erweiterungsgegner] möchte[n] das Rad der Zeit zurück drehen und die wirtschaftliche Entwicklung in Salzburg wie im Kommunismus regeln. […] Die rapide Entwicklung von Einkaufszentren kann nicht als Flächenwahn bezeichnet werden. Und der Europark des […] SPAR-Konzerns zeigt es vor wie Umwelt-Anliegen erfüllt werden […] Lasst den Europark und das Outlet ausbauen!

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Auf den Folgeseiten schalten dann sowohl die Grünen als auch Spar teure ganzseitige Inserate, um ihre Sicht darzulegen:

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Man kann’s auch so sehen: Die „Krone“ gewinnt immer.

 

Ausblick

Die Schlacht wird wohl weitergehen. Aufgabe der Medien wäre es jedoch, sachlich und frei von Eigeninteresse zu berichten. Den demokratischen Prozess zu unterstützen, indem sie den Beteiligten ein faires, öffentliches Forum bieten, zu dem der Zugang nicht über die Anzeigenabteilung erfolgt.

Die Realität sieht nicht nur in Salzburg anders aus. So haben im Februar deutsche Konzerne (!) eine Initiative gestartet, um die beängstigende Einflussnahme, die ihnen Medien erlauben, freiwillig zu beschränken. Der Vorsitzende dazu:

Unternehmen können heute in einem Ausmaß redaktionelle Berichterstattung kaufen, wie das früher völlig undenkbar war. Und sie machen davon Gebrauch.

 

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Artikel

Pünktlich zur neuen Kriminalstatistik beschwört die Tageszeitung „Österreich“ wie gewohnt eine gesellschaftliche Katastrophe herbei. Sie pickt sich den einzigen Wert heraus, der im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist (die Anzahl Einbrüche in Wohnungen) und behauptet, er sei „explodiert“.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist laut Statistik zwar tatsächlich um 3,4 Prozent gestiegen, aber mit einer „Explosion“ hat das nichts zutun. „Österreich“ schafft es lediglich durch geschickte Auswahl der Zeit- und Zahlenachse den Eindruck zu erwecken, wir steuern einem kriminellen Untergang entgegen. Stellt man jedoch das „Österreich“-Diagramm einem anderen gegenüber, das auch frühere Jahre mit einbezieht und bei null beginnt, sieht die Welt schon ganz anders aus.

Einbrüche

„Explodieren“ tut da nur die Schlagzeile des Boulevardblattes. Neben dieser täuschenden Darstellung findet man aber noch weitere Fehler.

Salzburg wird zum zweiten Burgenland …

Österreich

… und nicht alle Daten stimmen mit den angegebenen Jahreszahlen überein. „Österreich“ gibt an, dass 2010 10.446 Kraftfahrzeuge gestohlen wurden, jedoch handelt es sich hierbei um den Wert von 2005. 2010 waren es lediglich 4.402.

KFZ

Und ein Zitat des Direktors des Bundeskriminalamts erweckt einen falschen Eindruck. Laut Artikel sagt er: „‚61,4 Prozent der Gewaltdelikte passieren in Beziehungen’“. Nicht erwähnt: Unter „Beziehung“ verstehen die Ermittler so ziemlich jeden Kontakt zwischen Täter und Opfer – also zum Beispiel auch Zufallsbekanntschaften. Pärchen können also durchatmen. „ÖSTERREICH“ würde das auch nicht schaden. Insgesamt ist die Kriminalität nämlich rückläufig – die Zahl der Anzeigen ist auf dem niedrigsten Wert seit zehn Jahren.

Am 24.03.2015 berichtet die Tageszeitung „Heute“: „Unsere Kicker schießen in Europa am präzisesten“. Österreichs Nationalmannschaft soll präziser schießen als Deutschland, Spanien, Niederlande, England und Co.. Dieser Satz scheint zu schön um wahr zu sein. Und tatsächlich: „Heute“ berichtet nur die halbe Wahrheit.

