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Kategorie: z Medien

Unter Mitarbeitern des Studiengangs Journalismus der Grazer Fachhochschule Joanneum tobt ein schmutziger Kampf, der inzwischen die Öffentlichkeit erreicht hat. Im Raum stehen Urkundenfälschung, Verleumdung und so einiges mehr. Gekämpft wird auch und vor allem über Medien, die Akteure verstehen ihr Handwerk schließlich.

Für Kobuk wird es dann interessant, wenn sich einzelne Redakteure allzu offensichtlich instrumentalisieren lassen, oder zumindest „vergessen“ auf mögliche Interessenskonflikte hinzuweisen. So geschehen beim heutigen Artikel in der „Presse“ zur Causa.

In diesem schreibt der Presse-Redakteur Alexander Bühler, ein ehemaliger Lehrbeauftragter der FH und laut Beobachtung eines Studenten mit einem Hauptakteur des Intrigenstadels befreundet, aus der scheinbaren Warte der Objektivität über die Causa, ohne auf seine Befangenheit hinzuweisen.

Der Studiengangsleiter Heinz M. Fischer, je nach Perspektive mutmaßlicher Unkundenfälscher oder Opfer einer Schmutzkübelkampagne, beklagt diese Befangenheit in einem offenen Brief an Presse-Chefredakteur Fleischhacker:

Mit gewissem Erstaunen, wohl aber auch mit einer bestimmten Irritation habe ich in der heutigen Ausgabe der Presse den Artikel „Gefälschte Tests, unfaire Noten? Anzeigen gegen Grazer FH“ rezipiert; eröffnet er mir doch neue, bisher unbekannte Perspektiven von Qualitätsjournalismus, für den die Presse angeblich steht (oder gestanden ist), diesen Anspruch womöglich aber auch schon über Bord geworfen hat.

Studierende der FH haben inzwischen eine Facebook-Page gegründet, mit der sie ihre Uni gegen die „lächerlichen“ und „an den Haaren herbei gezogenen“ Vorwürfen in Schutz nehmen wollen.

Disclaimer: Ich bin mit dem FH-Lehrer Heinz Wittenbrink, der laut Eigendarstellung in dieser Sache befangen ist, befreundet.

Update: Michael Fleischhacker hat auf den offenen Brief geantwortet. Auf den Vorwurf der Befangenheit geht er jedoch nicht ein.

Mangelnde Geschichtskenntnisse in der dpa und den angeschlossenen Redaktionen adeln eine altbekannte Tatsache zur neu entdeckten Sensation. Zufällig ist dabei auch ein 2009 erschienenes Buch im Spiel, das sein umtriebiger Autor geschickt zu vermarkten weiß. Aber der Reihe nach. Beginnen wir 1988, mit diesem kurzen Buchauszug:

Wer die These vom im Leben verarmten Mozart, der hoch verschuldet und im Armengrab bestattet gewesen sein soll, erfunden hat, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Das Bild des „verarmten Genius Mozart“ stammt jedenfalls aus der Romantik. Jeder Biograph versuchte, Mozart noch ärmer zu machen […] Ist etwa jemand verarmt, der mit 35 Jahren ein Industrielleneinkommen hat, eine noble Wohnung sich leistet, ein Reitpferd besitzt — das kommt heute einem hochkarätigen Luxuswagen gleich –, ein Billardspiel und Zimmer dazu besitzt?

„Collectanea Mozartiana“, Mozartgemeinde Wien (1988)

Dass Mozart, entgegen der Legende, ganz ausgezeichnet verdiente — obgleich davon durch seinen ausschweifenden Lebensstil wenig blieb — ist also schon lange bekannt. Und spätestens seit 2004, als auch in der Wikipedia Mozarts Jahreseinkommen auf umgerechnet ca. 125.000 EUR beziffert wurde, handelt es sich dabei um kein geheimes Offline-Wissen mehr.

