Dieser Beitrag stammt von Markus Wilhelm, der das Watchblog DieTIWAG.org betreibt, in dem er die „Tiroler Wasserkraft“ und die -Politik kritisch beobachtet und wo dieser Artikel zuerst erschien.
Die Tiroler Wasserkraft (TIWAG) setzt enorme Summen an Kundengeldern ein, um die Meinung ihrer Kunden zu manipulieren. Wir nehmen das dieser Tage erfolgte Hinscheiden der „Tiroler Woche“ zum Anlass, das verbriefte Durchgriffsrecht des Anzeigenschalters auf die Redaktionen anhand der TIWAG und anhand dieses Wochenblatts beispielhaft zu dokumentieren. Mitzubedenken dabei ist nämlich, dass es in TIWAG-Land viele Medien und viele Vereinbarungen dieser Art gibt.
Die „Tiroler Woche“ war oder ist ein Wochenblatt, das seit 2007 unter diesem Namen (und davor jahrzehntelang unter verschiedenen Titeln und von wechselnden Eigentümern herausgegeben) unverlangt in fast allen Tiroler Haushalten gelandet ist. Zuletzt erschien es in Kooperation mit der im Oberland marktbeherrschenden „Rundschau“, welche die wichtigsten Projektregionen der TIWAG (Ötztal, Pitztal, Kaunertal, Oberes Gericht, Paznaun, Stanzertal, Sellrain) lückenlos abdeckt.
Die Abmachungen zwischen der TIWAG und der „Tiroler Woche“, angestiefelt von der TIWAG-Agentur Hofherr, aber im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden Wallnöfer, schließen damit immer auch die „Rundschau“ (mit ihren Ausgaben Imst, Landeck, Telfs) mit ein. In der Agentursprache nennen sich solche Manipulationsverträge schlicht „Medienkooperation“.
In unserem Beispiel schlägt die TIWAG-Agentur Hofherr Communikation ihrem Auftraggeber im September 2008 so einen Vertrag vor:

Schon kurze Zeit später kann Hofherr das Konzept für den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit dem „Partnermedium“ dem TIWAG-Vorstand vorlegen:

„Klar ist, dass die Gegner nicht zu Wort kommen“
Seit Jahren werden nebst Tiroler Tageszeitung und ORF auch die Regionalmedien mit TIWAG-Inseraten regelrecht geflutet. Ohne Ende. Das sieht im Falle der „Tiroler Woche“ so …

… und im Falle „Rundschau“ so aus:

Das Prinzip ist einfach und funktioniert ganz offensichtlich: Über geschaltete Anzeigenseiten werden positive Berichte mitgekauft, denn „diese redaktionell gestalteten Beiträge eines anerkannten Mediums haben eine hohe Glaubwürdigkeit“, wie es oben im Konzept der TIWAG-Agentur heißt.
Das Angebot der „Tiroler Woche“ (auch für die „Rundschau“) schließt dementsprechend und vielleicht erstmals in dieser Deutlichkeit „Redaktionelle Berichterstattung wie vereinbart!“ ein:

Die Vorgangsweise selbst ist auch von der Politik erprobt. Welchen anderen Sinn sollten viele nichtssagende Werbeeinschaltungen der Landespolitik denn haben, als damit wohlwollende Berichterstattung zu erkaufen? Nicht von ungefähr fällt dem ÖVP-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden ÖVP-Klubomann und TIWAG-Lakaien Jakob Wolf zum Thema TIWAG-Projekt Ötztal-Kaunertal als erstes ein, der Rundschau – offenbar gewohnheitsmäßig – Geld für „redaktionelle Beiträge“ anzubieten:

„Kooperationsplan“
So schaut das dann im Normalfall aus: Überteuertes Ganzseiteninserat einerseits und damit querfinanzierter „glaubwürdiger“ redaktioneller Artikel andererseits – oft in ein und der selben Ausgabe, versehentlich mitunter sogar nebeneinander oder aus Scham durch einige Seiten getrennt:

„Tiroler Woche“

„Rundschau“
Wobei davon auszugehen ist, dass Interviews mit dem TIWAG-Chef Wallnöfer (siehe oben) oder den Projektleitern Eibl, Pließnig, Stroppa nicht nur bei der Rundschau angeleiert, sondern von Hofherr selbst erfunden und von der TIWAG endredigiert werden:

Korrigiertes Interview-Manuskript, Agentur Hofherr, Oktober 2008
Entsprechend sieht der von der TIWAG-Agentur Hofherr ausgearbeitete Plan für die „Medienkooperation Oberländer Rundschau / Tiroler Woche auch zum „Auftakt“ solch ein Interview mit DW (Direktor Wallnöfer) vor:
(Medienkooperationsplan groß anzeigen)
Medium heißt Mittel. Die Medien sind das Mittel, ein Ziel zu erreichen. Im Falle der TIWAG: ihre Projekte zu realisieren. Geld, im Falle der TIWAG: Kundengeld, spielt keine Rolle. Allein für „Tiroler Woche“ und „Rundschau“ für lediglich zwölf durchgeschaltete Seiten 145.000 Euro (netto) sind kein Dreck.
Wie gesagt, die genannten Blätter sind kein Einzelfall in TIWAG-Land. Für 2005 ist ebenso schön eine „Kooperation“ mit den Bezirksblättern dokumentiert. Auch dabei geht es um bezahlte „redaktionelle Berichterstattung bezüglich neuer Kraftwerke“, die über horrende Anzeigentarife abgerechnet wird:

