Dass „Österreich“ manchmal scheinbar eigene mathematische Regeln aufstellt, ist ja nichts Neues. Dass Herausgeber Wolfgang Fellner selbst anscheinend so seine Probleme mit dem Prozentrechnen hat, ist allerdings schon bezeichnend.
Am Sonntag, den 4. Dezember, spricht er in seiner täglichen Kolumne „Das sagt Österreich“ über mögliche Mehrkosten für den Steuerzahler durch die Gehaltserhöhung der Beamten.
(…) ein Gehaltsplus von 2,5 % (…) Insgesamt bluten wir für unsere Beamten heute mit 300 Mille neuen Kosten, werden aber aufs Sparen eingeschworen.

Nur einen Tag später, in der Ausgabe vom Montag, den 5. Dezember, ist die Sache dann auch entschieden:
Gehälter steigen um 2,95 %
Das hieße dann also, höhere Mehrkosten als erwartet. Nicht aber lt. Rechnung von „Österreich“:
Der Deal kostet uns 277 Millionen Euro.
Also nochmal ganz langsam:
2,5 % wären also laut „Österreich“ 300 Millionen, 2,95 % demnach aber 277 Millionen Euro; das sind zwar 0,45 Prozentpunkte mehr, hier jedoch 23 Millionen Euro weniger.
Ein Blick in andere Tageszeitungen zeigt, das auch diese hier von Mehrkosten von 277 Millionen Euro durch die festgelegten 2,95 % sprechen. Gehen wir also davon aus, dass diese Zahl stimmt, müssen wir fast vermuten, dass dem Herausgeber mit seinen „300 Mille“ ein kleiner Rechenfehler unterlaufen ist.
(Herzlichen Dank an Leser Victor für den Hinweis.)
„Land der Facebooker“ heißt ein Artikel vom 4. November, in dem Heute.at von der großen Beliebtheit des Social Networks berichtet zu berichten versucht:
Facebook hat alles overruled“ (sic!) und verdrängt andere Netzwerke wie StudiVZ, Xing und maspace.com (sic!) von den Bildschirmen (…)
Ein knappes Monat später scheint Facebook deutlich an Popularität verloren zu haben:
Dass 70% der Menschen, die das Social Network nicht nutzen, selbiges für unnütz halten ist weniger überraschend. Die genannten Zahlen stammen nämlich aus einer Befragung von Facebook-Verweigerern (!), durchgeführt von Marketagent.com, einer Firma, die sich auf Online-Markt- und Meinungsforschung spezialisiert hat.
Ich frage mich übrigens, wie die 4,2 % der Befragten, die angeben, nicht zu wissen, wie man Facebook beitritt, die Registrierung zur Teilnahme an der Umfrage geschafft haben.
Samstag im Kurier: Ein Bericht über jene junge afghanische Frau, die vom Mann ihrer Cousine vergewaltigt und geschwängert wurde. Ein Gericht verurteilte die damals 18jährige wegen Ehebruchs zu zwölf Jahren Gefängnis, auf internationalen Druck hin begnadigte Präsident Karzai sie nun – angeblich unter der Auflage, dass sie ihren Vergewaltiger heiratet, damit das uneheliche Kind nicht unehelich bleibt.
Mittelalterlich, oder? In Europa sind wir ja längst darüber hinaus, Frauen als verfügbare Sexobjekte zu behandeln, oder? Nun, wir sind sicher etwas weiter als Afghanistan, aber der Artikel ganz unten rechts – auf der selben Seite –zeigt, dass wir noch nicht sehr weit sind :
Bitter finde ich die Formulierungen des KURIER. Al-Margough, die von einem Prostitutionsring missbrauchte Minderjährige, war “eine Professionelle”? Was soll das heißen? Dass es halb so schlimm war, dass Berlusconi mit einer Minderjährigen Sex hatte, weil diese eh nix wert ist, wenn das viele gemacht haben? So klingt das in meinen Ohren. So wie die fettgedruckte “Herzensbrecherin” neben dem Foto, das aus dem Opfer die Täterin macht.
Es sind die unbedachten Formulierungen, in denen sich eine Kultur verrät…
Aus unserer beliebten Reihe „ÖSTERREICH für Anfänger“:
Regel #9
Gehen Sie bei den Kurzgeschichten in „Österreich“ nie davon aus, dass abgebildete Personen etwas mit der Erzählung zu tun haben. Auch wenn hinzugefügte Augenbalken und Bildtexte es suggerieren.
Rechts das Originalfoto des Waisenknaben auf der Homepage der amerikanischen Bildagentur Getty Images.
Hier weitere Beispiele für diese neue Form von … symbolischem Journalismus in Österreich.
In der Ausgabe vom 23. November möchte uns „Österreich“ auf die Gefährlichkeit von Feinstaub hinweisen und illustriert den Artikel mit einer anatomisch nicht ganz korrekten Darstellung der menschlichen Atemwege:

Die Bronchien der menschlichen Lunge befinden sich logischerweise in der Lunge und nicht in der Luftröhre. Hier eine anatomisch korrekte Version:

(Illustration: BruceBlaus, CC BY 3.0)
Der traurige Vorfall des Mordes an einem 16-Jährigen im oberösterreichischem Braunau hat viele Menschen entsetzt, mich allerdings auch die dazugehörige Berichterstattung der Kronenzeitung letzten Dienstag.
Denn neben der nicht anonymisierten Darstellung des Opfers, welcher sich auch andere Medien schuldig gemacht hatten, wurde hier auch persönlichen Daten der Großmutter des Täters veröffentlicht.
Sie trafen sich in der Wohnung von Ivans Großmutter Anka D. (59) in der ░░░░░straße 2.

