Wir recherchieren nach,
damit ihr nicht müsst.

Kategorie: z Medien

Während der „ZIB 24“ am 7.12. war die technische Abteilung anscheinend schon in Feiertagslaune: So wurde Hanno Settele, der sich visuell ohnehin stark vom Hintergrund abhob, kurzerhand vom Kapitol …

… ins US-Außenministerium gebeamt,

wo er anschließend als dessen Kommunikationschef  auftrat,

bevor er und das untere Drittel Washingstons komplett verschwanden.

Als wäre der Bluescreen nicht schon genug beansprucht worden, ging die magische Reise kurz darauf mit  Andreas Schleicher, dem Erfinder der PISA-Studie, weiter:

Das brachte den Hintergrund kurz zum kompletten Zusammenbruch,

als plötzlich Hanno Settele (in seiner Rolle als Kommunikationschef des US-Außenministeriums) wieder auftauchte:

Das war allerdings nur ein kurzes Aufbäumen, es folgte der endgültige Tod:

Der Vollständigkeit halber sollte allerdings erwähnt werden, dass man es dann doch noch schaffte, Andreas Schleicher das letzte Drittel seines Interviews vors Kapitol zu setzen.

Der tragische Unfall bei „Wetten, dass..?“ war in nahezu allen deutschsprachigen Medien ein großes Thema. Nur die LeserInnen von „Österreich“ sahen sich Sonntag Früh mit einem gänzlich anderen Bericht zur Show konfrontiert:

Robbie holte Show aus Koma

Wenn am späten Abend etwas Wichtiges passiert, haben tagesaktuelle Printmedien in der Regel ein Problem: Die Geschichte schafft es nicht mehr in die nächste Ausgabe und die Menschen lesen nichts darüber. Und eigentlich kann man ja Storys nicht im vorhinein produzieren, denn wer weiß schon was morgen sein wird. „Österreich“ scheint das in diesem Fall ein wenig anders zu sehen.

Schon lange standen Gäste und Showacts fest. Daher entschloss man sich wohl, den Artikel zur Sendung einfach am Tag vorher zu schreiben. Robbie Williams sollte vorbei kommen, gemeinsam mit „Take That“. Sicher ein guter Auftritt, sicher ein Highlight. Würdig einer Erwähnung am Titelblatt.

Freilich lief es ganz anders: Robbie Williams kam nicht zu seinem Auftritt, denn ein erschütternder Unfall führte zum Abbruch der Show. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Wettkandidat Samuel K. aktuell im künstlichen Koma befindet. Die Realität zeigt eben manchmal, wie daneben man mit seiner Wortwahl liegen kann, wenn man über etwas schreibt, das noch gar nicht passiert ist.

Die „Österreich“-Redaktion erkannte ihren Fehler. Zu Mittag sahen sowohl das Cover, als auch die Story dazu, ganz anders aus (siehe links). Im Vorhinein produzierte Storys, auch Kaltschreiben genannt, gab es bei „Österreich“ offenbar schon öfters.

Bei soviel Kritik muss auch ein wenig Platz für Lob sein. Die ZDF-Regie reagierte völlig angemessen und wiederholte die Aufnahmen des Vorfalls nicht. Auch war man sichtlich um die Wahrung der Privatsphäre bemüht und spannte schwarze Tücher rund um den Kandidaten, sodass Fotos nicht möglich waren. Die ersten Videos wurden indes schon veröffentlicht, als noch nicht einmal klar war, ob Samuel K. lebte, oder tödlich verunglückt war.

Vielen Dank an Twitter-User @RealMarcelHauer, der die Fotos der ursprünglichen „Österreich“-Ausgabe gemacht hat, sowie an die vielen Hinweisgeber.

Update:

Wolfgang Fellner sagt im Interview mit Spiegel Online „dass der überholte Artikel nur (…) in entfernte Regionen von Tirol, Steiermark und Kärnten geliefert wurde.“ Der Twitter-User @RealMarcelHauer,  erklärte mir hingegen, dass seine Fotos aus dem Niederösterreich-Abo stammen.

Symbolbild zum Projekt von Crikey und dem australischen Zentrums für unabhängigen Journalismus (ACIJ)

Projekt von Crikey und dem australischen Zentrums für unabhängigen Journalismus (ACIJ)

Es sieht aus wie gründlich recherchierter, unabhängiger Journalismus. In Wahrheit ist es ein Wolf im Schafspelz: der Einfluss von PR bei der Erzeugung journalistischer Beiträge.

Bereits mehr als die Hälfte der Berichterstattung hat ihre Wurzeln in PR-Maßnahmen – zu dieser Erkenntnis kamen 40 StudentInnen des australischen Zentrums für unabhängigen Journalismus (ACIJ), die voriges Jahr insgesamt 2203 Artikel von zehn australischen Printzeitungen unter die Lupe nahmen.

