Oder: Wie journalistisch muss Kobuk arbeiten?
Hintergrund der Frage: Der Online-Chef von „Heute“, Christof Hinterplattner, hat auf Twitter die Kobuk-Kritik des mangelnden Jugendschutzes bei der Kategorie „Sexyheute“ zurückgewiesen.
Auf meine Frage, ob er das nicht der Autorin per Blogkommentar antworten wolle, kam die Kritik mangelnder Recherche:
Wie seht ihr das?
Muss eine Kobuk-Bloggerin oder ein Blogger dem kritisierten Medium vor einer Veröffentlichung Gelegenheit einräumen, Stellung zu beziehen oder den Fehler zu beseitigen, oder reicht die Kommentarfunktion für Stellungnahmen? Über den natürlich richtigen Grundsatz „schadet nie“, den Armin Wolf beisteuert, hinaus?
34 Kommentar(e)
Ich glaube, es reicht vollkommen, wenn die beobachteten Medien die Gelegenheit haben, per Kommentar ihre Stellungnahmen zu posten. Darauf muss dann von dem/der jeweiligen Kobuk-BloggerIn eingegangen werden.
Naja, gründliche Recherche ist natürlich schon ein Muss, aber bei jedem kritisierten Medium erst einmal anzufragen halte ich für ein Watchblog zu aufwändig. (BILDblog macht’s auch nicht anders. ;)) Wie bereits gesagt wurde, hat der betroffene Journalist ja immer noch die Möglichkeit, sich per Mail/Kommentarfunktion bemerkbar zu machen und auf etwaige Recherchefehler hinzuweisen. Oder wenn etwas von den Autoren – immerhin allesamt Amateure, da sollte man Nachsicht haben – falsch verstanden wurde. Es ist ja nicht so, dass Kobuk Häme oder Schadenfreude versprüht.
warum sollen bloger was machen was journalisten nicht machen?
wenn die heinzis ned ordentlich recherchieren können könnens das auch nich von uns verlangen 😉
@leningratt: Wäre das unser Motto, hätte Kobuk seine Berechtigung verwirkt.
Gelegenheit einräumen? Mann kann darauf hinweisen, dass man hier auf Kobuk einen entsprechenden Beitrag schaltet. Bei Rückmeldungen hat man sonst ja immer das Problem: Wann kommen diese?
Nach dem Hinweis kann man den Beitrag später ja noch – nach eventueller Antwort/Rückmeldung – entsprechend updaten.
Das klingt für mich, wenn ich jetzt mal so tue als wäre in Österreich nicht vermutlich jede Branche massiv inzuchtgeschädigt, eher nach Freunderlwirtschaft als nach Rechere. Da fehlt nicht mehr viel zum „mah, das war ein peinlicher Fehler, ist eh schon beseitigt, bitte bringts das nicht, dafür könn ma ja mal was über euch schreiben“ – „mh, ok, wenns keine Absicht war und schon bereinigt ist, und Werbung schadet nie“-Dialog. Ein Watchblog dass quasi die Dienstleistung des Lektorats übernimmt, verliert für mich als Leser an Glaubwürdigkeit. D.h. für „uns“ ergibt sich in meinen Augen keine Verbesserung, nur die Autor_innen verbessern ihre Beziehung zu Journalist_innen und Medien.
Bei den meisten Kobuk-Postings ist es mM nicht notwendig, dem Medium VOR der Geschichte Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Das Medium bei Veröffentlichung darauf hinweisen ist aber sicher fair (wobei das bei vielen Blogpostings sonst auch nicht erfolgt)
Bei rechtlichen Vorwürfen ist es natürlich nicht unheikel, da hier meist Interpretationsspielraum gegeben ist und die Konsequenzen andere sind. Hätte das Posting nur darauf hingewiesen, dass krone.at Warnhinweise macht und heute.at nicht, gäbe es keinen Anlaß, das betroffene Medium zuvor zu kontaktieren. Durch die Frage, die implizit Vorwurf ist, dass man sich nicht an Jugendschutz-Bestimmungen halte, geht man natürlich einen kleinen Schritt weiter. Ich find´s nicht schlimm, aber wahrscheinlich wäre es in dem Fall korrekter gewesen, nachzufragen.