Außer für die Deutsche Presse-Agentur. Diese berichtete nämlich am 5. April 2010, also ca. 22 Jahre nach meiner Buchquelle, fast sechs Jahre nach Wikipedia und drei Jahre nach dem „Mozartjahr“, diese sensationelle Neuigkeit aus einem (fast) druckfrischen Buch:

Mozart war keinesfalls ein armer Schlucker, das Musikgenie hat aber weit über seine Verhältnisse gelebt. In akribischer Recherchearbeit will dies ein Team um den Salzburger Autor und Mozartforscher Günther G. Bauer nachgewiesen haben.

Nachzulesen ist das in seinem Buch „Mozart. Geld, Ruhm und Ehre“. Am 10. April stellt Bauer seine bereits im vergangenen Jahr erschienene Arbeit in der Salzburger Stadtbibliothek vor.

[…] Fünf Jahre hat das 24-köpfige Team führender internationaler Mozartforscher – von Salzburg und Wien über Zürich bis Tokio – die Finanzen von Mozart in dessen Wiener Jahren (1781-1791) bestmöglich auf Kreuzer und Pfennig recherchiert und nachgerechnet. Das Ergebnis: „Er war doppelt so reich, als man bisher wusste. Er hatte in dieser Zeit ein Jahreseinkommen von durchschnittlich 5000 Gulden“, sagt Bauer. Die Umrechnung früherer Währungen ist problematisch, aber laut Bauer könnten dies heute bis zu 150 000 Euro sein.

[…] Das Bild vom „armen Mozart“ stimmt also nur insoweit, als dass „Wolferl“ mit seinem vielen Geld nicht auskam: „Mozart hat sein Geld verlebt in einem eigentlich aristokratischen Lebensstil, der ihm nicht zugestanden ist“, erläutert Bauer.

Ein Buch, in dem scheinbar genauer nachgerechnet wurde, das aber nüchtern betrachtet, keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse bringt und bereits seit über einem halben Jahr auf dem Markt ist, wird plötzlich zur Nachricht. Und dann noch das „24-köpfige Team führender internationaler Mozartforscher“, obgleich nur ein Name am Cover steht. Eigentlich hätte spätestens bei derart bescheidener Selbstdarstellung jemand stutzig werden und kritisch nachfragen müssen. Aber stattdessen wird lieber Geschichte geschrieben. Oder genauer, auf gut österreichisch, a Gschichtl druckt:

Mozart war Großverdiener – und Verschwender (krone.at, 5.4.2010)

Neues [sic!] Buch zu Mozarts Leben: Reicher Geldverschwender (tt.com, 5.4.2010)

Enthüllt: Mozart spielte 150.000 Euro im Jahr ein!
Von wegen armer Schlucker […] (heute.at, 6.4.2010)

Zumindest der Online-Redaktion der „Presse“ hätte dabei aber schon was auffallen können:

Mozart war Spitzenverdiener, kein armer Schlucker (diepresse.com, 6.4.2010)Mozart war Spitzenverdiener, kein armer Schlucker
Das musikalische Genie verdiente außergewöhnlich gut, haben Forscher nun [sic!] herausgefunden.

[…] Das weist ein Forscherteam um den Salzburger Autor und Mozartforscher Günther G. Bauer nun [sic!] nach.

Die Presse, 6.4.2010

Und direkt daneben verlinkt „AUS DEM ARCHIV“:

Maestro Mozart, der Millionär (diepresse.com, 30.1.2010)Maestro Mozart, der Millionär
Die Einkommenssituation von Wolfgang Amadeus Mozart dürfte viel besser gewesen sein, als die Forschung bisher dachte. ein „verarmtes Genie“ war er jedenfalls sicher nicht.

[…] Folgt man Günther G. Bauer, dem ehemaligen Rektor der Universität Mozarteum in Salzburg, dann verdiente Mozart außerordentlich gut.

Die Presse, 30.1.2010

Offenbar hat das Buch vor der dpa heuer schon mal ne kleinere Runde in den österreichischen Medien gedreht. Und „Die Presse“ wiederholt, schwer begeistert oder vergesslich, ihre Empfehlung nun im Vierteljahrestakt. Passend zu Mozart, irgendwie.

