In Laakirchen wurde letzte Woche ein Rentner vor seinem Haus von Polizeibeamten erschossen, nachdem er diese mit einer Waffen-Attrappe bedroht hatte — vermutlich, weil er sie in der Dunkelheit für Einbrecher hielt. Die Kronen Zeitung berichtete, dass der 84-Jährige…
[…] eine geradezu panische Angst vor Einbrechern hatte. Deshalb hat [er] Attrappen einer Überwachungskamera und einer Wehrmachtspistole angeschafft. Und deshalb wollte der gehbehinderte Witwer offenbar auch sein Haus und seinen darin schlafenden Enkel bewaffnet verteidigen, als Mittwoch um 1.45 Uhr Früh ein Zeitungsausträger in der […]straße Nr. 10 an die falsche Adresse kam.
Die richtige Adresse, die steht jetzt in der Krone und weil Tote eher selten klagen, gleich auch noch sein voller Name. Ja, gegen Krone Crime View wirkt selbst Google mit seinen vorwitzigen Kameraugen wie ein strenger Datenschützer. Was im Nebel des bunten Faktenfeuerwerks aber untergeht, sind die wirklich spannenden Fragen zu diesem Fall:
- Was versetzt einen Menschen, der in einer beschaulichen Wohngegend auf dem Land lebt, in derartige Panik vor Verbrechern?
- Und wie kommt er auf den Gedanken, es sei eine gute Idee — ja vielleicht gar nicht mal so außergewöhnlich — Einbrechern mit der Waffe in der Hand entgegenzutreten?
Es wäre nun müßig, hier über den konkreten Fall zu spekulieren. Doch ganz allgemein gibt es durchaus Anhaltspunkte, was Menschen in ähnlicher Lage zu derart fatalem Denken und Tun bewegen — oder sagen wir mal — zumindest darin bestärken könnte.
Gehen wir einfach nur zwei Tage zurück, vor das tragische Ereignis, und dann noch etwas tiefer ins Archiv der Krone-Leserbriefe:
Amerika, du hast es besser
[…] „Und was gedenkt die österreichische Regierung gegen die ausufernde Kriminalität zu tun?“ Die Antwort lautet: Entwaffnung der potenziellen Opfer! […] Die USA gingen den umgekehrten Weg. Dort erlaubte man den unbescholtenen Bürgern das verdeckte Tragen von Schusswaffen. Und siehe da – die Schwerkriminalität sank eklatant. […] (Franz S., Ilz, 27.4.2010)Pro FPÖ-Strache
[…] Ich habe in den letzten Monaten bereits zweimal „ungebetene“ fremdsprachige Personen in unserem Stiegenhaus (und Keller) angetroffen […] Ich bin ein alter Mann und habe keine Möglichkeit gehabt, diese Leute (Burschen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren) anzuhalten, bis die Polizei kommt. Da diese Kerle bei unserem kurzen Gespräch ständig eine Hand in der Hosentasche hatten, musste ich annehmen, dass sie zum sofortigen Einsatz einer Waffe (z. B. Messer) bereit waren. […] Mit einer erlaubten Waffe könnte man diese Gauner wenigstens so lange anhalten, bis die Polizei kommt! (Gustav Z., Wien, 26.4.2007)Für Fußballmeisterschaft Waffenschein besorgen!
[…] die internationalen Kriminellen […] werden massenweise nach Österreich strömen […] Jeder Geschäftsmann und Haus- bzw. Wohnungsbesitzer sollte sich einen Waffenschein besorgen und mit Pistole oder Gewehr bei Fuß sein Eigentum verteidigen […] (Martha W., Wien, 12.12.2007)Oft zählen Sekunden…
Positiv überrascht nahm ich den Leserbrief von Frau W. [s. oben] zur Kenntnis, die den rechtschaffenen Bürgern angesichts der explodierenden Ost-Kriminalität rät, sich Waffen anzuschaffen und diese zur erlaubten Notwehr im eigenen Heim bereitzuhalten. Da in unseren Medien üblicherweise nur weltfremde Waffengegner zu Wort kommen, die uns Bürger wehrlos machen und der Gnade der Verbrecher ausliefern wollen, danke ich der „Krone“ für diese Veröffentlichung ganz besonders. […] (Mag. Christoph L., Wien, 18.12.2007)Selbstschutz!