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Bei der Rechnung von „Heute“ handelt es sich um einen Schmäh. Die Zeitung vergleicht das Verhältnis zwischen Schüssen insgesamt und Schüssen aufs Tor. Österreich schneidet mit 48% besser ab, als alle anderen Mannschaften, die „Heute“ aufzählt (siehe Tabelle).

DSC_0438_Tabelle

Jedoch vergisst das Gratisblatt die Werte anderer europäischer Nationalteams mit ins Visier zu nehmen. Mit den Werten der UEFA(Stand 14. März 2015) und einer Excel Tabelle sieht die Welt gleich ganz anders aus. Polen, Irland, Slowakei und Rumänien schießen noch präziser als Österreich. Irland schießt mit einem Wert von 53,5% am präzisesten.

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Abgesehen davon ist die Relevanz dieses Wertes fraglich, denn „Versuche aufs Tor“ bedeutet nicht gleichzeitig „ins Tor“. Polen erzielte mittlerweile 15 Tore, Österreich nur 5. Aussagekräftiger ist jedenfalls die Frage, wie viele Schüsse ein Team braucht, um ein Tor zu schießen (6. Spalte unserer Tabelle). Bei Österreich sind es im Schnitt 10,4 Schüsse. Und auch das ist leider ganz und gar nicht top in Europa.

 

In fast allen österreichischen Medien war zuletzt von einem dramatisch hohen Anstieg an illegal geschleppten Flüchtlingen die Rede. Bei Personen aus Syrien habe sich die Zahl von 2013 auf 2014 angeblich sogar verzehnfacht. Das Problem daran: Das stimmt so nicht.

Bildschirmfoto 2015-04-14 um 00.01.07

Die Meldungen beziehen sich auf den kürzlich veröffentlichten Schlepperbericht des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2014. Tatsächlich unterlief der Behörde bei der Ausarbeitung des Berichtes aber wohl selbst ein Fehler.

Konkret hakt es bei den Vergleichszahlen aus 2013. Laut dem aktuellen Bericht sei die Zahl illegaler Flüchtlinge aus Syrien von 847 (2013) auf 9.083 (2014) gestiegen. Im Schlepperbericht von 2013 steht allerdings, aus Syrien seien damals nicht 847, sondern 2.959 Menschen aufgegriffen worden. Wie kommt der aktuelle Bericht also auf 847? Auch die APA roch den Braten und fragte nach:

Laut Oberst Gerald Tatzgern, Leiter des Büros für Menschenhandel und Schlepperei im BK, handelt es sich bei den Zahlen nämlich um Momentaufnahmen. Stellt sich danach heraus, dass ein Aufgegriffener etwa Staatsbürger einer anderen Nation ist, als von ihm ursprünglich angegeben, ändert das nachträglich auch die Statistik.“

Das mag plausibel klingen. Wenn man genauer hinsieht merkt man aber, dass Herr Oberst die APA offenbar an der Nase herumführte. Denn: Nicht die Statistik änderte sich, sondern das Bundeskriminalamt nahm fälschlicherweise als Vergleichszahlen des Vorjahres die Daten aus 2012, statt aus 2013. Dadurch entsteht im aktuellen Bericht ein viel rasanterer Anstieg, als er tatsächlich stattfand.

Hätte man in die Schlepperberichte der Vorjahre geschaut, wäre dieser Fehler aufgefallen.

Als Beleg hier die Zahlen aus dem Bericht von 2012 am Beispiel Syriens:

Bildschirmfoto 2015-04-14 um 00.14.11

Aus Syrien waren es im Jahr 2012 also insgesamt 847 illegal gefasste Flüchtlinge gewesen.