Der Amazon-Link zu Buch und Provision ist praktischerweise auch gleich mit dabei. Den Verkaufsrang (292.758, bzw. unter Mozartbüchern 49 von ca. 100) scheint dies allerdings noch nicht wesentlich beflügelt zu haben. Ob’s am Blatt liegt oder am Buch? Ein 42-köpfiges Team internationaler Medienwatchblogger wird dies in den nächsten Jahren klären.

Sachdienliche Hinweise könnten aber bereits jetzt die Leserkommentare unter dem älteren der beiden Presse-Artikel liefern. Ich gebe hier mal einige dieser persönlichen Meinungen wieder. Ausnahmsweise ungeprüft und unrecherchiert — sollen ruhig auch noch ein paar Journalisten ihre Arbeit tun…

Die zahllosen Peinlichkeiten in Bauers neuem Buch
beginnen schon damit, dass er das Bild von Cignaroli „Miozart im blauen Morgenmantel“ für echt hält. Bauers grobe Unkenntnis der Mozart-Literatur und seine Unbedarftheit als abslouter Nicht-Historiker können angesichts hier des vorgeführten Publicity-Aufwands nur verwundern.

Re: Die zahllosen Peinlichkeiten in Bauers neuem Buch
Ein sehr seltsames Buch. Das beginnt schon mit dem peinlichen Namedropping in einer Liste von „Mitarbeitern“, von denen manche nur eine Frage oder ein E-Mail beantwortet haben und sich einer gegen die Vereinnahmung nicht wehren kann, weil er lange tot ist. Besonders kurios wird es, wenn sich der Autor gescheiter als Mozart selbst gebärdet: „Die Kutschenfahrten kosteten mehr als der Komponist vermutete“! (S. 82)

Re: Re: Die zahllosen Peinlichkeiten in Bauers neuem Buch
Dass Mozart viel Geld verdient und nicht gratis gelebt hat, wussten wir schon. Der Autor hat die „Genaue Rechnungstafel“ von 1788 gefunden, fasst aber sonst nur die fehlerhafte Sekundärliteratur zusammen. Er hält den Deiner-Bericht für echt, glaubt, dass der Eingang des Camesina-Hauses in der Domgasse 5 lag und wenn er behauptet, Mozart habe anlässlich der Begräbnisse seiner Kinder Leichenschmäuse(!) veranstaltet, so wird klar, dass das Wien des 18. Jahrhunderts für Bauer ein total fremder Planet bleibt.

Den Haupttreffer in dieser ganzen Geschichte landete allerdings zweifellos eine Autorin beim deutschen Tagesspiegel. Sie war von der scheinbar neuen Scheinerkenntnis so aufgewühlt, dass sie ihren Artikel zur Hälfte dem Irrtum an sich widmete. Und dessen mögliche Auswirkungen auf die Rezeption von Mozarts Werk. Der Irrtum im Irrtum sozusagen. Trotz falscher Prämisse und Verkennung der Fakten, ein meisterhaft formuliertes kulturphilosophisches Highlight, mit tröstenden Aspekten für alle Beteiligten (zur Gänze hier nachzulesen):

Champagner für Mozart
Christiane Peitz schreibt die Musikgeschichte um [sic!]

Die Wissenschaft hat festgestellt: Mozart war doch nicht arm. Er hat nur über seine Verhältnisse gelebt.

[…] Aber klingt die Jupiter-Symphonie anders, wenn wir wissen, dass ihr Schöpfer weniger Wasser als Wein trank?

[…] Der Mensch mag Irrtümer gerne. […] Irrtümer bringen die Menschheit weiter. Ähnlich wie der Zweifel sind sie die fröhlichen Anarchisten im Wissensbetrieb. Nichts ist sicher, keine Erkenntnis ist in Stein gemeißelt, nicht mal die eigene. Es lohnt sich, die Welt jeden Tag neu zu erfinden. Ich irre mich, also bin ich. […]

Einen Tag nachdem alle Welt über das durch Wikileaks.org veröffentlichte Video eines US-Kampfeinsatzes aus Bagdad berichtete, wurde nun auch ORF.at aufmerksam. Doch die Vorbereitungszeit reichte offenbar nicht ganz für saubere Recherche:

Die Whistleblower-Website Wikileaks hatte das rund zwölfminütige Interview, das ein Feuergefecht eines Militärhubschraubers im Osten Bagdads vom 12. Juli 2007 zeigt, online gestellt.