Tagtäglich erreichen uns immer mehr Meldungen von Einbrüchen. Gleichzeitig wird den Opfern bzw. zukünftigen Opfern geraten, sich möglichst wenig zu wehren. Kein Wunder, dass die Einbrecher gerne wiederkommen, wenn sie so behandelt werden. Das Ziel sollte die Wiederherstellung der inneren Sicherheit sein, statt Täter- sollte Opferschutz betrieben werden. Wenn nötig, dann auch mit Einsatz von Waffen, solange diese in Österreich noch frei ab 18 erhältlich sind. (Georg O., per E-Mail, 10.2.2008)Notwehr!
Tatsache ist, dass die neuen Räuber mit einer ungekannten Keckheit in unsere „bewohnten“ Häuser und Wohnungen eindringen. […] Kriminologische Studien haben ergeben, dass Verbrecher in erster Linie das „bewaffnete Opfer“ fürchten. Andere Schutzmaßnahmen sind wünschenswert, aber die Pistole in der Hand ist besser als die Polizei am Telefon! […] Ich werde einen Einbrecher mit in Anschlag gehaltener Waffe empfangen. (Franz S., Ilz, 10.02.2008)Neuartige Raubüberfälle
Der ORF-Teletext berichtet, dass Österreich unter einer „neuen“ Art von Raubüberfällen leide. So legen es Räuber und Einbrecher – offenbar seit der gänzlichen Öffnung der Ostgrenzen – darauf an, ihren Opfern persönlich zu begegnen. […] Ich verstehe jeden Hausbesitzer, der nichts auf die politische Gutmenschlichkeit gibt und sich nun zum Selbstschutz bewaffnet. (Roland R., Wien, 26.2.2008)Sicheres Österreich? Bei jedem allerkleinsten Geräusch steh ich auf, die geladene Waffe im Anschlag!
[…] Bei jedem kleinsten Geräusch stehe ich auf und kontrolliere meine Wohnung, die geladene Waffe im Anschlag. Ich komme mir in meiner eigenen Wohnung bedroht vor wie Rambo im Dschungel. […] (Herbert S., Mistelbach, 28.7.2009)
Wenn Jugendliche mit tragischem Erfolg zur Waffe greifen, wissen wir sofort, was schuld war: Fernsehen, Internet und Killerspiele. Die unheilige Trinität der medialen Jugendgefährdung. Doch wie ist das bei älteren Semestern, wenn die mal aus dem Ruder laufen? Durch welches Medium werden sie verdorben? Wo holen die sich ihren täglichen Kick an Nervenkitzel und Gewalt? Sollten wir statt Killerspielen hier vielleicht nach Krone-Abos suchen?
Die Leser sind Dichands Medium. Durch sie spricht er zu uns und offenbart Einblicke in die Abgründe der österreichischen Seele — die vielleicht doch nur die seinen sind. Es geht das Gerücht, die meisten Briefe im „freien Wort“ seien von ihm höchstselbst erwählt. Manche auch geschrieben? Das scheint kaum nötig. Der Herausgeber nutzt geschickt das Potenzial seiner Millionen Leser — lange bevor Crowdsourcing im Internet ein Thema wurde. Und der „intelligente Schwarm“ spielt, was der Meister wünscht und virtuos zu seinem Bild der Wirklichkeit zusammenfügt. Nahezu täglich, auf drei (!) ganzen Seiten.
Viele Blätter distanzieren sich formal von den Inhalten der veröffentlichten Zuschriften. Die Krone nicht. Im Gegenteil, sie ging den umgekehrten Weg: Von seltenen Ausnahmen abgesehen, hat sie die Leserbriefe der Blattlinie unterworfen und ihre Schreiber zu einer Art Schattenredaktion formiert. Mit fixer Stammbesetzung und wechselnden freien Mitarbeitern für das von Freiheit befreite, letztlich nur mehr kosten-„freie Wort“.