Persönlich finde ich die Reaktion des heute.at Onliners aber eher beleidigt. Denn wenn man der Meinung ist, es wäre nicht gut recherchiert worden, ist die Bereitschaft für eine Stellungnahme umso wichtiger.
Nachdem der Herr Lehrer (@muesli) schon so eifrig nach Kommentaren verlagt wollen wir zur wirklich wichtigen Frage etwas beitragen:
a) Recherche im Sinne von @arminwolf natürlich absolut vorauszusetzen und gerade bei diesem pädagogischen Projekt wichtig – war aber wohl auch gegeben (Gesetzentext, Vergleich mit krone.at, …)
b) eine Kontaktaufnahme im Sinne eines Hinweises bzw. der Offenlegung, dass es den Beitrag gibt kann ich mir sehr gut vorstellen – wie schon erwähnt ergeben sich dadurch Reaktionsmöglichkeiten und der Kontakt zu den Medien sollte ja ein „konstruktiv-kritischer“ sein
c) ganz allgemein sollten die oft scharf-formulierenden und boulevardesken Medien natürlich auch mit Kritik umgehen können: „Wer austeilt, muss auch einstecken können“
d) zuletzt stellt sich die Frage der Art des Umgangs mit der Kritik: Kommentierung, Mitdiskussion am Blog, lieber ingnorieren, …?
Am Ende ist es jedenfalls sehr gut, dass @muesli auf das Meta-Thema „wie journalistisch“ hier gearbeitet werden muss/soll sofort reagiert hat … richtiger proaktiver und konstruktiver Umgang, hoffentlich gute Diskussion, …
Schöne Grüße, FA
Stellungnahme vs. Recherche.
Stellungnahme kann man ja jedem anbieten, nach dem Motto: „Wir bringen den Artikel so und so in 1 Stunde. Wollen Sie dazu Stellung nehmen“. Im besten Fall kann man ein „Unsere Recherchen haben dazu geführt, dass Heute diesen Fehler mittlerweile behoben hat“ an den Artikel dranhängen – im schlechtesten Fall eben das „Äpfel mit Birnen“-Zitat bringen.
*Recherche* beim Betroffenen selbst (vor allem bei Kritik) gestaltet sich naturgemäß komplizierter. Und manche Dinge sind einfach nicht beim Verursacher „recherchierbar“. Im gegenständlichen Fall wurde ja eine öffentlich einsehbare Seite und deren Einordnung in Rechtsvorschriften und Konkurrenz kommentiert. Da gibts nicht wirklich was bei Heute zu recherchieren.
Gut, in einer Stellungnahme kann natürlich Heute was von „Fehler im CMS-System“ oder „fehlerhaften Servereinstellungen“ sagen, aber die Tatsache der frei verfügbaren Bilder bleibt ja bestehen und kann nicht nach“recherchiert“ werden.
Nebenbei: Wenn ich mir die Reaktion Hinterplattners so ansehe, dann wäre ein Recherchieren bei ihm ohnehin in eine Themenverfehlung gemündet.
Gute Recherche ist Pflicht. Und ein Mittel zur Recherche ist eine Bitte um Stellungnahme. Erforderlich finde ich das, wenn die Faktenlage, die sich durch andere Quellen ergibt, nicht eindeutig erscheint. Auch bei eindeutiger Faktenlage kann die Reaktion auf die Konfrontation mit den eigenen Rechercheergebnissen helfen, die Intention des betreffenden Autors/der Publikation besser einzuschätzen. Poltert er los? Oder entschuldigt er sich? Nachlässigkeit und Vorsatz lassen sich damit besser auseinander halten.