Mit einem „Interview“ dürfte das brutale Videoprotokoll aus einem Kampfhubschrauber (mit den Stimmen aus zwei Hubschraubern und Basis) so viel gemein haben wie der Irakkrieg mit der Schlacht von Gaugamela. Das Rohmaterial reicht zudem über 38 Minuten, der Zusammenschnitt des Videos dauert immerhin noch fast 18. Soviel zu den „zwölf Minuten“.

Über die gegenüber dem Pentagon erhobenen Vorwürfe steht im Teaser zum Artikel nur so viel:

„Wie in einem Computerspiel“ hätten sich die Soldaten verhalten, lautet die Kritik an der Schießerei mit fatalen Folgen.

Klingt etwas nach der Begründung für das Durchfallen-Lassen eines Fahrschülers bei der Führerscheinprüfung. Doch die die Vorwürfe lauten etwa „grundloses Ermorden eines verwundeten Reuters-Mitarbeiters und seiner Retter“:

The video (..) clearly shows the unprovoked slaying of a wounded Reuters employee and his rescuers.

Auch die vorsätzliche Tötung weiterer, unbeteiligter Zivilisten wird von den Kritikern in den Raum gestellt. Ohne über diese konkreten Vorwürfe („slaying“, „murder“) zu berichten, möchte der Autor möglicherweise Verständnis für die schwierige Aufgabe der mutmaßlichen Täter wecken:

Wie selten zuvor gewährt dieses Video Einblicke in die Schwierigkeiten und Abgründe der modernen Kriegsführung.

Das deutlich hörbare Amüsement der Soldaten nach erfolgter Tötung und bei der Beobachtung des Überrollens einer Leiche durch ein Truppenfahrzeug bleibt jedoch ebenso unerwähnt.

Auf ein Einbetten des fraglichen Videos in den Artikel zur eigenen Meinungsbildung des Lesers, wie in den meisten internationalen Medien geschehen, verzichtet der ORF. Lediglich ein 3-Minuten-Ausschnitt, der erst nach drei Klicks erreichbar ist, wird auf die eigene Website gestellt. Dabei wäre es so einfach gewesen:

Update: Erste Korrekuren werden bereits vorgenommen: Jetzt ist nicht mehr von einem Interview die Rede, dafür wurden die Vorwürfe präzisiert.

Die Krone-Schlagzeile des Tages:

Drei Kinder und keine Arbeit: Verzweifelter Vater als Bankräuber!
800 Euro Arbeitslose, Schulden und drei hungrige Kinder — ein Kärntner Familienvater wusste nicht mehr weiter und beging einen Doppelbankraub!

To: [email protected], [email protected], [email protected]
Subject: Abokündigung!

IHR FEINEN GUTMENSCHEN IN EUREM POLITISCHEN KORREKTHEITSWAHN FINDET DOCH IMMER IRGEND EINE EINE ENTSCHULDIGUNG FÜR DIE SCHLIMMSTEN STRAFTÄTER – UND WER BITTE DENKT AN DIE OPER!?!!! ES RIECHT! ICH KÜNDIGE HIERMIT MEIN ABO!!!

Franz W. Polter

Richard Schnabl weist unter berliner-journalisten.com auf das Cover der aus München stammenden, deutschen Klatsch-Illustrierten BUNTE hin. Dort wird der österreichische Schauspieler Christoph Waltz als „Unser Star“ bezeichnet. Möglicherweise hat die Redaktion den Film Inglorious Bastards Inglourious Basterds für eine Dokumentation gehalten. In diesem hat Waltz für seine Rolle als SS-Standartenführers Hans Landa den Oscar als bester Nebendarsteller erhalten.

Als weiterer Faux-Pas wurde statt dem Oscar die Goldene Spectra abgedruckt.

