Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: OE24/Österreich

Beide kämpfen auf ihre Art für den Wandel der Medien: Wolfgang Fellner, der „Opa des Inzest-Journalismus“, so die Jury der frisch vergebenen Big Brother Awards. Und A1-Chef Hannes Ametsreiter, ebenfalls geehrt, als Totengräber der Netzneutralität*).

Das verbindet. Und so darf A1 heute auf einer Doppelseite das „Thema des Tages“ einnehmen. Jene journalistische (!) Rubrik im Fellner-Blatt, wo für gewöhnlich Persönlichkeitsverletzungen Rufmord das Wichtigste des Tages abgehandelt wird:

(Bild anklicken für Großansicht)

Ein kleiner Auszug aus dem investigativen Report:

… Neues Super-Smartphone bei A1 … Heute erster Verkaufstag des neuen Apple-Smartphones bei A1 … A1 startete den Verkauf als Erster … Als Erster öffnete Mobilfunk-Marktführer A1 um Mitternacht seine Shops … Im A1-Shop in der Pernhartgasse gab es um Mitternacht eine Produktpräsentation … Größte Stückzahl bei A1 … Bei A1 haben sich mehr als 10.000 Interessenten vorregistriert … „Anfangs gibt es immer zu wenige“, sagt A1-Vorstand Alexander Sperl … Top-Angebote. A1 bietet das iPhone 4S mit Vertrag und iPhone-Paket … Wer jetzt einen der vier A1-Smartphone-Tarife abschließt, hat sein gesamtes Vertragsleben lang doppelt so viele … Doppeltes Freivolumen: In allen vier A1-Smartphone-Tarifen bekommen Neukunden jetzt das doppelte Freivolumen … Und dass auch datenintensive Anwendungen wie Fernsehen am iPhone (A1 TV-App) richtig Spaß machen, dafür sorgt das super-schnelle A1-Netz …

Gezählte 38 Mal wird die Marke auf den beiden redaktionellen Seiten erwähnt. In dieser Ausprägung fällt es schwer, noch von Schleichwerbung zu sprechen. Das ist schon Tourette.

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*) Ohne Netzneutralität entspräche das Internet in etwa einem Kiosk, wo eines Morgens nur mehr „Österreich“ und „Krone“ gut sichtbar aufliegen, weil sie dem Betreiber dafür mehr Geld zahlen als die Konkurrenz. Und Zeitungen, die gar nichts zahlen? „Die hol ich aus dem Lager, dauert nur ein bisschen.“

Überschrift in "Österreich" Serben fielen über zwei Wiener her. Messerstich: Opfer den Hals zerschnitten"Von einer brutalen G’schicht weiß „Österreich“ in der Printausgabe von Sonntag zu berichten:

Serben fielen über zwei Wiener her

Klare Sache. Zwei Wiener, zwei Serben, letztere greifen erstere an und verletzen sie. Ganz so klar ist die Sache doch nicht, wie sich beim Durchlesen des Artikels herausstellt:

(…) Die zwei Unbekannten schimpften die beiden Freunde in vermutlich serbischer Sprache. Plötzlich zog einer der Übeltäter ein Messer aus seiner Tasche und stach dem Wiener, Gerald K., in den Hals. Anschließend flüchteten die beiden Serben in unbekannte Richtung.

Der einzige Hinweis auf die Herkunft der Täter ist also die Aussage der Opfer und einzigen Zeugen, wonach die zwei Männer „vermutlich“ auf Serbisch geschimpft hätten. So schnell kommt man zu einer Staatsbürgerschaft sonst nur mit viel Geld in einem südlichen österreichischem Bundesland.

Ein Gedankenexperiment: Die zwei angegriffenen Wiener sind Slawisten. Und weil sie aufgrund der Aussprache einzelner Wörter genau wussten, dass die Männer serbisch und nicht zB kroatisch gesprochen haben, konnten sie so eine genaue Angabe über die gesprochene Sprache machen.

Selbst wenn man zweifelsfrei – aufgrund der Aussage der einzigen Zeugen, die gleichzeitig Opfer sind – wüsste, dass die beiden Männer serbisch gesprochen hätten, könnte man daraus nicht ableiten, dass es sich um Serben gehandelt hat. Viele ÖsterreicherInnen sprechen (zusätzlich oder ausschließlich) andere Sprachen als Deutsch. Und dass sich „Österreich“ mit den verschiedenen Ländern Südosteuropas ein bisserl schwer tut, wissen wir ja inzwischen.

„Österreich“ schließt aufgrund der Aussage zweier Zeugen vorschnell auf eine Staatszugehörigkeit – vielleicht, weil’s so schön ins Klischee passt?