In 24 Prozent der untersuchten Berichte dürften sich die JournalistInnen keine signifikante Mehrarbeit angetan haben. Mit anderen Worten: Copy and paste, im besten Fall mit Quellenangabe, ist Redaktionsstandard. Federführend beim Einfluss der PR sind die Kategorien Innovation & Technik (77 %) und Polizei (71%), gefolgt von Bildung, Kunst & Unterhaltung, Gesundheit und Wissenschaft.

Spezial Report mit speziellen Inhalten
Für Projektleiterin Wendy Bacon, preisgekrönte Enthüllungsjournalistin und Professorin am ACIJ, ist vor allem die schleichende Werbung im Aussehen redaktioneller Inhalte ein Problem. Als Spezialreport gekennzeichnet werden LeserInnen über die wahre Intention getäuscht. Ein Phänomen, das wir auch aus österreichischen Medien kennen.

“… if it’s news it’s news, it doesn’t matter where it’s come from

So kommentierte Brett McCarthy, Chefredakteur von The West Australian, die Studienergebnisse. Immerhin mangelt es an Zeit, Geld und Ressourcen. Da kommen die All-Inclusive-Medienpakete von PR-Agenturen gerade recht. Zum Nullkostentarif gelangen sie im Broadcast-Format mit fertigen O-Tönen, Interviews, Hintergrundinfos etc. direkt auf den Schreibtisch des Journalisten.

Symbolbild zur Untersuchtung von ACIJ und Crikey

www.crikey.com.au/spinning-the-media

Hier steht mehr auf dem Spiel!
Gerade im Gesundheitsbereich können die Folgen von unkritischem Journalismus fatal sein: So wurde laut ACIJ in einem Gesundheitsmagazin äußerst positiv über ein neues Leukämie-Medikament berichtet, ohne dabei auf Risken und Kosten einzugehen. Die US Food and Drug Administration warnte jedoch vor diesem Medikament, nachdem PatientInnen nach dessen Einnahme gestorben waren. Der Journalist bezog sich auf eine Presseaussendung eines Krebszentrums, das im Dienste des Medikamentenherstellers agierte.

Koffer packen für eine Story
Neben fertig aufbereiteten Berichten sind auch teure Reisen und Geschenke erfolgreiche Mittel, um der Beziehung mit dem Journalismus einen Schritt näher zu kommen. So hatte beispielsweise die Tourism Australia von 2008 bis 2009 bei über 1.000 Berichten ihre Finger im Spiel. Zur Erklärung: im Vorfeld nahmen 531 JournalistInnen an ihren media familarization tours teil.

Ist PR der Feind im Bett?
Professionelle Öffentlichkeitsarbeit sei laut Wendy Bacon ebenso wenig schlecht wie eine Partnerschaft mit Journalismus. Aber nur mit entsprechender Transparenz und ohne hinterlistige Mittel. Journalismus müsse immerhin weitergehen als PR, er müsse Quellen kritisch hinterfragen. Ein schwieriges Unterfangen, wie es Chris Mitchell, Chefredakteur von The Australian, auf den Punkt bringt:

 “I guess I’m implying, the number of people who go to communications school and go into PR over the years has increased and the number in journalism has shrunk even more dramatically.“

Ahnungslose „Österreich“-Leser werden derzeit auf Österreichs Straßen fotografiert. Wer sein Bild am nächsten Tag in der Zeitung findet, kann bis 14:30 Uhr telefonisch seinen Gewinn anmelden und bekommt 100 Euro. „ÖSTERREICH lesen und Weihnachtsgeld gewinnen“ nennt sich das dann.

Nach 14:30 Uhr erlischt das Anrecht auf den Gewinn, das Foto jedoch bleibt. Wie steht es da mit der Privatsphäre? Wir haben Martina F.*, eine unfreiwillige Teinehmerin des Gewinnspieles angeschrieben und gefragt:

Die Fotografin stand am Ende der Rolltreppe am Karlsplatz. Ich habe gemerkt, dass ich fotografiert wurde. Es war jedoch nicht ersichtlich, dass die Dame von der Österreich Zeitung ist. Sie hat mich auch nicht angesprochen. Besonders erfreut, war ich nicht, als ich mich in der Zeitung gesehen habe, aber die €100 sind (…) ja auch nicht schlecht.

Weiß zufällig jemand, ob eine Klage nach §78 UrhG mehr einbringt als €100?