„Ein NATO-Zerstörer hat vor der somalischen Küste ein größeres Piratenschiff versenkt“, berichtet oe24.at.

Nicht dass oe24 es explizit behauptet hätte, aber bei der Illustration handelt es sich tatsächlich um ein „größeres Piratenschiff“ — wenngleich etwas unfreiwillig. Erst wurde der 20.000 Tonnen-Tanker „Parmoni“ im Jänner vor Somalia gekapert und nun — nicht weniger willkürlich — von der oe24-Bildredaktion.

Von dem Boot, das die NATO versenkt hat, steht uns leider kein Foto zur Verfügung, aber es dürfte sich eher um etwas in dieser Größenordnung handeln.

Update: oe24 hat den Artikel  mittlerweile neu illustriert. Und weil diese Piraten eh alle gleich aussehen, hat man dazu einfach ein Bild vom 18.12.2009 genommen.

Ich gratuliere Seppi und Burli aus der Sportredaktion zum Schlagzeilen-Namen Fischi für die frischgebackende Olympiasiegerin Andrea Fischbacher. D’Fischbocherin wäre ja zu lang gewesen, und seit Schlieri, Kirchi, Dorfi, Walchi, Meisi, Lizzi und Goldi ist bekannt: Babysprache gehört zum Wintersport wie Boxenluder zur Formel 1.

Siehe auch bei Zib21 und Nömix.

Der kanadische Folksänger Gordon Lightfoot segnete gestern das Zeitliche, so berichteten zumindest Zeitungen und TV-Stationen von Vancouver Sun, Globe and Mail, Toronto Star und CBC bis zur Canadian Press. Die Radiostationen des Landes setzten Lightfoots Songs auf Heavy Rotation, was wiederum einem auffiel: Gordon Lightfoot himself. Der rief leibhaftig beim Radiosender 680News an:

[audio:https://kobuk.at/wp-content/uploads/2010/02/gordon-lightfoot_2010-02-18.mp3|titles=gordon-lightfoot_2010-02-18]

Was war passiert? Jemand hatte sich am Anrufbeantworter von Lightfoots Musikerkollegen Ronnie Hawkins als dessen Enkel ausgegeben und die traurige Nachricht überbracht. Hawkins Frau begann danach, Freunde zu informieren – bis die Nachricht (möglicherweise über Twitter) bei Canwest landete, Kanadas größtem Medienhaus. Dort wurde journalistisch geschlampt: Als zweite Quelle („Check, recheck, double-check“) wurde Hawkins kontaktiert – der jedoch schon der Ursprung der ersten „Quelle“ war. Lightfoots Nachruf landete im Nachrichtenstrom – mit dem Verweis auf „Quellen, die der Familie nahe stehen“ (Plural, wohlgemerkt). Die Nachricht wurde dann landauf, landab zitiert – in traditionellen Medien und online, auf Twitter & Co.

Die traditionellen Medien beeilten sich, ihre Falschmeldungen vom Netz zu nehmen, anstatt dort die Geschichte zu aktualisieren. Die Links auf diese Artikel in den Tweets und Retweets führten nun zu Fehlerseiten – was das Online-Gerücht deutlich langsamer eindämmte, als es Berichtigungen getan hätten.

Schnell hatten die Medien einen Schuldigen gefunden: Twitter-Gerüchte. Canwest selbst schreibt, anstatt den eigenen Recherchefehler einzugestehen, von einem Internet-Hoax. Der falsche Enkel hatte jedoch telefoniert.

Via Regret the Error.

Wenn es bei einer Volksbefragung nach Auszählung von erst zehn Prozent der Stimmen in einer Frage 11.184 : 13.987 steht und zudem noch nachträglich eine Woche lang Wahlkarten eingesandt werden können, was kann man dann heute seriös über das Ergebnis in dieser Frage sagen?

