Wo Worte fehlen, sprechen Bilder – doch nicht immer sind es die richtigen. Eine Analyse von Symbol- und Stockbildern in Kronen Zeitung, Heute und Der Standard zeigt, wie stark stereotype Darstellungen von Frauen das mediale Bild prägen: Fast alle sind jung, weiß, hübsch und schlank.

Diese Bilder aus den Gesundheits-Rubriken von Kronen Zeitung und Heute lassen glauben, nur weiße Frauen mittleren Alters werden krank.
Zeitungen haben es nicht immer leicht. Um in der Branche vorne mitzuspielen, muss man schnell sein und kann keinen Diskurs auslassen. Über 100 Artikel pro Tag in Print und auf der Website sind in vielen Redaktionen Normalzustand. Und wenn man als eifrige News-Journalistin dann auch noch schnell einen Artikel über ein sperriges Thema wie Aktienfonds, den Arbeitsmarkt oder Datenschutz schreiben muss, kann das passende Bild dazu zu finden, zum Problem werden. Genau hier kommen häufig Stockbilder zum Einsatz.
Stockbilder helfen, wenn Zeit und Ressourcen knapp sind
Ein Stockbild ist ein vorproduziertes Foto, das auf Plattformen von Fotograf*innen bereitgestellt wird. Diese Bilder werden nicht gezielt für einen bestimmten Artikel oder Zweck angefertigt, sondern sind meist allgemein und sollen möglichst viele Themen abdecken können. Wenn man also mitten im Redaktionsstress noch schnell einen Artikel über den „Herbstblues“ schreibt und kein passendes Foto mehr machen kann, hilft man sich mit einem Stockfoto – wie zum Beispiel mit dieser betrübt ausschauenden Dame für 75 Euro.
Redaktionen können solche Bilder kaufen, ebenso wie Unternehmen oder auch Privatpersonen. Das ist deutlich günstiger, als eigene Fotograf*innen zu beschäftigen und wohl mit ein Grund, warum Medien voll sind mit solchen Fotos.
Per se sind sie nichts Schlechtes und ihre Verwendung in der Branche auch nicht verpönt. Doch ein unreflektierter Einsatz kann Stereotype und unrealistische Schönheitsideale reproduzieren – gerade, wenn Frauen abgebildet werden. Und genau das ist in Medien Alltag.
Kobuk hat über einen Zeitraum von drei Monaten die Bildauswahl der Printprodukte von Der Standard, Heute und Kronen Zeitung analysiert: Von insgesamt 547 Stock- bzw. Symbolbildern zeigen 469 Bilder Frauen – das entspricht etwa 5 von 6 Bildern. Und: In den überwiegenden Fällen werden die abgebildeten Frauen als normschön dargestellt: europäisch, weiß, schlank und mittleren Alters. Die Analyse zeigte auch: Österreichische Zeitungen – vor allem der Boulevard – sind voll von stereotypen und klischeehaften Bildern von Frauen.
Ein Beispiel: Die Kronen Zeitung berichtet im September, wie Österreicher*innen am liebsten ihr Geld investieren. Eine einfache Grafik oder ein Diagramm wäre eine naheliegende Illustration gewesen. Stattdessen gibt es ein Stockfoto:
Eine Frau, die ein Sparschwein küsst? Das mag vielleicht lustig wirken – über Humor lässt sich ja bekanntlich nicht streiten, aber mit dem Thema hat das Foto wenig zutun.
Für sich genommen mögen solche Bilder harmlos sein. Doch die Menge, mit der sie zum Einsatz kommen, macht sie problematisch. Insbesondere wenn man sich anschaut, wie Frauen dargestellt werden. Frauen werden in Zeitungen nämlich oft auf traditionelle Rollen reduziert. Sie werden als fürsorgliche Mütter, fitte Sportlerinnen oder sanfte Betreuerinnen gezeigt. Gleichzeitig erscheinen sie häufig als Objekt der Schönheit: Sie sind schlank und makellos geschminkt.

Blond, jung und hübsch: Viele Stockbilder von Krone, Heute und Standard zeigen Frauen. Warum, ist nicht immer klar.
Stockbilder in Krone, Heute und Standard
Solche Bilder gibt es täglich und zu fast allen Themen. Besonders die Krone setzt sehr oft auf Stockfotos, auf denen nur Frauen zu sehen sind:
Lottozahlen und Frauen in der Krone
Von allen Stock- und Symbolbildern, die wir in der Krone ausgewertet haben und die Erwachsene zeigen, zeigen 86 Prozent Frauen. Auf 150 Bildern sind ausschließlich Frauen zu sehen, 87 Prozent von ihnen sind weiß, schlank und mittleren Alters. Männer hingegen treten deutlich seltener auf: Nur auf 43 Bildern sind sie alleine zu sehen.
In der Kronen Zeitung dominieren auf Stockbildern klar stereotype Geschlechterrollen – Frauen als Mütter, Patientinnen, Pflegerinnen oder Lehrerinnen. Männer zeigt die Kronen Zeitung viel häufiger als Ärzte, Handwerker oder Experten.