*Name auf Wunsch geändert

Irlands Finanzkrise beherrscht die Schlagzeilen in ganz Europa, immer öfter ist jedoch auch von der sogenannten Pferdekrise die Rede. Wie Standard, SN, Kleine Zeitung, Presse, OÖN oder auch die Süddeutsche berichten, droht bis zu „20.000 herrenlosen Pferden“ in diesem Winter ein qualvoller Hungertod, da sich ihre Besitzer die Haltung – als direkte Folge der Wirtschaftskrise – nicht mehr leisten könnten. Die meisten beziehen sich dabei auf einen Artikel von Spiegel Online, dem zufolge sogar „mehr als 20.000 Pferde auf der Kriseninsel umherirren“ sollen.

Die herzzerreißende Story hat allerdings gleich mehrere Haken: Weder sind Stray Horses ein neues Phänomen – der „Independent“ berichtete z.B. schon 2005 davon, also lang vor der Finanzkrise, noch konnten wir die Zahl von 20.000 Pferden irgendwo in irischen Medien finden.

Im April 2009, als die Zahl vermutlich erstmals auftaucht, und zwar auf BBC News, wird ein Tierschützer noch mit „20.000 Pferden, die niemand will“ zitiert, von streunenden ist noch nicht die Rede. Im Juni wird sie in einem Interview der Deutschen Welle zur „Zahl, die möglicherweise stimmen könnte“ (was auch immer das heißen mag) und im Oktober sind es im Guardian dann „möglicherweise besitzerlose Pferde“. Spiegel Online schreibt von Schätzungen irischer Tierschützer zu herumstreunenden Pferden, was u.a. in der Kleinen Zeitung zur Tatsache wird: „Wie Spiegel Online berichtet, irren (..) etwa 20.000 Pferde herrenlos umher.“ Stille Post par excellence.

Eines haben alle Berichte gemein: Die Quelle ist immer die – spendenfinanzierte – Dubliner Tierschutzorganisation DSPCA, meist in Form ihres Sprechers, Jimmy Cahill. Deren Mutterorganisation ISPCA auf unsere Frage nach einer verlässlichen Quelle:

There are no definitive numbers on horses abandoned in Ireland, our Inspectors have brought in 13 horses in 2007, 16 in 2008, 23 in 2009 and 41 so far this year.

Nicht nur irische Medien und Websites irischer Behörden schweigen sich zu dieser Pferdekrise erschreckenden Ausmaßes aus, auch die Tierschützer selbst wollen sie also nicht explizit bestätigen.

Offenbar wollte man der doch abstrakten Finanzkrise ein konkretes Gesicht geben. Schade, dass dies nicht mit einer Geschichte geschehen ist, deren Fakten stimmen. Oder, um es in den Worten eines in Irland lebenden Spiegel.de-Users zu sagen:

Mit der Wirtschaftskrise hat das nichts zu tun und wenn hier 20 000 herrenlose Pferde rumlaufen würden, wäre das sicherlich schon jemandem aufgefallen…so einen Unsinn habe ich wirklich lange nicht mehr gelesen!

Das krisengeschüttelte Irland und Haustiere, dieser verlockenden Kombination konnten offenbar auch Qualitätsjournalisten nicht widerstehen, trotz mangelhafter Quellenlage.

Update: Spiegel Online entschärfte den Artikel nach unserer Veröffentlichung und fügte diesen Absatz hinzu:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand die Zwischenzeile „Mehr als 20.000 Pferde sollen auf der Kriseninsel umherirren“. Dies ist falsch. Tatsächlich geht es um 20.000 Pferde, die nach einer Schätzung der Tierschutzorganisation DSPCA nicht mehr benötigt werden, weil viele Betriebe mit bis zu 200 Pferden seit dem Crash auf dem irischen Pferdemarkt kein Geld mehr einbrächten.

Krone bunt Cover vom 19. September

Am 19. September erschien in der „Krone bunt“ die 32 Seiten umfassende Serie „Wirtschaftsstandort Wien“. Darin präsentierten sich zwölf Unternehmen und erzählten von ihren Zukunftsvisionen. Wie jetzt aus einem Bericht des PR-Ethik-Rates (PDF) hervorgeht, handelte es sich bei der Beilage um bezahlte Einschaltungen, also um Werbung. Diese war jedoch in keinster Weise als solche gekennzeichnet. Ein klares Vergehen der Kennzeichnungspflicht nach § 26 Mediengesetz, so der PR-Ethik-Rat.

Der Bericht hält weiter fest, dass der Tarif für eine Doppelseite 30.000 Euro betrug.  Der verantwortliche des Projekts, Chefredakteur und Herausgeber der Krone Christoph Dichand, war zu keiner Stellungnahme gegenüber dem Ethik-Rat bereit.

