Wir recherchieren nach,
damit ihr nicht müsst.

Exxpress setzt nach Kirk-Attentat auf erfundene Skandale

Der „Trans-Terror“ ist der neue Islamismus, die österreichische Justizministerin kennt die „Antifa“ nicht und Bluesky ist eine Brutstätte für Gewaltfantasien: Jenseitige Behauptungen und Falschmeldungen sind wir vom Exxpress gewohnt, aber seit der Ermordung von Charlie Kirk hat sich auch dort etwas verschoben. Die Seite arbeitet sich an Feindbildern ab und lässt vor allem die eigene politische Agenda Geschichten erzählen – auch wenn die mit der Wahrheit wenig zu tun haben.

Schuld ist der „Trans-Terror“

Schon die erste Meldung des Exxpress zur Ermordung von Charlie Kirk, Aktivist der neuen amerikanischen Rechten, war bezeichnend: „Linke schießen auf US- Aktivist und Trump-Unterstützer“ hieß es zunächst, wie das APA-Archiv, das mittlerweile gelöschte Facebook-Posting und nicht zuletzt die URL des Artikels bestätigen. Der Titel wurde nachträglich geändert.

Trotzdem bleibt das Narrativ auch zwei Wochen später bestehen: „Die Linken“  haben den Tod von Kirk zu verantworten. Sie seien es, die den „Trans-Terror“ decken würden. Eine entsprechende Analyse liefert Nius, Exxpress-Partnermedium und Mehrheitseigentümer, der Exxpress übernimmt sie. Darin wird eine „Trans-Fanatiker“-Bewegung erfunden, die systematisch Gewalt gegen Kritiker ausübt. Für ein solches Phänomen gibt es keine Belege – deshalb stützt sich die Autorin auch auf Einzelfälle, in denen Täter Transpersonen waren und suggeriert damit eine Kausalität. „Was einst die islamistische Blitzradikalisierung war, ist heute immer öfter eine Online-Radikalisierung im militanten Trans-Milieu“, so das Fazit.

Das Titelbild zum „Trans-Terror“ zeigt übrigens Menschen, die 2023 „eine von Rechtsextremen angefeindete Dragshow schützen. Sie sind weder trans noch Terroristen“, klärt der Spiegel-Journalist Anton Rainer auf Bluesky auf.

Es ist auch ein Zeichen für die „abgründige Stillosigkeit der linken Meute“ (ExxpressKolumnist Heinzlmaier), wenn Kirks Tod in den Augen des Exxpress nicht ausreichend betrauert wird. So notiert sich die Plattform, dass Bundespräsident Alexander van der Bellen vor fünf Jahren zwar eine Reaktion auf den Tod von George Floyd und die „Black lives matter“-Bewegung verfasst hat, sich bei Kirk aber nicht öffentlich geäußert hat. Dass im EU-Parlament keine Schweigeminute für Kirk genehmigt wurde, ist für das Blatt selbstverständlich ein „Skandal“.

„Babler in den USA – aber trotzdem kein Kommentar zu Charlie Kirk“ ist dem Exxpress sogar eine Schlagzeile wert. Geschrieben hat den Artikel übrigens eine Autorin, die dort laut LinkedIn-Eintrag gleich eine Doppelrolle in „Sales und Redaktion“ innehat.

Hass gegen Hayali

Ja, die Stimmung ist seit dem Kirk-Attentat weltweit aufgeheizt. Für Medien war und ist die Berichterstattung ein Balanceakt: Es braucht Raum, um die öffentliche Hinrichtung eines Menschen zu verurteilen. Es muss aber auch genügend Raum bleiben, um zu sagen, was ist.

Für die ZDF-Journalistin Dunja Hayali hat dieser Balanceakt zu einer Welle von Hassnachrichten auf Social Media geführt. Im „Heute Journal“ hat sie Kirk als „rassistisch, sexistisch und menschenfeindlich“ bezeichnet. (Der Guardian hat hier einen Auszug seiner eigenen Worte veröffentlicht, die Hayalis Einschätzung erklären.)

An der Hasswelle, die daraufin über sie hereinbrach, war auch Julian Reichelt von Nius maßgeblich beteiligt: „Der menschliche Abgrund der Dunja Hayali“ lautete der Titel einer Kolumne, die auch der Exxpress veröffentlicht hat. Am 23. September legte Nius/Exxpress nach und warf Hayali Antisemitismus vor. Der Grund: Hayali sprach in einem Interview Bilder und Berichte aus Gaza an, laut denen das israelische Militär auf Zivilist:innen schießt.

Bluesky, der Ort des Grauens

Verwerflich ist für den Exxpress auch die Plattform Bluesky, die „Brutstätte linker Gewaltphantasien“. Ein Artikel vom 15. September bezieht sich auf eine Analyse des konservativen US-Think Tanks „Network Contagion Research Institute“ von April. Dessen Kernaussage sei es, dass Bluesky „als Radikalisierungs-Booster für linke Gewalt“ fungiere, schreibt der Exxpress. Aber diese Aussage gibt der Bericht gar nicht her.

Das NCRI hat sich über 200.000 Posts angesehen, die Donald Trump, Elon Musk und Luigi Mangione erwähnen. Der Exxpress behauptet fälschlicherweise, dass alle 200.000 Einträge gewaltverherrlichend waren. Darauf gibt diese Analyse aber gar keine Antwort. Das „Gewaltpotenzial“ wird stattdessen anhand einzelner, ausgewählter Beispiele besprochen.