Zugegeben, der Killerspiel-Vergleich, er trifft nicht ganz. Denn Killerspiele sind nicht real. Sie bewegen sich in den Grenzen einer virtuellen Welt und praktisch alle Spieler sind sich dessen bewusst. Was in der Krone steht, hingegen, ist real. Die täglichen Bedrohungen und fallweise drastischen Anleitungen zu deren Abwehr werden wahr, sobald nur ein Leser sie für wahr hält. Er wird, in welcher Form auch immer, darauf reagieren. Und damit wird das Wort zur Wirklichkeit, Teil unserer Welt und des echten Lebens. Oder frei nach Foucault: Der Diskurs erzeugt Realität. Das macht die Krone — im Vergleich zum Killerspiel — gefährlich.
4 Kommentar(e)
Nehmen wir an, in Österreich gäbe es weder Killerspiele noch die Kronenzeitung.
Wären Gewaltbereitschaft und tatsächliche Gewalt geringer?
Hätten die Menschen weniger Angst vor Dieben, Einbrechern, Verbrechern?
Wären sie diskursbereiter, lernfähiger und lernwilliger?
Vielleicht auch noch weniger ausländerfeindlich?
Vier Fragen, (m)eine Antwort: NEIN.
Die Kraft des Worts und des Diskurses und die der Medien aller Art ist völlig überschätzt.
Sagen wir’s mal polemisch: Wer als JournalistIn glaubt, angstgepeinigte und daher aggressive Rentner mit seinen/ihren Artikeln vom Ruf nach Bürgerbewaffnung oder sogar von der fingierten oder tatsächlichen Bewaffnung abzubringen, ist genauso ein Möchtegern wie Herr Dichand, der glaubt, waffenklirrende Leitartikel und Leserbriefe schüfen law and order.
Es ist fatal, aber das der Spezies Mensch innewohnende Aggressionspotential existiert nun mal – mit und ohne Medien und ihre guten oder bösen Worte.
@Iso: Wenn du glaubst, medial inszenierte Angst würde die Gesellschaft nicht verändert, empfehle ich die Lektüre von „Culture of Fear„.
In der Kommunikationswissenschaft gab es in den 50er-Jahren das Modell des Stimulus-Response. Es wurde angenommen, dass die Medien sozusagen nur den richtigen Schalter umlegen müssen und eine genaue Reaktion kann erreicht werden. Diese Annahme wurde durch viele Studien ernüchtert und daraus folgte – ich glaube – in den 70er-Jahren die Annahme, dass Medien überhaupt keinen Einfluss haben. Diese Extremposition wurde allerdings auch aufgegeben, weil nicht haltbar.
Jetzt gibt es mehrere und subtilere Modelle w.z.B. das Agenda Setting – welches besagt, dass Medien nicht beeinflussen wie wir denken, aber sehr wohl worüber wir nachdenken. Negative Nachrichten zu Mord, Raub und Totschlag haben in der Krone oberste Priorität. Sie nehmen am meisten Platz, positive Meldungen sind (wenn überhaupt veröffentlicht) sehr kurz gehalten. Wenn nun dauernd die Leute über die Sicherheitslage nachdenken und durch Medien wie die Krone den Eindruck gewinnen, dass sich die Sicherheitslage rapide und massiv verschlechtert – hat das tatsächlich null Einfluss und Wirkung?
Wie lange lässt sich die Bevölkerung von Österreich noch gefallen,was der ORF an
Pogramm bietet.für € 50.- in 2 Monaten.
Wiederholungen,Werbeunterbrechungen bei Sportsendungen,und Tausende Staffeln,
Wo ist da die EU, die so ein Mistprogramm verbietet.
Leider hat der ORF ein Monopol,sonst hätten wohl 80% der Österreicher Ihre
Zwangsmitgliedschaft gekündigt
Auf weitere 50 Jahre lieber „ORF“.