Sebastian Kurz lädt ausgewählte Medienvertreter:innen nach Tel Aviv ein – sie sollen sein neues Projekt „Dream“ kennenlernen, ein KI-Start-up. Die meisten Medien kennzeichnen nicht, dass „Dream“ die Reise bezahlt hat. Und auch inhaltlich rückt das Unternehmen in den Hintergrund: Die Berichte drehen sich vor allem um Kurz.
Vergangenes Wochenende lud Sebastian Kurz einige deutsche und österreichische Journalist:innen ein, sein Unternehmen „Dream“ in Israel zu besichtigen. Oder wie die Kronen Zeitung schreibt: Er führte durch „sein sagenumwobenes und milliardenschweres Reich in Tel Aviv“. Das klingt tatsächlich wie die Einladung, eine „Traum“-Welt zu betreten, und genau so lesen sich auch viele der Berichte quer durch die Medien.
Am 1. September berichtete die Financial Times über GPS-Sabotage im Flugzeug von Ursula von der Leyen. Der Flugradar-Dienst Flightradar24 widerspricht und sieht keine Unregelmäßigkeiten. Die Fakten beinhalten viele Grau-Töne, die in den meisten Medien zwischen Alarmismus und „Fake News“-Rufen untergehen.
Henry Foy ist Chef des Brüssel-Büros der Financial Times. Er hat Ursula von der Leyen zuletzt auf ihrer viertägigen Tour durch Osteuropa begleitet. Am Sonntag, den 31. August, sind sie von Warschau nach Bulgarien geflogen. Aber im Landeanflug auf die Stadt Plovdiv im Zentrum des Landes passierte etwas Merkwürdiges: „(…) we lost altitude. We came down to praying for landing, and then all of us on board realised that we were circling the airport. We had been for a while“, erzählt Foy zwei Tage später im hauseigenen Podcast FT News Briefing.
In den letzten Wochen hat die Kronen Zeitung eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, die suggerieren, dass Milliarden an EU-Geldern an „fragwürdige“ Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fließen – und das angeblich „ohne Kontrolle“. Doch hinter der Berichterstattung steckt eine Kampagne, die mehr auf Stimmungsmache als auf sachliche Kritik setzt.
Es ist Freitag, der 25. Juli. In der Kronen Zeitung heißt es selbstbewusst: „Nachdem die ‚Krone‘ Ungereimtheiten bei EU-Milliardenförderungen für NGOs aufgezeigt hat, geht es Schlag auf Schlag: Strafanzeigen in Luxemburg, München und Wien.“ Am selben Tag lädt die FPÖ zu einer Pressekonferenz. Das Thema: „Steuergeschenke für Klima-Lobbyisten – es reicht!“.
Die Krone wird darüber nicht berichten – sie muss es auch nicht. Denn was die FPÖ dort sagt, hat die Zeitung längst geschrieben; in der aktuellen Ausgabe und auf ihren Print- und Onlineseiten der vergangenen Wochen.
Insgesamt bringt die Krone im Juli acht Geschichten zu den vermeintlichen „Ungereimtheiten“ der NGO-Förderpolitik. Dabei zeigen sich Muster, die typisch für Kampagnenjournalismus sind: einseitige Quellenauswahl, emotionale Sprache, wiederholte Stereotype und ein klar erkennbares Ziel: zivilgesellschaftliche Organisationen zu delegitimieren.
Einige österreichische Privatsender trennen nicht ordentlich zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung. Teilweise könnte das sogar gegen das Gesetz verstoßen. Die Medien selbst sehen keinerlei Problem – und das ist Teil des Problems.
In der Sendung „Das Magazin“ vom 9. Dezember 2024 erscheint auf KurierTV ein Beitrag zu tiergestützter Therapie. In knapp vier Minuten erfahren wir, wie autistische Kinder beispielsweise durch den Umgang mit Pferden in ihrer Entwicklung gefördert werden. Was wir nicht erfahren: Der Sender erhält für diesen Beitrag vom Internetanbieter Kabelplus 3.880 Euro. Dafür wird wohlwollend erwähnt, dass Kabelplus erst kürzlich an das Therapiezentrum gespendet hat. „Damit nicht nur zu Weihnachten möglichst viele Kinderaugen leuchten“, wie es im Beitrag heißt. Was aussieht wie unabhängiger Journalismus, ist in Wirklichkeit gekaufte Berichterstattung. Eine Kennzeichnung als Werbung fehlt, und das ist leider kein Einzelfall.
Die größte Tageszeitung des Landes verkündete am Dienstag einen scheinbaren Skandal: EU-Millionen würden „versickern“; Österreichische Organisationen „ohne Kontrolle“ kassieren.
In den Stunden und Tagen nach dem Amoklauf in Graz zeigten einige Medien eine besonders unrühmliche Seite – geprägt von Spekulationen, verstörenden Bildern und unangebrachten Besuchen.
Am Dienstag erschütterte ein Amoklauf an einer Grazer Schule das ganze Land. Während Einsatzkräfte versuchten, die Lage unter Kontrolle zu bringen und Angehörige betreut wurden, übertrafen sich viele Medien in medienethischen Verfehlungen: Sie spekulierten über Motive, zeigten Aufnahmen der Opfer und veröffentlichten identifizierendes Material. Ein Überblick über die schwerwiegendsten Verstöße gegen journalistische Sorgfaltspflichten der letzten beiden Tage.