Überraschung: Wiener gegen Nacht-U-Bahn (oe24.at)
„Überraschung: Wiener gegen Nacht-U-Bahn“ (oe24.at)

Ein "Nein" gab es zur Nacht-U-Bahn (kleinezeitung.at)
„Ein ‚Nein‘ gab es zur Nacht-U-Bahn“ (kleinezeitung.at)

Nein zu U-Bahn… (krone.at)
„Nein zu U-Bahn…“ (krone.at)

Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass das Votum tatsächlich gegen die Nacht-U-Bahn ausfällt.  Ebenso gut könnten aber unter den zuerst eingelangten Stimmen jene Wähler stärker vertreten sein, die immer schon als Erste abgegeben haben und bislang eher selten in den Nightlines anzutreffen waren. Genau deshalb ist die Hochrechnung von Wahlergebnissen ja auch eine eigene Wissenschaft für sich.

Ausgeschlossen ist aber jetzt schon, dass diese Schlagzeilen heute richtig sind. Sie erweisen sich bestenfalls in einer Woche, mit etwas Glück, als nicht falsch — aber das ist etwas anderes.

Endergebnis ohne Briefstimmen (APA-Infografik)Fairerweise muss man sagen, dass dieser Fisch schon beim Kopf zu riechen begann. Denn wenn die oberste Presseagentur des Landes eine „Infografik“ veröffentlicht, ohne Hinweis auf den extrem niedrigen Auszählungsstand, dafür unter der frei erfundenen(?), jedenfalls aber irreführenden Bezeichnung „Endergebnis ohne Briefstimmen“ (in der Aussendung der Stadt Wien ist von Endergebnis keine Rede), dann ist das zumindest — wie hieß das bei der Volksbefragung gleich? — sehr suggestiv.

Der Hype rund um Apples neuestes Gadget hält nun schon fast zwei Wochen an. Die meisten Medienberichte beschäftigen sich nach wie vor mit der Frage ob und wie das iPad die (Medien-)Welt revolutionieren wird. Aber neben dieser laufenden Debatte zwischen iPad-Skeptikern und iPad-Fans gibt es auch einzelne Stimmen, die dem iPad-Hype-Spektakel an sich kritisch gegenüberstehen.

Im Online Magazin Carta überlegt der Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl wie viel Geld sich Apple durch sein cleveres Product Placement per Geheimniskrämerei erspart hat:

Hochzurechnen wäre demnach, wie viele Millionen und Abermillionen Dollar es Apple gekostet hätte, wenn das Unternehmen für all die Print-Artikel, TV-, Radio- und Onlinebeiträge den Platz bzw. die Sendezeit in Form von Anzeigen bzw. Werbespots hätte bezahlen müssen, statt sich der Gratis-Publicity quer durch die Medienwelt zu erfreuen.

Natürlich, so Russ-Mohl, müssten Journalisten über neue Produkte am Markt berichtet, aber das übermäßige und übertriebene Hochjubeln eines Produkts würde im Endeffekt LeserInnen und für Werbung zahlende Firmen als die Deppen dastehen lassen.

Auch das NDR-Fernsehen beschäftigt sich mit dem Apple induzierten medialen iPad-Hype in einem Online-Artikel und einem Videobeitrag im Medienmagazin Zapp:

Also besser kann es eigentlich nicht laufen. Da entwickelt man etwas, stellt es der Öffentlichkeit vor und Journalisten weltweit ergießen sich in Begeisterungsstürmen. In Sendungen und Zeitungen wird dieses neue Produkt gepriesen, als handele es sich um eine Erfindung von weltverändernder Dimension. Die Pille gegen Krebs? Die Maschine gegen Klimaerwärmung? Nein, es ist einfach nur ein neues Produkt aus dem Hause Apple.

Ja klar, Steve Jobs Produktpräsentationen sind oscarverdächtig und Apple-Produkte elegant und benutzerfreundlich….aber das?

Jedenfalls scheint es an der Zeit sich den Gartnerschen Hypezyklus wieder in Erinnerung zu rufen: Nach dem ‚Peak of Inflated Expectations‘ kommt unweigerlich der ‚Through Trough of Disillusionment‘, auch für JournalistInnen.

Illustration: „Bild am Sonntag“ 31.1.2010, „Bild“ 29.1.2010, Bild.de 8.2.2010