Eine grundsätzliche Pflicht zur Rücksprache sehe ich aber nicht. Jeder, der etwas publiziert, stellt seine Äußerungen zur öffentlichen Diskussion. An dieser Diskussion nimmt Kobuk teil und jeder kritisierte Publizist ist eingeladen, dies selbst auch zu tun.
Poste – aus Zeitgruenden – hier nur schnell mal das, was ich auch via Twitter einwarf: Meine Antwort auf die Frage lautet klar ‚ Ja‘ – nach dem Motto ‚Audiatur et altera pars.‘ Ausserdem gewinnt dadurch die Story auch,wird rund(er) und fuer die geschaetzte Leserschaft auch wertiger. #kobuk #Medien
Kurz und knapp beantwortet:
– Medienkritik ist nicht notgedrungen Journalismus. kobuk kritisiert Medienprodukte; die Kritisierten können dazu Stellung nehmen. Reicht.
– Akribische Recherche sollte die Grundlage von Medienkritik sein, das kann (muss aber nicht) den Kontakt zu den Medienproduzenten inkludieren – das Objekt der Kritik liegt ja vor, Transparenz ist gegeben.
– den Kritisierten vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, kann die Kritik entwerten. Ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.
medienkritik ist gut und wichtig. und, wer austeilt – also wir – muss auch einstecken können. aber: ein gegencheck, respektive der versuch eine stellungnahme einzuholen, ist ein must! sonst geht die kritik an den medien ja ins leere. eine medienkritik darf und soll ja trotzdem wertend sein. ein gegencheck würde den bericht also nicht verwässern…
Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass auch ein solches Blog die (Standes-)Regeln einhalten muss, besonders wenn Inhalt und Zweck das Aufzeigen von Verstößen dagegen ist. Soll heißen: Gründliche Recherche vor schneller Kritik wäre durchaus angebracht.
Hier ist der Fall in meinen Augen jedoch anders gelagert: So wie ich es lese, haben Kobuk und heute.at höchstens andere Meinungen darüber, ob die Darstellungen auf heute.at ein Verstoß gegen das Gesetz ist (Zwischenfrage: Wieso wird eigentlich ausgerechnet das niederösterreichische Jugendschutzgesetz zitiert?) oder nicht. Ich nehme an, dass eine verbindliche Klärung dieser Meinungsverschiedenheit nur durch ein Gerichtsurteil erfolgen könnte – und das wäre wohl Kobuk nicht zuzumuten.
Natürlich hätte man vor Veröffentlichung die Meinung eines Anwalts einholen können, das hätte der Recherchepflicht in meinen Augen mehr als nur Genüge getan. Aber das kritisierte Medium vorher um Stellungnahme zu einer Meinungsäußerung bitten, damit nachher keiner beleidigt ist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Journalisten-Ethik-Kodex zwingend vorgeschrieben wäre (und wenn, wie kommen dann all die netten Meinungsäußerungs-Kolumnen zustande?)
Nein, ein Watchblog muss nicht vor jeder Story die Meinung des/der Betroffenen einholen. Ein Blog funktioniert doch großteils aufgrund der spontanen Rückkopplungsmöglichkeit dem Kommunikator gegenüber. Die einseitige Kommunikation der klassischen Massenmedien gibt es nicht mehr, Anregungen und Impulse entstehen im Diskurs. Den theoretischen Begriff der „journalistischen Sorgfalt“ kann man nicht 1 zu 1 auf ein Watchblog anwenden. Soll man aber auch nicht. Das wäre stark bremsend.
Wenn ich an das aktuelle Beispiel denke. Wahrscheinlich wäre dieses Thema, hätte die Redakteurin Heute.at im Vorhinein kontaktiert, in einem freundlichen Scheinkonsens erstickt und damit der Kobuk-Öffentlichkeit nie bekannt geworden. Es hätte sich keiner Gedanken machen müssen. Heute.at hätte immer wieder mal gegen die Jugendschutzbestimmungen verstoßen. Großteils tragen die Leute dort nämlich sowieso „Kleidung“.
