Die Gratisblätter „Heute“ und „Österreich“ berichteten am 19.05. über die eklatanten Fehlstunden der heimischen Lehrer.
„Heute“ schreibt in fetten Lettern:
und „Österreich“ noch größer:
Im Artikel schreibt „Heute“:
- 58 Prozent der Lehrer schwänzen Stunden komplett
- 14 Prozent sind mangelhaft vorbereitet
- und 49 Prozent kommen zu spät.
Und „Österreich“ schreibt:
- 21 Prozent der Lehrer fehlen regelmäßig
- 15 Prozent bereiten sich mangelhaft vor
- und 8 Prozent kommen zu spät.
Woher nehmen „Österreich“ und „Heute“ die Zahlen? „Österreich“ gibt die Talis-Studie als Quelle an, „Heute“ schreibt dagegen nur nebulös von einer „Schul-Studie“. Erst aus dem Kontext von Datum der Veröffentlichung, zitierte Zahlen und Experten kann man schließen, dass sich auch „Heute“ auf die Talis-Studie bezieht.
Der Zahlensalat geht aber weiter, „DerStandard.at“ schreibt:
- über 20 Prozent sind „sehr viel“ oder zu „einem gewissen Ausmaß abwesend“
- 14 Prozent sind „nicht genügend“ auf den Unterricht vorbereitet
- und beinahe 10 Prozent kommen zu spät.
Wie kommen nun die Medien auf so unterschiedliche Zahlen? Auf Seite 84 des BIFIE-Reports 4/2010 (pdf) findet man die Antwort:
„Heute“, „Österreich“ und „DerStandard.at“ haben die Statistik verschieden interpretiert. Das Zuspätkommen ist ein schönes Beispiel dafür:
- „Österreich“ zählt bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen = 8 Prozent und schreibt über „regelmäßiges“ Zuspätkommen
- „Heute“ zählt ein wenig, bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen = 49 Prozent und schreibt von „zu spät kommen“
- Und „DerStandard.at“ zählt bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen und schreibt von „beinahe 10 Prozent“.
Aber nicht nur bei den Zahlen wurde geschummelt. „Österreich“ schreibt: „Neue OECD-Studie“. Tatsächlich stammt die Talis-Studie von 2008. Das hat „Österreich“ und „Heute“ mal vorsorglich weggelassen. Bleibt nur noch die Frage offen: Warum berichten gerade jetzt die Medien über eine Studie von 2008? Auch „DerStandard.at“ beantwortet diese Frage nicht. Das Rätsel löst aber eine OTS-Aussendung des BIFIEs. Denn am 17.05. um 19:00 Uhr fand eine Veranstaltung zur Studie statt. Präsentiert wurden vertiefende Analysen und Expertenberichte. Die Ergebnisse der Studie wurde außerdem in einem neuen BIFIE-Report zusammengefasst.
2 Kommentar(e)
Die Grenze zwischer falscher Statistik-Interpretation und mutwilliger -Manipulation ist oft nicht eindeutig festzulegen, aber bei “Heute“ scheint das durchaus mit System zu passieren. Ein besonders dreister Fall war die IFES-Umfrage im April, bei der sich 9 Prozent der Befragten dezidiert gegen ein generelles Rauchvervot in Lokalen aussprachen. “Heute“ machte daraus sage & schreibe 81 (sic!) Prozent, indem die sogar den Prozentteil der Befragten, die “keine Angabe“ machten, dazu addierten.
Auch ein arges Beispiel. Medien sollen ja schwierige Sachverhalte vereinfachen, aber Heute nimmt das mit „vereinfachen“ doch zu wörtlich.