In fast jeder Ausgabe der Kronen Zeitung findet sich außerdem die Rubrik „Glückskrone“, eine Seite über alle Gewinne, Lotterien oder künftige Lotto-Ziehungen in Österreich. Hier sind ausschließlich Frauen abgebildet. Fast auf jeder „Glückskrone“-Seite zeigen die Bilder junge, schöne Frauen, die lachend ihren Lottozettel in die Kamera halten.
Viele der Fotos stammen von Fotografen, die regelmäßig für die Kronen Zeitung fotografieren. Doch warum nur Frauen? Sollen sie vermitteln, dass nur junge Frauen Lotto spielen? Oder geht es weniger um Bebilderung von Gewinnzahlen und mehr darum, Lottoscheine an die Leser*innen zu verkaufen? Eine Anfrage an die Krone blieb unbeantwortet.
Heute: Zwischen Klischees und Realität
Auch wenn die Bilder kleiner sind, sie unterscheiden sich in der Gratiszeitung Heute nicht wirklich von der Krone. Von 113 Stock- oder Symbolbildern zeigen 92 Bilder Frauen, das sind 81 Prozent aller Stock- und Symbolbilder, die Erwachsene zeigen.
Bei abstrakten Themen wie der Klimakrise oder wirtschaftlichen Entwicklungen sieht man in Heute häufig Stockbilder, die Frauen zeigen – unabhängig davon, ob diese Motive auch nur im Geringsten passen. Die Pleite eines Reisekonzerns bebildert Heute mit einer Frau, die sich im Swimmingpool entspannt. Schlank, weiß und im Badeanzug.
Wir hätten gerne von Heute erfahren, warum solche Bilder ausgewählt werden. Eine Anfrage blieb auch hier unbeantwortet.
Der Standard versucht, es besser zu machen
Im Standard fand Kobuk von September bis November 2024 insgesamt 103 Stock- und Symbolbilder. 86 Prozent – das sind 89 Bilder – zeigen auch Frauen. Frauen sind im Standard in 37 Bildern alleine abgebildet. Von diesen Darstellungen entsprechen 62 Prozent dem konventionellen Schönheitsideal.
Im Vergleich zu Krone und Heute zeigt Der Standard jedoch insgesamt deutlich weniger Stock- und Symbolbilder und stellt Frauen viel häufiger gemeinsam mit Männern dar. Auf nur 37 Bildern waren Frauen alleine zusehen, Männer waren auf 14 Bildern allein abgebildet. Auf 52 Bildern – also auf etwa jedem zweiten Stockbild – sah man beide Geschlechter gemeinsam.
Was außerdem positiv auffällt, ist, dass Der Standard häufiger darauf achtet, Frauen und Männer auch ausgewogen darzustellen. Die Rollenverteilung auf den Fotos bricht immer wieder mit gängigen Klischees. Ein Beispiel vom 9. Oktober 2024.
Das Bild zeigt einen Mann und eine Frau, die gleich groß und gleichwertig im Fokus stehen. Der Mann wird als Patient gezeigt, die Frau als Ärztin.
Auf Anfrage von Kobuk erklärt Frank Robert, Leiter der Fotoredaktion des Standards, dass sie bei der Auswahl von Stockfotos darauf achten, Bilder auszuwählen, die authentisch wirken und nicht den Eindruck von gestellten oder arrangierten Szenen erwecken. Darüber hinaus betont er, wie wichtig es sei, keine falschen Klischees zu reproduzieren, weshalb die Redaktion auch vermehrt darauf achtet, Frauen in Führungspositionen darzustellen, Männer in der Rolle von Betreuungspersonen zu zeigen und Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben in angesehenen Berufen wie Ärzten oder Anwälten abzubilden, statt sie in stereotypischen Rollen zu präsentieren.
Christine Olderdissen ist eine ausgewiesene Expertin für gendersensible Medienarbeit. Sie ist Leiterin von „Genderleicht & Bildermächtig„, einem Projekt des deutschen Journalistinnenbundes. Es will den Qualitätsjournalismus durch gendersensible Darstellungen von Frauen in Sprache und Bildern verbessern, hinterfragt Stereotype und fördert neue Narrative.
Den Bedarf dafür erklärt Christine Olderdissen im Gespräch mit Kobuk so: „Wenn man an Bilder zum Thema Pension denkt, denkt man immer an relativ alte Menschen, die auf einer Parkbank sitzen oder einen Rollator schieben. Doch die Realität sieht anders aus: Viele Pensionist*innen sind noch sehr agil. Sie sind aktiv, unterwegs und tragen längst nicht mehr nur beige Kleidung. Es ist wichtig, hier einen realistischeren Blick zu wagen.“
Der Standard war von den analysierten Zeitungen die, die am häufigsten ältere Personen bzw. ältere Frauen zeigt – und das in ganz unterschiedlichen Rollen.
Ein Grund, warum im Standard weniger Stockfotos verwendet werden: Wenn die Bilder fehlen, greift die Zeitung häufig auch auf Illustrationen oder Collagen zurück – ebenfalls eine gute Idee, wenn man nicht dauernd in der Klischee-Falle landen möchte.