Ein brisantes Detail: Auch ein Interview mit Bürgermeister Michael Häupl unter dem Titel „Der Wähler soll auf Nummer sicher gehen“ findet sich in der Beilage. Was für den/die LeserIn wie ein journalistisch geführtes Gespräch wirkt, war allem Anschein nach die Folge bezahlter Einschaltungen.  Erschwerend kommt hinzu, dass die Veröffentlichung drei Wochen vor den Wiener Gemeinderatswahlen erfolgte.

Häupl äußert sich zu Fragen wie: Was kann ein Bürgermeister konkret beitragen, damit in einer Großstadt wie Wien Lebensqualität erhalten bleibt oder sich im besten Fall sogar steigert? Oder: Womit kann Wien als Wirtschaftsstandort gegenüber anderen Städten punkten? Fragen, die zu einer Werbebotschaft geradezu einladen. Der Standard äußerte zur „Krone bunt“ Ausgabe bereits im September Bedenken.

Der seit 2008 existierende PR-Ethik-Rat sprach damit erstmals eine öffentliche Rüge aus, nachdem sie im März 2010 (PDF) bereits für mehr Transparenz bei bezahlten Berichten appeliert hatten. „Dieses Vergehen ist so alt wie die Branche selbst, aber in den letzten Jahren hat sich das Problem dramatisch verschärft“, so die stellvertretende Vorsitzende Renate Skoff gegenüber Kobuk . Da es sich beim PR-Ethik-Rat um ein Organ der freiwilligen Selbstkontrolle handelt, kann sie die Krone mit keinen weiteren Sanktionen belegen.

Abschließend wird in dem Bericht festgehalten:

Den Branchenusancen entsprechend geht der PR-Ethik-Rat davon aus, dass bezahlte Produkte wie die gegenständliche Beilage allen Beteiligten vor Drucklegung zur Freigabe vorgelegt werden.(…) Die Glaubwürdigkeit der gesamten Kommunikationsbranche steht auf dem Spiel.

Bei den beteiligten Firmen handelt es sich um: Erste Bank Group, Austrian Airlines, A1 Telekom, Siemens, Vienna Insurance Group, PORR, Flughafen Wien, Signa Holding, REWE Österreich, Austria Trend, Hotels (Ruefa, Verkehrsbüro), Wiener Städtische und Donau Versicherung.

Ein ähnlicher Fall wurde auf Kobuk bereits reblogged: Berichterstattung wie vereinbart

Update:

Der PR-Ethik Rat stellte uns freundlicher Weise einen der betroffenen Artikel zur Verfügung. So sieht Werbung im journalistischen Gewand aus:

Schon am 18. November wusste der österreichische Boulevard ganz genau, wann das britische Prinzenpaar heiraten würde. Doch knapp daneben ist auch vorbei. Wobei eigentlich 70 Tage (für „Österreich“) und 106 Tage (für „Heute“) eh nicht so knapp sind.

Das kann schonmal passieren, wenn man sich auf Quoten von Buchmachern verlässt. Auch bemerkenswert: „Heute“ wusste schon am 18.11. exklusiv, dass drei Milliarden Menschen (43% der Weltbevölkerung) bei der Hochzeit zusehen werden.

Wenn sich (angeblich) jeder dritte Zehnjährige online pornographisches Material zu Gemüte führt, was liegt näher, als einen Bericht dazu mit dem Bild eines rauchenden Mannes, der sich Kinderpornographie ansieht, zu illustrieren?


Gesehen auf Oe24.at.

(Quelle)

Unser Kreis zeigt, wo die eckige Markierung der 'Presse' hingehört hätte.

Die neusten kleinen Pannen des Mediengeschehens:

  • Die Presse am Sonntag verwechselt in einer Infografik das Horn von Afrika mit der arabischen Halbinsel.
  • Oe24.at hat grammatikalische Schwierigkeiten bei der Berichterstattung über Mara Carfagnax und Silvio Berlusconi, der diese „zur erst zur Moderatorin und später zur Ministerin“ machte.
  • Kurier.at dafür hat technische: ‚Freche Diebestour mit Polizeiformular‚ heißt der Artikel. Worum es geht, ist schwer zu sagen.
  • Für das Pandababy in Schönbrunn wurde per online-Abstimmung ein Name gefunden. Drei Namen standen zur Auswahl. Darüber, wie man sie schreibt, war sich Oe24.at nicht sicher:

  • DerStandard.at berichtet korrekt von den 29 Verschütteten in einem Bergwerk in Neuseeland. In der Printversion sind es nur bis zu 27 Kumpel.
  • Doppel hält besser, dürfte man sich beim ORF Steiermark gedacht haben.

Danke an Andreas und Janneke für die Hinweise!