@phuxxx:
Es gibt in Österreich – sinnigerweise.. – neun verschiedene Jugendschutzgesetze. Im betreffenden Punkt scheinen sie fast wortgleich formuliert zu sein. Also wurde eines exemplarisch zitiert.
Ich habe zu Eurer Diskussion einen der besten Medienrechtlerinnen Österreichs befragt. Die Antwort:
In der heutigen Kronen Zeitung-Geschichte – der unzulässige Vergleich unvergleichbarer Zahlen – wäre keine Stellungnahme von der Krone nötig, weil ja nur Bekanntes verglichen wird und nichts Neues behauptet wird.
Wenn kobuk aber eine neue Behauptung aufstellt, dann ist jedenfalls eine Stellungnahme nötig.
Auf der sicheren Seite, so die Medienrechlerin, ist man immer dann, wenn man eine Stellungnahme einholt.
Das sei ja auch für uns Leser höchst interessant, sagt sie. Wie würde denn die Krone reagieren, wenn sie damit konfrontiert wird, dass sie Unvergleichbares verglichen hat. Vielleicht reagiert sie peinlich berührt (unwahrscheinlich; Anm rph), vielleicht seriös oder vielleicht gar nicht. All das wäre informativ und sogar bezeichnend, wenn am Schluß der Satz steht „Von der Krone war trotz mehrfacher Nachfrage keine Stellungnahme zu erhalten“.
Fazit aus medienrechtlicher Sicht: Lieber einmal zu viel Stellungnahme einholen als zu wenig 🙂
die Kommentar-Funktion reicht völlig aus.
Bloggen ist nun einmal Meinungs-Journalismus und in unseren Print-Medien ist das Prinzip von check and re-check doch ohnehin schon unter der PR-Flut seit den 90er Jahren und einseitigem copy-paste Journalismus (mit Unterstützung der Inseratenabteilung) untergegangen.
Journalismus ist eine Profession,
Bloggen eine Passion.
Nein, ich sehe keine Notwendigkeit eine Stellungnahme VOR Veröffentlichung einzuholen, wie ja auch Markus Pirchner schreibt, das Corpus Delicti liegt vor. Eine allfällige Stellungnahme nach Veröffentlichung kann im Nachinein im Rahmen eines gekennzeichneten Update ja noch einfliessen.
Watchblogs, sofern sie als Medien einer Gegenöffentlichkeit verstanden werden, produzieren gesellschaftliche Unterbrechungen indem sie Widersprüche aufzeigen oder Medieninhalte rekontextualisieren. Darin können sie sich erschöpfen, journalistische Maßstäbe wie „Objektivität“ oder „Vollständigkeit“ sind bei so verstandenen Medien imho nicht anzulegen.
@ Helge bzgl Leningratts Einwurf:
Grundsätzlich schon völlig richtig.
Allerdings muss man sich schon auch Fragen inwieweit gewisse Medien das „moralische Recht“ haben bei Anderen ausführlichere Recherchearbeit und Seriösität einzufordern, wenn sie selbst in ihrer täglichen Arbeit genau diese oft zu wünschen übrig lassen.
Das hat irgendwie den gleichen Beigeschmack wie wenn HC und seine braunen Freunde in öffentlichen Diskussionen – in denen sie selbst nichts anderes tun als ihre Kontrahenten unter der Gürtellinie pauschal zu verunglimpfen – weinerlich einen differenzierteren und unvoreingenommeneren Umgang mit ihnen selbst einfordern.
Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Der Zweck reinigt natürlich NICHT die Mittel und die Feinde der Deomkratie dürfen/sollen auch nicht mit undemokratsichen Mitteln bekämpft werden.
Jedoch: Gelten wirklich für alle die selben Spielregeln, auch wenn sich manche ohne Konsequenzen darüber hinweg setzen?
