Yilmaz‘ und Hans‘ Debatte zur Verwendung des belasteten Begriffs „Ostarbeiter“ durch die Krone hat viele Reaktionen hervorgerufen. Es zahlt sich aus, auch einen Blick auf den Inhalt dieser über mehrere Tage gehenden „Ostarbeiter“-Kampagne der Krone zu werfen. So sah die Seite 5 der Ostersonntagsausgabe aus:
Gleich im ersten Absatz steht:
Laut letzten Prognosen werden ab heute in einer Woche Zehntausende Ostarbeiter auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen. Exakt kann die Zahl nicht vorausgesagt werden – mit bis zu 30.000 muss aber in jedem Fall gerechnet werden
Abgesehen von der merkwürdigen Formulierung („bis zu“ + „in jedem Fall“) nennt der Autor/die Autorin hier keine Quelle. Die Zahl 30.000 kann auch sonst in der medialen Berichterstattung nicht gefunden werden.
Die meisten Medien beziehen sich in ihrer Berichterstattung auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), die am 11.4. von Sozialminister Hundstorfer präsentiert wurde. Laut Originaltext-Service der APA erwartet man auf Basis dieser Studie 21.000 – 26.000 Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Für welchen Zeitraum diese Zahl gilt ist nicht vermerkt. Auch die „Qualitätsmedien“ sind sich diesbezüglich nicht einig: Derstandard.at nennt 15.000 auf die ersten beiden Jahre, Diepresse.com bezieht die Zahl 21.000 – 26.000 ebenso in den ersten beiden Jahren, beide berufen sich auf Klaus Novotny vom Wifo.
Im zweiten Absatz bezieht sich die „Krone“ ebenso aufs Wifo:
Mit diesem ersten Ansturm [also die „bis zu 30.000“] ist es jedoch nicht getan, denn laut Wifo Studien werde es sich um ein längerfristiges Phänomen handeln: In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren wird damit gerechnet, dass jährlich etwas mehr als 20.000 junge Arbeitskräfte aus dem Osten Interesse an Arbeit in Österreich zeigen werden.
Abgesehen davon, dass auch diese Angabe nirgends eine Entsprechung findet, ist die Formulierung irreführend. Der Leser/ die Leserin bekommt leicht den Eindruck, nach dem ersten Ansturm (bis zu 30.000) kämen pro Jahr nochmals 20.000 dazu. „Interesse zeigen“ kann allerdings nicht mit tatsächlichem Arbeiten in Österreich gleich gesetzt werden.
Auf der selben Seite findet sich ein Kommentar, das ein „Faules Osterei aus dem Osten“, das unvermeidliche Wolf-Martin-Gedicht zum Thema sowie die Warnung: „Auch Tunesier sind schon im Anmarsch“.
4 Kommentar(e)
Damit wäre also zumindest klar, dass der Ostarbeiter auf der Titelseite kein unbeabsichtigter Ausrutscher war. Und somit kann mir auch keiner erzählen, dass die Nazizeit-Konnotation des Begriffs nicht bewusst eingesetzt wurde, um Ängste zu schüren (ob berechtigte Ängste oder nicht, das sei dahingestellt, es wird sich wohl erst zeigen, wenn die Arbeitskräfte da sind oder eben nicht)
Frage zu EURER Überschrift: Kann eine Kampagne agieren=handeln?
@smlhon: Klar kann sie das. Schau mal, was sie noch alles kann.
Man kann’s mit den gendergerechten Formulierungen auch übertreiben. Sie schreiben: „Abgesehen von der merkwürdigen Formulierung (“bis zu” + “in jedem Fall”) nennt der Autor/die Autorin hier keine Quelle.“ Nachdem der Autor als Peter Gnam ausgewiesen ist, kann man sich „/die Autorin“ ruhig sparen.