Die Zahlen aus dem Bericht von 2013 zeigen dann einen Anstieg von diesen 847 auf 2.959 Personen:

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Im neuen Bericht für 2014 wurden dann als Vergleichszahl für 2013 nicht die 2.959, sondern fälschlicherweise die alten Zahlen aus 2012 (847) genommen. Das Jahr 2013 wurde quasi ausgelassen:

Bildschirmfoto 2015-04-13 um 18.40.09

So kommt man im Fall Syriens auf einen immens hohen Anstieg von +972,3 Prozent bzw. das von den Medien getitelte Zehnfache. In Wahrheit wäre es, wenn man mit der richtigen Vorjahreszahl vergleicht, „nur“ ein Anstieg um 206,91 Prozent. Drei Mal so viele Menschen ist zwar immer noch viel, aber weit weniger als das behauptete Zehnfache. Der Fehler zieht sich auch bei allen anderen Ländern durch: Die Zahlen von 2014 wurden durchgehend mit jenen von 2012 vergleichen, weshalb auch eine „nachträgliche Änderungen der Statistik“ als Erklärung unglaubwürdig ist. Die Anstiege sind jedenfalls völlig verfälscht. So auch beim Kosovo, wo es keinen Anstieg von den erwähnten 262,2 Prozent gibt, sondern nur um 50 Prozent.

Der ursprüngliche Fehler liegt also beim Bundeskriminalamt. Das Innenministerium gab den Bericht schließlich heraus. Und was danach folgte ist ein Lehrbeispiel des „Wird schon passen“-Journalismus. Zuerst vertraute die APA dem Ministerium blind, und dann schrieben praktisch alle Medien von der APA ab. Copy & passt.

Auch die Größten machen Fehler. Am 7. April berichtete die Zeit im Bild, dass in Island gerade ein Vulkan ausbrechen würde (noch bis 14. April hier zu sehen). Das Problem dabei: Diesen Vulkanausbruch gibt es gar nicht.

Hier das Transkript der ZIB-Meldung:

In Island speit ein Vulkan seit einigen Tagen große Lavamassen aus. Der Vulkan ist schon seit Ende des vergangenen Jahres aktiv, jetzt allerdings wird der Lavaausstoß immer stärker. Die Umgebung wurde bereits für Menschen gesperrt.

Die Bilder sind zwar echt, aber schon ziemlich alt. Dasselbe Bildmaterial wurde schon im November 2014 auf Youtube veröffentlicht.

Das isländische meteorologische Büro berichtete bereits im Februar, dass der besagte Ausbruch zu Ende sei. Die seismischen Aktivitäten nehmen beständig ab. Auch das angesprochene Sperrgebiet wurde verkleinert. Seitdem ist es still geworden um den Vulkan. So still, dass ein Vulkan-Blog sogar sagt, die momentan ungewöhnlich geringe Aktivität sei glatt eine Schlagzeile wert.

Der ORF war mit dem Fehler übrigens nicht alleine. Ein kleiner Lokalsender aus den USA übernahm die Meldung auch und spielt damit in der selben Liga wie Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Danke Claudia Zettel für den Hinweis auf Twitter.

Update – so dürfte es zu diesem Fehler gekommen sein

Von Teilnehmern der heutigen Frühsitzung des ZIB-Teams ist zu erfahren, wie es zu dieser Falschmeldung gekommen sein dürfte. (Chefredakteur Fritz Dittelbacher sei „ziemlich angefressen“ gewesen.)

Der Fehler sei auf Druck des Chefs vom Dienst, einen Fehler des Monitoring-Teams sowie einen Redakteur, der diese Meldung eigentlich nicht machen wollte (und dann den Fehler nicht merkte), zurückzuführen.

Spannend ist dabei der letzte Teil, denn das Redakteursstatut des ORF sieht eindeutig vor, dass Redakteure nicht angehalten werden dürfen, einen Beitrag zu verfassen, den sie inhaltlich nicht vertreten können. Und: „Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf kein Nachteil erwachsen.“

Genau das sei dem Vernehmen nach seit einigen Jahren nicht mehr gelebte Praxis. Die Redaktion müsse, so ein Redaktionsmitglied, regelmäßig Sendungsblöcke mit Stories geringer Relevanz und unter Zeitdruck auffüllen, wobei die inhaltliche Latte explizit „nicht hoch gelegt“ sei, nach dem Motto „Füll einfach auf!“. Wer sich weigere, dem werde Arbeitsverweigerung nachgesagt. Dem Druck könne man kaum widerstehen.