@Mercutcio: Jeder muss zumindest nach den ganz individuellen Spielregeln spielen, die es ihm gestatten, sich morgentlich im Spiegel zu betrachen.
@ Helge:
Macht man sich auf Dauer damit nicht für jene erpressbar, die nach den niedrigsten „individuellen Spielregeln“ spielen und die häßlichste Fratze morgentlich im Spiegel ertragen?
@Mercutcio: Ganz im Gegenteil – es ist eher eine Symbiose: Nur wo gepatzt wird, haben wir auch was zu mosern.
Interessante Diskussion. Und um das gleich vorweg zu schicken: ich finde das Vorhaben ein Medien-Blog zu beginnen positiv. Haltet uns ruhig einen Spiegel vor, kritisiert uns, seid aktive Medienkonsumenten. Das ist medien- und demokratiepolitisch wichtig.
Interessant aber auch, welche Mythenbildung und Interpretationsfantasie einige Poster bezgl. jener wenigen Worte aufbringen, die ich an Helge via twitter schrieb. Die Frage von ihm an mich war nämlich, ob ich eine direkte Antwort unter besagten Blogeintrag schreiben möchte. Nein, ich möchte das noch immer nicht. Die Autorin hat weder vorher noch nachher versucht mich zu erreichen. Ich hatte keine Kenntnis davon was sie da so schreibt. Helge hat mich in der Angelegenheit kontaktiert, er bekam umgehend eine Antwort.
Und wenn nun der Aufruf zur Diskussion gestartet wird, ob man hier in diesem Blog ein Medium vor einer Kritik fragen muss. Natürlich nicht. Schon gar nicht müssen. Aber wäre wollen nicht viel spannender und glaubwürdiger?
@Helge: Vielleicht wollt ihr euch ja auch mit ein paar anderen simplen Fragen beschäftigen: Wie ist euer Leitbild? Gibt es sowas wie ein Selbstverständnis für das was ihr macht? Was sind eure Qualitätskriterien? Für ein Kritik-Medium fände ich das wichtig: Hier wäre noch genug Platz um ein paar Zeilen darüber zu formulieren: https://kobuk.at/about/
@Christof: Genau um die Herausarbeitung eines Leitbildes (im Sinne von: Gemeinsames Verständnis) für die Arbeit auf Kobuk geht es unter anderem in diesem Blogpost – und vor allem in dieser Diskussion. Ein Leitbild ist ja nichts, was ich den Autoren vorgeben will, das muss im Diskurs entstehen. Da kamen aus meiner Sicht heute sehr viel gute Anregungen, aus recht unterschiedlichen Blickwinkeln.
Deiner würde mich noch immer interessieren! Gerne auch als Anregung, was auf https://kobuk.at/about/ deiner Ansicht nach stehen oder nicht stehen sollte.
@ Reinhard Pickl-Herk: Ich beschäftige mich sehr mit Medienrecht. Darum halte ich folgenden Satz für problematisch: „Wenn kobuk aber eine neue Behauptung aufstellt, dann ist jedenfalls eine Stellungnahme nötig.“
Natürlich ist Kreditschädigung nach dem ABGB klagbar, genauso Verleumdung, Beleidigung und Verspottung nach StGB bzw. für Kobuk auch die sehr ähnlichen §§ des MedienG. Allerdings ist die Meinungsfreiheit ein besonders hohes und geschütztes Gut in Österreich. Wie weit diese Meinungsfreiheit geht, kann man auch an diversen Urteilen des OGH oder des EGMR nachlesen. Klar muss man bei rechtlich relevanten Behauptungen aufpassen. Auf Kobuk befindet sich dahingehend aber wirklich nichts besonders Problematisches.
Was muss ein Watchblogger leisten?
Es ist nicht sinnvoll (immer) eine Stellungnahme vom kritisierten Medium einzuholen. Unerlässlich ist mM nur eines: Ein Medium das andere Medien kritisiert, muss selbst besonders offen mit Kritik umgehen (können). Gerade im Web gibt es ja das mächtigste Korrektiv überhaupt: Die Leser. Fehler werden schnell gefunden und auch aufgezeigt. (eben über Kommentare, Twitter & Co.)