Tirol ist ein in Korruption versinkendes Land
Auf diesem festen finanziellen Fundament („Kooperation“) aufbauend konnten bei den Gemeinderatswahlen 2010 die „Tiroler Woche“ im Fall Neustift und die „Rundschau“ im Fall Kaunertal perfekt für den Wahlkampf der beiden TIWAG-freundlichen Bürgermeister eingesetzt werden.
Wenn man diesen fast totalen Durchgriff der TIWAG auf die Berichterstattung im Lande sieht, muss man sich noch viel mehr wundern, dass sie mit ihren Projekten nicht von der Stelle kommt.
Es ist Korruption. Keine Frage. Und sie kennen keinen Genierer mehr. Die TIWAG nicht und die Medien nicht. Wie selbstverständlich rennen auch die Chefredakteure der größten Tiroler Medien zum Angefüttertwerden durch den TIWAG-Chef ins reservierte Altstadtstüberl.

Andreas Quatember lehrt Statistik an der JKU Linz. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seiner Instituts-Homepage in der Rubrik “Unsinn in den Medien”.
 
„Ein Viertel der Studenten ist alkoholabhängig“ (APA-Meldung vom 29.9., hier auf Krone Online, gefunden von Daniel Pauger)
Da wird einem ja schon bei der Überschrift schlecht. Wenn man in Studierendenheimen eine Umfrage macht, erhält man sicherlich keine repräsentative Stichprobe aller Studierenden in Hinblick auf das Merkmal Alkoholkonsum. Dann zu behaupten, weil ¼ in der Umfrage als alkoholabhängig eingestuft wird, dass dies der Prozentsatz unter allen Studierenden sein soll, ist … naja, lassen wir das unkommentiert.
Faktum ist jedoch, dass es sich hierbei natürlich in keinerlei Hinsicht um eine Zufallsauswahl aus der Grundgesamtheit aller Studierenden handeln kann. Deshalb ist auch ein Hinweis darauf, dass der Raucherprozentsatz signifikant weniger sei als in einer anderen Studie, reiner Unsinn. Solche Schlüsse lassen sich nur auf Basis von Zufallsauswahlen ziehen. Hatte jede(r) Student(in) eine Chance, in diese Stichprobe zu gelangen? Oder waren es nur die Studierenden, die in Heimen wohnen, wo man am Abend gerne zusammen sitzt, diskutiert und dann und wann auch mal gerne feiert?
500 Millionen Freunde – und für die „Presse“ immer noch Mr. Nobody:
Auf DiePresse.com wurde David Zuckerberg inzwischen in Mark Zuckerberg umbenannt. Danke an Johannes K. für das Email mit Hinweis und Bild! :)
SpiegelOnline über den US-TeaParty-Politiker Rand Paul:
Paul fiel vor allem wegen kritischer Äußerungen über die Anti-Diskriminierungs-Gesetze in den sechziger Jahren auf.
Bemerkenswert: Nicht mal sieben Jahre alt – er ist Jahrgang 1963, aber schon so politisch engagiert!
Ein russischer Polizist flüchtet auf einer Autobahn vor einem Rudel Wölfe, das ganze auch noch auf Überwachungsvideo festgehalten. Ein gefundenes Fressen für die Medien – die ungezähmte Natur schlägt dem Leser entgegen:
Plötzlich wird er von einem Wolfsrudel gejagt (Oe24.at)
Die Raubtiere haben es zum Glück nicht auf ihn abgesehen, sie rennen unbeeindruckt vorbei. (Heute.at)
Bei einer Verkehrskontrolle in Russland kam plötzlich ein ganzes Wolfsrudel angelaufen (Krone.tv)
Doch das Ganze ist nichts anderes als eine virale Marketing-Kampagne einer Vodka Marke, die diese bereits offen zugibt (siehe Making Of).
Hier das Video:
Blick.ch ist ebenfalls darauf reingefallen. Bild.de scheint den Schwindel nach Veröffentlichung bemerkt zu haben, deutliche Spuren hat der bereits entfernte Beitrag dort durch den Facebook-Like-Button hinterlassen.
(Via BILDblog)