Zitat: „Mich wundert, dass nicht mehr passiert. Viele Geschichten sind irrelevant, haben einen falschen Drall oder sind, wie das aktuelle Beispiel, sogar schlichtweg falsch.“

(Update von Helge Fahrnberger)

Update II – Stellungnahme des ORF

Der ‚Ressortleiter Ausland‘, Andreas Pfeifer, schickt uns folgende Stellungnahme:

Die ZIB hat in einer Blockmeldung behauptet, dass ein isländischer Vulkan, der derzeit nicht aktiv ist, derzeit aktiv ist. War das falsch ? Ja, das war falsch. Was war der Grund? Das Bildmaterial ist kurz vor der Sendung eingelangt, in der Eile ist es misslungen, zwischen aktuellen und archivierten Bildern geflissentlich zu unterscheiden. Die ZIB bedauert, ich bedauere auch.

Ihr Blog behauptet, dass dieser Vorfall strukturelle Hintergründe habe: Druckausübung auf Redakteure, niedrig gelegte Latten für zu sendende Informationen, Angst vor dem Eindruck von Arbeitsverweigerung. Ist das richtig ? Nein, das ist auch falsch. Weil nicht geschehen. Weil es eine Mythenbildung betreibt, die sich weder von diesem Vorfall noch von unserem Redaktionsalltag und Redaktionsethos ableiten lässt. Weil es lächerlich ist, anzunehmen, dass ORF-Redakteure zu vulkanologischen Falschmeldungen gezwungen werden.
Ich bedaure auch die Falschmeldung Ihres Blogs – und bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Pfeifer

Allerdings wurde nicht behauptet, dass „ORF-Redakteure zu vulkanologischen Falschmeldungen gezwungen“ werden. Natürlich ist der Beitrag ein Fehler der beteiligten Journalisten. Unsere Gesprächspartner in der ZIB-Redaktion sind jedoch offenbar der Ansicht, dass dieser Fehler auch mit den Arbeitsbedingungen in der Redaktion zusammenhängt.

Einige erinnern sich bestimmt noch an die „Heute“-Story von den vermeintlichen Dschihadisten im Gemeindebau, die wir kürzlich auf Facebook hatten:

HEUTE, 19.2.2015, S1

„Heute“ versucht laut Eigenwerbung zwar, schlechten Journalismus wegzulassen, aber wenn er schon mal da ist? Von loslassen war nicht die Rede. Und so wurde diese Falschmeldung am nächsten Tag nicht nur nicht korrigiert, sondern sogar noch ein Artikel nachgelegt:

HEUTE, 20.2.2015, S8

Das Perfide: Auch die „Heute“-Redaktion wusste zu diesem Zeitpunkt bereits nachweislich, dass für die Polizei praktisch kein Terrorverdacht mehr vorlag. Dennoch behauptete das Gratisblatt wider besseres Wissen weiterhin, es handle sich um eine „Dschihad-Wohnung“ und die Polizei sei darin auf „Terrormaterial“ gestoßen. Dazu noch ein Foto vom „Tatort“-Gemeindebau. Dort gab’s zwar nie eine Tat, dafür aber in „Heute“ die genaue Adresse (inkl. Stockwerk!) der unschuldig Terrorverdächtigten.

Welche dramatischen Folgen diese Art von „Journalismus“ für die drei jungen Männer hatte, hat das ORF ZIB-Magazin gestern in einem bemerkenswerten Beitrag aufgezeigt:

Kurzfassung:
Einer hat den Job verloren. Die Wohnung wurde gekündigt. Der Briefkasten beschmiert. Die unmittelbare Wohnumgebung mit Parteiflugblättern aufgestachelt.

fpoe_gemeindebau_dschihad_flugblatt

Wer nach solchen Erlebnissen noch friedvoll bleibt, der muss schon stark im Glauben sein.

 

PS: Dominik Lagushkin hat in seinem Blog eine äußerst lesenswerte Chronologie der Ereignisse zusammengestellt.

PPS: Kurier und Profil haben die jungen Männer bereits einige Tage vor der ZIB besucht und Artikel mit weiteren interessanten Details veröffentlicht.

PPPS:
Guter Journalismus beginnt damit, dass man schlechten weglässt. ("Heute", Eigenwerbung)