(Relativ) kurze Anmerkungen aus rechtlicher Sicht:
1. Ein Blog ist ein Medium im Sinne des Mediengesetzes, eine durch den Inhalt des Blogs begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung (zB Verleumdung, üble Nachrede, Beleidigung) ist daher ein „Medieninhaltsdelikt“.
2. Nach § 29 Mediengesetz ist ein Medieninhaber wegen eines Medieninhaltsdelikts, bei dem der Wahrheitsbeweis zulässig ist, „auch dann nicht zu bestrafen, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestanden hat und auch bei Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfalt für ihn hinreichende Gründe vorgelegen sind, die Behauptung für wahr zu halten.“ Dieser Rechtfertigungsgrund der Einhaltung der journalistischen Sorgfalt gilt auch für den Entschädigungsanspruch wegen übler Nachrede und Ansprüchen wegen rufschädigender Äußerungen.
3. Die Frage, ob eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt wurde bzw ob die Recherche ausreichend war – also die Frage nach der „journalistischen Sorgfalt“ – stellt sich daher in aller Regel (nur) dann, wenn die Mitteilung unwahr ist (oder jedenfalls die Wahrheit nicht nachgewiesen werden kann). Ist die Mitteilung (nachweisbar) wahr, ist es rechtlich unerheblich, ob die erforderliche „journalistische Sorgfalt“ aufgewandt wurde (sicherheitshalber merke ich an, dass natürlich auch nicht jede wahrheitsgemäße Berichterestattung zulässig ist!).
4. Wenn es daher bei einem misslungenen Wahrheitsbeweis „hart auf hart“ kommt, ist es natürlich geradezu zwingend, dass man die Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen nachweisen kann. Zitat aus einer jüngeren Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (15 Os 125/08h):
„Bei der Prüfung, ob die journalistische Sorgfalt eingehalten wurde, ist von der Maßfigur eines verantwortungsvollen, gewissenhaften, verständigen, sach- und fachkundigen Journalisten auszugehen, der sorgfältige Recherchen anstellt und dabei dem Grundsatz ‚audiatur et altera pars‘ – welchem in der Regel durch Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zu entsprechen ist – Rechnung trägt. Dies ist nicht in allen Fällen absolut notwendig. vielmehr kann in Ausnahmefällen darauf verzichtet werden, insbesondere dann, wenn die Informationsquelle eine besonders verlässliche ist und die Einholung einer Stellungnahme aus besonderen Umständen innerhalb angemessener Zeit nicht möglich war. Der bloße Wunsch, möglichst rasch berichten zu können, entbindet hievon jedoch nicht.“
5. Bei der journalistischen Sorgfalt geht es immer um die Faktenbasis – wer journalistisch sauber recherchiert und gegencheckt, kann sich so in gewissen Fällen auch dann aus der Schlinge ziehen, wenn doch nicht alles richtig war. Für Meinungsäußerungen ist das irrelevant, und natürlich muss ich vor einer Meinungsäußerungen niemandem Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Kritik & Recherche
Keiner muss selber Koch sein, um beurteilen zu können ob eine Suppe schmeckt oder nicht. Und wieso sollte dem Koch zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden, ehe man ein Urteil über seine Suppe fällt? – das würde an der Suppe nix ändern.
Nur kurz: Ja, natürlich soll recherchiert werden!
„Recherche“ ist lt. Wikipedia die „nicht-beiläufige, „professionelle“ Suche nach Informationen“, beim diskutierten Artikel ist nicht einfach ein Sachverhalt beschrieben sondern auch z.B. die Legislatur erwähnt bzw. der Umgang der Mitbewerber mit diesem Thema aufgezeigt. Damit ist der „Tatbestand“ der Recherche erfüllt.