Die Illustrationen und Fotografien kombinieren symbolische, abstrakte und reale Elemente, um komplexe Inhalte visuell ansprechend und interpretierbar zu gestalten.
Warum Symbol- oder Stockbilder problematisch sind
Laut Christine Olderdissen greifen Redaktionen häufig auf stereotype und leicht verfügbare Bilder zurück, da der Zeitdruck im Newsroom sehr hoch ist. „Gute Bildersuche erfordert eine gewisse Übung, aber unter den strukturellen Bedingungen, wie Zeit- und Geldmangel, wird oft einfach das Erstbeste gewählt.“ Sie nennt dies „Unfälle“, denn oft fehlen Erfahrung und Kompetenz, um mit den richtigen Begriffen die richtigen Bilder auf Stockplattformen zu finden.
Viele Redakteur*innen würden aber auch wesentlich mehr Zeit und Aufwand in das Schreiben eines Textes stecken als in die Bildersuche. „Das Problem dabei ist, dass viele Stockbilder auf veralteten Vorstellungen basieren oder sie sind zu US-amerikanisch. Sie bilden weder unsere heutige Gesellschaft noch die tatsächliche Vielfalt ab“, so Christine Olderdissen. Sie sagt, dass Bildersuche auf den gängigen Bildarchiven und -plattformen geübt werden müsse.
Wo bleibt die Diversität: Keine Frauen mit Behinderungen
Neben Stereotypen, die sich einschleichen, bleibt oft auch die Diversität auf der Strecke. Frauen mit Migrationshintergrund oder sichtbaren Behinderungen kommen in den analysierten Berichten fast gar nicht vor. Von allen Symbolbildern zeigten nur 45 – weniger als jedes zehnte – Frauen, die von gesellschaftlichen Normen abweichen, wie ältere Frauen oder Women of Color. Eine Frau mit Hijab wurde in der gesamten Beobachtungszeit nur einmal in Heute und zweimal im Standard gezeigt. Bilder wie diese sind also die absolute Ausnahme.
Wenn solche Bilder in den Medien verwendet wurden, dann immer nur im passenden Rahmen bei Themen über geflüchtete Menschen, Personen mit Migrationshintergrund oder marginalisierten Gruppen. Es ist zwar positiv, dass in solchen Kontexten keine unpassenden Bilder, etwa von weißen Frauen, eingesetzt werden. Doch eine Verkäuferin mit Kopftuch war in der gesamten Beobachtungszeit nicht zu finden, ebenso wenig eine Angestellte mit sichtbarer Behinderung.
Christine Olderdissen betont, dass Leser*innen sich mit den Menschen in der Zeitung identifizieren wollen und sich selbst in den Medien wiederfinden möchten. Sie möchten also Menschen sehen, die aussehen wie sie selbst, jung und alt und auch ethnisch vielfältig. Aber genau das passiert nicht, wenn Medien nur hübsche, junge Frauen zeigen. Auch die deutsche Medienwissenschaftlerin Heike von Orde hat erforscht, dass Bilder und Personen, die Medien zeigen, Einfluss auf die Entwicklung des eigenen Selbstbildes haben. Und genau dieses wird verzerrt, wenn sie überwiegend nur weiße, junge Frauen zeigen.
Aber nicht nur in der Auswahl von Stockfotos, sondern auch bei der Berichterstattung über aktuelle Ereignisse zeigt sich eine stereotype Bildsprache. Ein aktuelles Beispiel bietet die Hochwasserkatastrophe im September 2024 in Österreich.
Katastrophale Symbolbilder: Männliche Retter und weibliche Opfer
Neben Stockfotos verwenden Zeitungen häufig auch symbolträchtige Bilder, um Themen zu illustrieren. Bei der Hochwasserkatastrophe Ende vergangenen Jahres in Österreich sind viele Bilder entstanden, die symbolisch Schaden, Verwüstung und den Wiederaufbau darstellen sollen. Zentral sind hierbei auch immer die helfenden und betroffenen Personen. Auch hier zeigt die Bildsprache eine deutliche Tendenz: In der Berichterstattung von Kronen Zeitung und Heute wurden Männer fast ausschließlich als helfende Helden gezeigt…
…während Frauen in der Rolle der passiven, hilfsbedürftigen Opfer verblieben.
Christine Olderdissen betont, dass Redaktionen bewusster darauf achten können, auch helfende Frauen in Katastrophensituationen sichtbar zu machen. „Wenn schon Redakteur*innen oder Fotograf*innen vor Ort sind, müssen sie sich auch die Zeit nehmen, die Situation zu lesen und die helfenden Frauen zu sehen.“ Somit müsste auch hinterfragt werden, was Helfen in einer Katastrophe bedeutet – es helfen nicht nur starke Feuerwehrmänner, die Schutt wegräumen, sondern auch Frauen, die Unterkünfte organisieren.
Kobuk finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Kleinstspenden. Wer uns helfen möchte, öfter und genauer Medien auf die Finger zu schauen, kann das hier tun: www.kobuk.at/support
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.
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