Diese Studie belegt außerdem nicht, dass Bluesky Menschen radikalisiert. Die Autor:innen sahen sich nämlich keine Kausalitäten, sondern Korrelationen an. Geringe, aber immer noch positive Korrelationen gab es zum Beispiel zwischen der Bluesky-Nutzung und der Rechtfertigung von Gewalt an Trump oder Musk bzw. der Unterstützung von Luigi Mangione. Das heißt noch lange nicht, dass die Bluesky-Nutzung verantwortlich für diese Einstellungen ist.

Um diese These der „perversen Gewaltfantasien“ (Heinzlmaier) zu untermauern, wird auch immer wieder ein Bluesky-Posting des Autors Robert Misik herangezogen. „Wir werden auch diese Faschisten ihrem gerechten Ende zuführen“ postete er in Bezug auf eine Rede von Elon Musk. Er löschte diesen Teil wenig später und änderte ihn auf Facebook zu „Wir werden auch diesen Faschismus überwinden“. Misik gibt gegenüber Kobuk zu, dass die Formulierung unglücklich war, aber seiner Ansicht nach auch „vorsätzlich missverstanden“ wurde – daher die Löschung.

„Kritiker sehen darin eine offene Gewaltphantasie“, schreibt hingegen der Exxpress mit Bezug auf das Originalposting. Als Kritiker wird im Text allerdings einzig ein anonymer „entsetzter User“ zitiert. Und weil es ja um Faschismus geht, scheint dem Autor an dieser Stelle noch eines wichtig zu sein: „PS: Hitler war kein Faschist, sondern Nationalsozialist. Mit der Einordnung des Nationalsozialismus als eine Form des – ebenfalls abzulehnenden – Faschismus verharmlost die Linke schon seit jeher das Dritte Reich.“

Dass der Nationalsozialismus eine Form des Faschismus war, ist natürlich keine „linke“ Erfindung – das ist in der Faschismusforschung weit verbreitet. Debatten gibt es darüber, wie sehr sich der Nationalsozialismus vom Faschismus ausgehend zu einer eigenen Herrschaftsform entwickelt hat, wie viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede es also gibt.

Erfundener „Justiz-Skandal“ um Antifa

Besonders angetan hat dem Exxpress die Entscheidung von Donald Trump, die „Antifa“ als Terrororganisation einzustufen. Was 2020 noch Teil seiner Wahlkampfrhetorik war und vom damaligen FBI-Direktor öffentlich zurückgewiesen wurde, ist mittlerweile Realität. Per Dekret hat Trump „die Antifa“ zur Terrororganisation erklärt – und dafür das Momentum nach dem Attentat auf Charlie Kirk genutzt, für das er pauschal „die radikalen Linken“ verantwortlich macht.

Damit kann der Exxpress gut mit. Am 18. September bringt er die Diskussion nach Österreich. Er hat sich dafür ein Pressegespräch mit Justizministerin Anna Sporrer ausgesucht. Eigentlich geht es darin um Maßnahmen gegen das Geschäftsmodell der Parkplatzabzocke in Österreich.

Während der Fragerunde meldet sich ein Mann zu Wort, der sich lediglich als „Vertretung von einer Redakteurin, die kurzfristig ausgefallen ist“ vorstellt. Zum Thema hat er keine Fragen, er will wissen: Kann sich Sporrer, so wie US-Präsident Trump, eine Einstufung der Antifa als Terrorgruppe in Österreich vorstellen?

Kurze Irritation am Podium. Dann antwortet die Justizministerin knapp: „Ich kenne die Organisation ‚Antifa‘ als solche nicht und daher meine ich, dass man eine Organisation, die es als solche nicht gibt, nicht als Terrorgruppe einstufen kann.“ Tatsächlich ist die „Antifa“ weder eine abzugrenzende Organisation noch gibt es ein einheitliches ideologisches Konzept.

Für den Exxpress reicht die Antwort dennoch für einen „Justiz-Skandal“. In einem Artikel behauptet die Seite, Sporrer kenne „die Antifa“ gar nicht. Vier Tage später ist die von „einer Journalistin“ (sic) gestellten Frage immer noch das Thema des Tages in Exxpress TV. Der Titel der Sendung: „Ministerin Sporrer & der links-extremistische Terror“.

Im Studio sitzt auch der FPÖ-nahe Unternehmer und Exxpress-Kommentator Gerald Markel. Die Antwort der Ministerin regt ihn sichtlich auf, er zappelt aufgeregt herum. Schließlich sagt er, Sporrer vertrete für ihn „den harten Kern der linksradikalen, sozialistischen Clique rund um Andi Babler“.

Auch ein Rechtsanwalt finde die „Ignoranz“ der Justizministerin bedenklich, lautet eine weitere Schlagzeile, die mit Sporrer gemacht wird. Zu dieser Einschätzung kommt der Anwalt aber nur, weil er glaubt, was der Exxpress zuvor behauptet hat: Dass Sporrer die Antifa nicht kennen würde. Und dann betont auch er, dass die Antifa aufgrund der fehlenden Struktur gar nicht verboten werden kann.

Noch am 26. September widmet der Exxpress der Antwort der Justizministerin einen Artikel. Nun heißt es sogar, Sporrer würde die Antifa leugnen, sie „für eine Fata Morgana“ halten. Nichts davon stimmt. Zur Erinnerung: Sporrer stellte lediglich fest, dass es keine „Organisation“ gebe, die man so einfach als terroristische Organisation einstufen könne.


Bist du bereits Kobuk-Mitglied? Unterstütze uns jetzt und mach echte, unabhängige Medienkritik in Österreich möglich: www.kobuk.at/unterstuetzen

GPS-Signale und Falschmeldungen: Was der Von der Leyen-Flug über unsere Medien verrät