Behauptungen über die Intentionen von heute.at würden natürlich einer Rückfrage bedürfen, aber ein faktische Aufzählung plus Zusatzmaterial ist fürs erste völlig ausreichend!
PS: Danke für Kobuk!
Eine Anfrage VOR Veröffentlichung ist meines Erachtens kaum sinnvoll, außer man wäre sich unsicher – aber da läßt man es besser gleich bleiben. Eine Information an das jeweilige Medium NACH der Veröffentlichung finde ich schon in Ordnung. Bei Online-Artikeln läßt sich dies auch einfach als Kommentar posten, in allen anderen Fällen sollte ein Mail an das Medium bzw. die Redaktion ausreichend sein.
Habe hier nochmal einen etwas anderen Blickwinkel auf das Thema für Euch. Ausgehend nämlich von der Frage „Was muss ein Watchblogger leisten?“. Bislang wurde das nur darauf bezogen,wie er arbeiten muss, aber nicht darauf, was das Ziel dieser Arbeit ist. Für mich sind diese Ziele:
-Sensibilisierung der Leser der kritisierten Publikationen
-Bewusstseinswandel bei den kritisierten Publikationen selbst
Das erste Ziel erreichen Watchblogs meiner Meinung nach oft nicht, gerade im Boulevardbereich. Vielleicht gerade noch Bildblog durch seine außerordentlich hohe Bekanntheit auch außerhalb der Blogosphäre. Aber grundsätzlich denke ich, dass wer regelmäßig Watchblogs liest,bereits eine hohe Medienkompetenz besitzt. Die Kernleserschaft der kritisierten Publikationen erreicht man aber nicht.
Das zweite Ziel lässt sich wohl am besten durch Bewusstseinsschaffung in der Öffentlichkeit erreichen, womit wir wieder beim ersten Punkt wären. Am zweitbesten wahrscheinlich durch regelmäßiges hartnäckiges Nachfragen.
Meine simplifizierte Schlussfolgerung: Ohne Nachfragen trägt ein Watchblog nicht zur Verbesserung der Qualität des publizistischen Wettbewerbs bei und es verkommt zu einem zynischen Zeitvertreib für Besserwisser.
@Björn: Hmm, will ich nicht ausschließen.
Würde dem aber entgegen halten, dass ein Watchblog bei bereits medienkompetenten Menschen massiv Bewusstsein schafft, wie häufig und weitreichend journalistische Fehler sind. (Besonders im Boulevard, den diese ja nicht täglich konsumieren.)
Und genau diese Menschen sind das soziale Umfeld der Journalisten. Klingt jetzt komplizierter als es ist. Ich glaube man schreibt etwas „gewissenhafter“, wenn man Angst hat, vor den eigenen Freunden als journalistischer „Täter“ zu gelten – oder auch nur in so einem Umfeld zu arbeiten. Wenn man merkt: Die Schweinerein fallen wem auf!
@helge: da kobuk.at von angehenden Journalisten gestaltet wird, geschieht hier natürlich die Bewusstseinsbildung genau an der richtigen Stelle.
Der von Dir beschriebene Feedback-Mechanismus klingt plausibel. Sollte man aber vielleicht anhand der Frage „Wie nehmen Journalisten wahr, dass ihre Arbeit wahrgenommen wird?“ nochmal genauer untersucht werden. Sätze wie „das versendet sich“ bei Fehlern in Fernsehbeiträgen etc. deuten ja an, dass Journalisten eine bestimmte Vorstellung von der Wirkung ihrer Beiträge haben. Die muss sich nicht notwendigerweise mit der Realität beim Zuschauer/Leser decken.
@Björn: Ich geh schon davon aus, dass unter den dzt. ca 600 täglichen Besuchern der Site überdurchschnittlich viele Journalisten dabei sind. Und recht viel mehr Wellen will ich im Moment auch noch nicht schlagen – zu viel Öffentlichkeit könnte das Projekt derzeit noch recht leicht in Probleme bringen.