Die Tageszeitung “Österreich” berichtet in ihrer Ausgabe vom 19. Oktober unter der Rubrik „Wien Aktuell“ von dem Fitnessgerät Powerplate.

Wie es der Zufall so will, findet sich auf der selben Seite eine Werbeanzeige, der auch im Artikel genannten Firma Lifestyleladies, die in Österreich das Training mit dem Sportgerät anbietet.

Der Artikel selbst ist nichts anderes als ein leicht modifizierter Pressetext der der Vertriebsfirma des Fintnessgeräts, welcher auch auf der angepriesenen Homepage heruntergeladen werden kann. Dort findet sich übrigens auch ein Flyer für ein Probetraining. Die Models auf dem Gutschein weisen eine frappierende Ähnlichkeit zu den jungen Damen auf, die uns im Zeitungsbericht so freundlich entgegen lächeln.

Den identischen Text findet man auch auf Oe24.at, wo als „Service“ der Redaktion ein Probetraining bei den Lifestyleladies empfohlen wird.

Eine Kennzeichnung als Werbeanzeige sucht man vergebens.

Interessant ist das ja eigentlich schon: Da fasst das FBI endlich den bösen, bösen Hacker, der die Nacktaufnahmen der Stars von deren Computern und Mobiltelefonen klaut, und dann kommt „Österreich“ und veröffentlicht ebendiese prekären Aufnahmen sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe.

Aufatmen. Nach den Hackerangriffen auf Prominente wie Scarlett Johansson (26) und Mila Kunis (28) kann Hollywood wieder ruhig schlafen. Im Rahmen der “Operation Hackerrazzi“ wurde Christopher Chaney (35) nach elfmonatigen FBI-Ermittlungen in Florida festgenommen.

Ob die Stars wirklich so ruhig schlafen können, wenn plötzlich Tageszeitungen anfangen, die viel diskutierten Nacktfotos abzudrucken? Und dazu texten:

Lasziv auf dem Bett: Das Foto war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Dass dies eine Verletzung der Intimsphäre darstellt, scheint „Österreich“ wenig zu stören:

Berechtigte Interessen werden in jedem Fall durch Veröffentlichungen von Aktfotos des oder der Abgebildeten ohne deren Einwilligung verletzt. Die Verletzung berechtigter Interessen liegt hier in der Verletzung des aus dem Grundsatz der Achtung der Privatsphäre erfließenden Selbstbestimmungsrechts […].

(Korn: Einführung in das Kommunikationsrecht)

Woher hat „Österreich“ die Fotos überhaupt? Weder in der Print- noch in der Online-Version des Artikels wird die Quelle des Fotos offengelegt (Ja, eh – vom Iphone der Scarlett, werden viele jetzt denken. Reicht aber nicht). Des Rätsels Lösung finden wir beim Konkurrenzblatt „Heute„:

© Facebook

Wie „Das Biber“ entdeckte, berichtete „Österreich“ in der Ausgabe vom 13. Oktober über den hohen Ausländeranteil in Österreich. Die Grafik wies zumindest einen Fehler auf:

Die „Krone“ toppte „Österreichs“ faux pas in der Krone Bunt vom 16. Oktober und verlegte Serbien nach Bosnien:

Nicht der erste Kobuk vom Balkan.

Da müht man sich ab, in den besten Redaktionen des Landes,

("Krone", 26. 8. 2011)

trotzt mit gefüllter Portokassa den kleinkarierten Beschränkungen des Medienrechts

("Österreich", 27. 8. 2011)

und pfeift auf journalistische Moral und Ehrenkodex sowieso.

("Österreich", 28. 8. 2011)

Immerhin hat man einen Informationsauftrag zu erfüllen. Muss den Lesern ein gnadenlos recherchiertes Bild vermitteln, über diesen abartigen Eigenbrötler, der sich nie am Gemeindeleben beteiligte und in keinem Verein war:

("Österreich", 27. 8. 2011)

Außer beim ASKÖ, über 60 Jahre — doch was kümmern uns unsere Lügen vom letzten Tag? Heut ist wahr. Gestern war.

("Österreich", 28. 8. 2011 - man beachte auch die gepixelte Radkappe)

Und dennoch gibt es immer noch Menschen, die diesem “Inzest-Monster” die … Stange halten:

("Krone", 28. 8. 2011)

Die trotz aller Aufklärungsarbeit der Top-Journalisten-Richter-Henker dieses Landes erst ein Gerichtsurteil abwarten möchten, oder zumindest die offizielle Anklage, bevor sie sich über diesen Mann — von dem sie derzeit gesichert nur wissen, dass er von seinen Töchtern mehrere Tage hilflos am Boden liegen gelassen wurde und nun schwer von ihnen beschuldigt wird — ihr eigenes Urteil bilden. Ja lesen diese Menschen denn keine Zeitung?!