Ob die Dame gutheißt, dass ihre private Wohnadresse in der auflagenstärksten Tageszeitung Österreichs gezeigt wird?
Drei Menschen sprachen mit „Heute“ über „die eine Sekunde, die unser Leben rettete“ – auch Ex-Miss-Austria Patricia Kaiser kam dabei zu Wort.

Äh… kam angeblich zu Wort. Wie die 27-Jährige auf ihrer Facebook-Seite erklärte, gab es nämlich nie ein Gespräch zwischen ihr und „Heute“…

Vielen Dank an @maldungi für den Hinweis!
Drastische Erhöhung der Hundesteuer in Wien! Wie drastisch, scheint für viele JournalistInnen nebensächlich zu sein. Denn Orf.at, Kleine.at, Krone.at, Oe24.at, Wienerzeitung.at, DerStandard.at und DiePresse.com verwendeten offenbar mehr Zeit darauf, möglichst süße Hundefotos zu finden, als nachzurechnen: Eine Änderung 43,60€ auf 72€ entspricht einer Erhöhung von 65,14%.
Den Ursprungsfehler dürfte die APA gemacht haben, auf die sich die meisten Medien beziehen. Einige Medien haben den Fehler inzwischen unauffällig korrigiert.
Den Hundefoto-Kindchenschema-Wettbewerb hat meines Erachtens übrigens Krone.at gewonnen.
Nachtrag: Inzwischen haben alle der genannten Medien den Fehler ausgebessert.
In der Rubrik „Money-Extra“ macht uns die Tageszeitung „Österreich“ vergangen Sonntag darauf aufmerksam, dass man über private Pflegevorsorge nicht früh genug nachdenken könne.
Mit der demographischen Entwicklung in Österreich – die Bevölkerung wird im Schnitt immer älter – drängt sich ein Thema in den Vordergrund: die Pflege.
„Expertenwissen“ kommt von Robert Lasshofer und Luciano Cirinà, die beide in einem kleinen Interview ihre Meinung zum Thema kundtun dürfen. Und dass die beiden dazu eine starke Meinung haben ist klar, immerhin ist Lasshofer Chef der Wiener Städtischen und Cirinà Generaldirektor der Generali-Versicherungen.
Private Pflege-Vorsorge boomt also lt. „Österreich“. Wer jetzt in Panik geraten sollte, weil er eben noch nicht für seine Pflege im Alter vorgesorgt hat, dem sei geholfen:
Gleich zwei große Werbeeinschaltungen just jener Versicherungsgesellschaften, die auch ihre Meinung im dazugehörigen Artikel kundtun dürfen, prangen jeweils auf der gegenüberliegenden Seite (Generali) und auf der nächsten Doppelseite (Wiener Städtische).

Und sollte Ihnen der Herr in der Werbeanzeige der Wiener Städtischen bekannt vorkommen – Nein, Sie irren sich nicht. Es ist der Herr vom Artikel auf der vorherigen Seite: Robert Lasshofer, Generaldirektor der Wiener Städtischen. Er darf also gleich zwei mal in der selben Zeitung mitteilen, wie er zu seinen Produkten zur privaten Pflege-Vorsorge steht.
Obwohl wir uns das eigentlich auch so hätten denken können.
Wie die Kobuk-Leser bestimmt schon wissen, haben die österreichischen Medien so ihre Probleme mit dem Balkangebiet.
Auf den ersten Blick beschreibt ein Artikel in der „Heute“-Ausgabe vom 11.11. die „Reichweiten der vier Mullah-Raketen“, doch wirft man einen genaueren Blick auf die Karte, so fällt auf: In der Balkanregion fehlen zwei Länder, die erst „kürzlich“ unabhängig wurden: Montenegro (seit Juni 2006 unabhängig) und Kosovo (Unabhängigkeit von Serbien wurde im Februar 2008 proklamiert).

Ob „Heute“ uns dadurch mitteilen will, dass die Redaktion diese beiden Länder nicht anerkennen will, oder ob dies bedeutet, dass man in der Redaktion politisch nicht auf dem Laufenden ist, ist Interpretationssache.
Welchen Sinn der Pfeil haben soll, ist auch ein Rätsel. Er beginnt weder in Teheran, noch bei den eingezeichneten Atomanlagen. Er endet noch dazu im Atlantik, wobei er auch auf den Text zeigen könnte. In diesem Fall unterstellt „Heute“ ihren Lesern aber die Unfähigkeit, den Zusammenhang zwischen Bild und daneben stehendem Text zu erkennen.
PS.: Auf Seite 20 in der selben Ausgabe wird der Begriff „Männlichkeit“ definiert:

Wieder etwas gelernt: Ameisen machen Honig.