Klicks über alles – das Problem mit dem Opferschutz
Eine Gruppe homophober Schläger verprügelt systematisch junge Männer. Die Gruppe tarnt ihre Hassverbrechen und behauptet, sie würde Pädophile jagen. Medien tappen in die Falle: Sie übernehmen das Framing der Kriminellen viel zu unkritisch und verzerren so, worum es bei den Straftaten wirklich geht. Denn keines der Opfer war tatsächlich pädophil.
„Razzien: Polizei geht gegen Pädophilen-Jäger vor“, berichtet die Kronen Zeitung am Morgen des 21. März 2025. „Laut ‘Krone’-Infos handelt es sich um eine Aktion gegen die sogenannte ‘Pedo-Hunter-Szene’, die Selbstjustiz gegen Kinderschänder vornimmt“, heißt es weiter. Im nächsten Satz zitiert die Krone einen Beamten der Landespolizeidirektion Steiermark, der von Straftaten „unter dem Deckmantel der Selbstjustiz“ und einem „Hate-Crime-Delikt gegen eine bestimmte Personengruppe“ spricht.
Der „Deckmantel der Selbstjustiz“, den die Polizei später wiederholen wird, ist wichtig. Das bedeutet nämlich, dass die Täter Selbstjustiz lediglich als Vorwand nutzten, um ihre eigentlichen kriminellen oder ideologischen Motive zu verdecken. Den Tätern ging es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Hass. Kein einziges Opfer ist der pädophilen Szene zuzuordnen, stellt die Polizei Freitagmittag klar. Und die Täter seien sich dessen „sehr wohl bewusst“ gewesen, betont der stellvertretende Landespolizeidirektor Joachim Huber.
Die Krone überarbeitet ihren Artikel, nennt die Täter im Titel nun „Dating-Jäger” und die Opfer „mutmaßliche Kinderschänder”. Aber reicht das?
Wo Worte fehlen, sprechen Bilder – doch nicht immer sind es die richtigen. Eine Analyse von Symbol- und Stockbildern in Kronen Zeitung, Heute und Der Standard zeigt, wie stark stereotype Darstellungen von Frauen das mediale Bild prägen: Fast alle sind jung, weiß, hübsch und schlank.

Diese Bilder aus den Gesundheits-Rubriken von Kronen Zeitung und Heute lassen glauben, nur weiße Frauen mittleren Alters werden krank.
Zeitungen haben es nicht immer leicht. Um in der Branche vorne mitzuspielen, muss man schnell sein und kann keinen Diskurs auslassen. Über 100 Artikel pro Tag in Print und auf der Website sind in vielen Redaktionen Normalzustand. Und wenn man als eifrige News-Journalistin dann auch noch schnell einen Artikel über ein sperriges Thema wie Aktienfonds, den Arbeitsmarkt oder Datenschutz schreiben muss, kann das passende Bild dazu zu finden, zum Problem werden. Genau hier kommen häufig Stockbilder zum Einsatz.
„Festnahme nach Mordverdacht“ lautet die Polizeimeldung am Morgen des 19. Februar. Keine fünf Stunden später hat die Gratiszeitung Oe24 schon ihr eigenes Bild konstruiert:
„Beide sind aus Wien und trotz des großen Altersunterschiedes offenbar ein Liebespaar“, spekuliert Oe24 wild drauflos. Zeitgleich stellt die Polizei fest: „In welchem Verhältnis die beiden stehen, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen.“
Doch nicht nur mit Oe24 geht die Fantasie durch. Auch die Krone titelt „Frau in Liebesnest getötet“, spricht von ihr als „die ältere Sexpartnerin“ und dem Täter als „ihre nicht mal halb so alte Turtelei“. Auf Heute.at ist man sich ebenso sicher, das Opfer sei die „Liebhaberin“.
In zahlreichen Medien ist zu lesen, dass Österreichs Luftraum „unüberwacht“ sei. Das hat faktisch nie gestimmt. Das Verteidigungsministerium dementierte die Berichte allerdings nicht – und hat dafür offenbar Gründe.
„Luftraum über Österreich seit Freitag ungeschützt“, berichtet die Kronen Zeitung am 17. November. Und weiter: „Seit Freitagnachmittag kann am Himmel über Österreich theoretisch jeder machen, was er will.“ Man meint einen neuen Missstand beim österreichischen Bundesheer aufgedeckt zu haben.
Zahlreiche Medien übernahmen die Geschichte, mal reißerischer, mal weniger. Die Kernbotschaft vermittelten sie jedenfalls allesamt: Der Luftraum über Österreich sei ungeschützt. Neben Heute und Oe24 verbreiteten auch Der Standard, Kurier und der ORF die Schreckensnachricht.
Dabei hätte schon ein bisschen Recherche gereicht, um erstens die Fakten zu ermitteln und zweitens den Spin zu riechen, der hier offenbar verbreitet wurde.
Doch der Reihe nach. Mit „Luftraum ungeschützt“ ist gemeint, dass am 16. und 17. November die Eurofighter nicht starten konnten. Der Grund dafür ist ein Überstundenabbau bei Fluglotsen.