Fünf bis acht Terroristen hatten zunächst unmittelbar vor dem Gebetshaus zwei Atombomben zur Explosion gebracht.
(„Kurier“ vom 2.11. Danke an Christoph R. auf der Kobuk-Facebook-Seite für Scan und Hinweis!)
Nationafeiertage scheinen mediale Mikro-Saure-Gurken-Zeit zu sein: Ausgehend von einer APA-Meldung wurde von vielen Zeitungen Österreichs, wie DerStandard.at, „Österreich“ und Kleine Zeitung kurz vor dem Nationalfeiertag eine Studie des Zentrums für Zukunftsstudien an der Fachhochschule Salzburg zitiert, wonach jeder zweite Österreicher „stolz“ auf sein Heimatland ist. In allen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse in den verschiedenen Bundesländern erheblich variieren.
Doch wie sicher können solche Daten sein, wenn eine Stichprobe von nur 1000 Personen für ganz Österreich auch noch auf die Bundesländer verteilt wird? Diese 1000 Personen können mathematisch auf zwei Arten auf die Bundesländer verteilt werden. Österreich teilt sich in neun Bundesländer auf, wenn man dies durchrechnet, dann sind das im Falle dieser Umfrage im Schnitt etwa 111 Befragte pro Bundesland.
Wurde die Stichprobengröße jedoch der Einwohnerzahl angeglichen, dann wurden in Wien 200 Personen befragt und im Burgenland nur noch 30. Auffallend ist zumindest, dass es in Burgenland und Vorarlberg, den kleinsten Bundesländern, der Ausschlag am höchsten ist. Liegt das vielleicht daran, dass nur eine Handvoll Menschen befragt wurde, die für ein beinahe zufälliges Ergebnis sorgen?

Über die richtige Größe der Stichproben für eine valide Aussage streiten sich die Geister, obwohl anzunehmen ist, dass hier beide Arten der Verteilung der 1000 Befragten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen: Nach diesem Stichprobenkalkulator dürften 111 Personen für Wien (bei Methode A) oder 30 Personen für das Burgenland (bei Methode B) jedenfalls sehr deutlich zu wenig sein.
Die Medien, die solche APA-Meldungen drucken, scheinen die Angaben leider nicht zu hinterfragen.
Das Kreuzfahrtschiff „Allure of the Seas“ musste unter einer dänischen Brücke durch und es war knapp, darin sind sich alle einig. Nicht ganz so einig ist man sich allerdings darüber wie knapp. Den Start machte am 30.10.2010 der Internetauftritt des Schweizer Fernsehens:
Die Brücke ist nur gerade 30 Zentimeter höher als die «Allure of the seas» (deutsch: Faszination der Ozeane). Eine äusserst ruhige See war deswegen notwendig, um unter der Brücke hindurch zu fahren.
T-online.de ließ sich wenig später ebenfalls nicht lange bitten:
Erst der so genannte „Squat-Effekt“ macht’s möglich. Dieser saugt das Schiff tiefer ins Wasser, je schneller es fährt. Mit Höchstgeschwindigkeit – rund 24 Knoten – muss der Luxusliner diese technische Meisterleistung auf sich nehmen. Zwischen Schornsteinspitze und der Unterkante der Brücke bleiben dann nicht viel mehr als rund anderthalb Meter.
Am Tag darauf würdigte auch heute.at die Leistung des Kapitäns:
Mit nur VIER Zentimeter Platz nach oben brachte der Seebär den Luxusliner unter einer dänischen Brücke hindurch.
[…]
Aufgrund der rauen See beträgt der Abstand zwischen den Schloten und der Unterseite der Brücke nur vier Zentimeter, sagt Hans Nilsen, Offizier einer örtlichen Marine-Einrichtung.
Von 30 Zentimeter bei ruhiger See über rund anderthalb Meter bei Höchstgeschwindigkeit und vier Zentimeter bei rauer See, es kommt wohl auf den Standpunkt an, oder etwa doch auf die zu Grunde liegende Agenturmeldung oder gar die falsche Übersetzung eben dieser? Diese Vermutung kommt auf, wenn man sich die Berichterstattung im englischsprachigen Raum ansieht, welche sich vor allem auf eine Associated Press – Meldung stützt, so zum Beispiel auch die Washington Post:
Hans Nilsen, an official at the Korsoer Naval Station, said the passage went fine, with about a 20-inch (50-centimeter) gap and 1.5 inches (4 centimeters) to spare to the safety margin […]
Für Interessierte: Der Kapitän oder „Seebär“, wie ihn heute.at nennt, erklärt die technischen Details und den Ablauf der Aktion im Zuge eines Videos auf der Website des Schiffes, ganz ohne sich dabei in Zentimeter zu verstricken.
Eigentlich wollte ich dem geneigten Leser den Kalauer im Titel ersparen, in diesem Fall passt er aber wirklich hervorragend: So publizierte das Gratisblatt am 28. Oktober einen Artikel, der nahezu wortgleich bereits mehr als sechs Monate vorher in Standard, Presse, News oder den OÖN zu lesen war.

Update
„Österreich“ hat diese Meldung sogar noch einen Tag später als „Heute“ veröffentlicht und dabei mit argen Logikproblemen zu kämpfen: So informiert man im Aufmacher, dass nur jeder 7. den Aufnahmetest schafft (ergo 14%), im Fließtext schreibt man jedoch später: „Der Aufnahmetest lässt 40% der Bewerber scheitern“. Danke an meinen Kollegen Yilmaz Gülüm für den Hinweis.