Ein „Heute“-Redakteur bringt kopfschüttelnd und leicht fassungslos auf den Punkt, was er von der Einstellung solcher Bürger hält, die das mediale Vor-Urteil infrage stellen:

("Heute", 29. 8. 2011)

Wahnsinn!



Update 9.9.2011: Der Verdächtige wurde heute aus der U-Haft entlassen. Die Inzest-Vorwürfe waren Medienberichten zufolge ein Missverständnis bei der Einvernahme der beiden geistig beeinträchtigten Schwestern. Und jetzt einfach noch mal die Bilder anschauen, in diesem Artikel.

UPDATE: Stellungnahme des Fotografen siehe unten.

Heute hitzebedingt nur ein leichtes Sommerrätsel: Auf dem Suchbild unten verbirgt sich ein Spanner, der über Kopf in die privaten Räume von Verbrechensopfern fotografiert. Wer findet ihn?

ÖSTERREICH: „ein einziger Müllhaufen“

UPDATE 31. August: Der Österreich-Fotograf, der namentlich nicht genannt werden möchte, möchte diesen Artikel gelöscht sehen. Wir haben das trotz Androhung von „rechtlichen Schritten“ abgelehnt. Wir haben ihn um eine Stellungnahme gebeten:

Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie noch einmal um Stellungnahme bitten:

– Hatten Sie Erlaubnis, das betreffende Grundstück zu betreten?
– Hatten Sie Erlaubnis, das Innere des Gebäudes für eine Veröffentlichung zu fotografieren?
– Haben Sie im Auftrag Ihrer Redaktion oder auf eigene Faust gehandelt?

Seine Antwort:

Es ist mehr als lächerlich von mir in irgendeiner Weise eine Stellungnahme zu erwarten!

Weiters haben Sie mit den Bildern eine Urheberrechtsverletzung begangen.

Sie zeigen mit Ihrem Artikel weder irgendwelche Missstände auf etc. Das Einzige, was Sie machen, ist eine Person (von keinerlei öffentlichem Interesse) an den Pranger zu stellen, ohne dafür Beweise zu haben. Oder fühlen Sie sich zu einem Richter berufen? Was Sie ja ironischerweise den Medien vorwerfen. Entschuldigen Sie bitte, dass ich von der sachlichen Argumentationsbasis abschweife.

 

Mittlerweile dürfte es sich bereits herumgesprochen haben: Der neue Mediamarkt in Stadlau wartet mit „tollen“ Eröffnungsangeboten. Zur Sicherheit erinnerte uns die „Österreich“-Redaktion am 26. (links) und 27. Mai (rechts) noch einmal daran:

1. Die „Kleine Zeitung“ lässt am 25.05. in einem Bericht über Tornados in den USA vier Tote sterben:

2. Wie man solche Fehler vermeidet, zeigt die Printausgabe der „Presse“ am 29.05. auf Seite 45:

3. Der ORF verwandelt am 12.04. Staatssekretär Sebastian Kurz im Interview zu einer Frau Schittenhelm (nach 4:20 min):

4. Nach dem Erdbeben in Japan war man bei Oe24.at so verwirrt, dass man seitdem die Erdrotation im gleichen Artikel für um 1,8 Mikrosekunden erhöht und weniger Zeilen darunter wieder für verkürzt hält:

Herzlichen Dank u.a. an Tom und Klaus für die Hinweise.

Wie wurscht „Österreichs“ Journalisten die Grenze zwischen Gefundenem und Erfundenem ist, merkt man oft auch speziell im Kleinen. An der Geschichte dieses Ausreißers zum Beispiel:

"Österreich", OÖ-Ausgabe, 27.5.2011, S. 17

Neben der Headline ein anonymisiertes Foto des Jungen, mit der Bildunterschrift:

Kleiner Armin verirrte sich.

Stutzig macht den geübten Medienbeobachter (Vorsicht, Eigenlob) nur, dass der Bub auf dem Bild heult. Hat der Erwachsene, der ihn dann im Kindergarten ablieferte, etwa erst noch ein Foto von dem Kleinen, mitten in seiner größten Not, geschossen und es an „Österreich“ verhökert?

Nein. Es musste wieder mal, wir erinnern uns an „Österreichs“ faulsten Lehrer, einfach nur ein Bild her. Und dem Leser kann’s doch egal sein, ob das nun wirklich dieser Armin ist oder ein x-beliebiges US-Model aus der Getty-Bilderdatenbank (dort natürlich ohne Augenbalken). Und was hätten’s, statt zu lügen, denn auch drunter schreiben sollen … „Symbolkind“ etwa?

Man kann’s auch positiv sehen: Immerhin hat „Österreich“ diesmal keine Persönlichkeitsrechte verletzt.