Wenn eine gebürtige Türkin in Österreich ein Kopftuch trägt, ist das, so meinen viele in dem Land, nicht in Ordnung. Wenn eine gebürtige Türkin ein Dirndl trägt, ist das auch nicht in Ordnung – zumindest wenn es nach „Kronen Zeitung“-Kolumnist Michael Jeannée geht. Erst recht, wenn jene gebürtige Türkin Alev Korun heißt, und Abgeordnete zum Nationalrat und gar noch von den Grünen ist.
Am 21. Oktober 2009 trug Korun in einer Sitzung des Nationalrats Tracht – Herr Jeannée bzw. die „Kronen Zeitung“ widmete dieser Outfit-Wahl gar eine ganze Seite in einer darauffolgenden Ausgabe.
Fast eineinhalb Jahre später – am 11. März 2011 – scheinen die Damen und Herren der „Kronen Zeitung“ diese „Provokation“ von Alev Korun noch immer nicht verkraftet zu haben. In der Rubrik „Politik Inoffiziell“ nahm sich Peter Gnam der Diskussion um die Wehrpflicht in Österreich an, sowie im letzten Absatz des Artikels verpflichtenden Deutschkursen für fremdsprachige EinwanderInnen.
Wie nicht anders zu erwarten, holte sich [ÖVP-Klubchef Karlheinz] Kopf von türkischen Offiziellen eine kalte Abfuhr – ihm wurde erklärt, dass Deutschkurse für Türken im Ausland ‚eine Provokation‘ seien und ‚ein Türke immer ein Türke bleiben werde‘. Das hat uns die grüne Abgeordnete Korun ja im Parlament schon ‚vorgespielt‘, als sie dort im Dirndl auftrat, um Österreich und unsere Trachtentradition zu verspotten.
Inwiefern Alev Korun allerdings mit ihrem Auftritt im Dirndl – der übrigens ansonsten niemanden wirklich aufregte – zeigte, dass „ein Türke immer ein Türke bleiben werde“ oder in welchem Zusammenhang die Kleidungswahl einer Nationalratsabgeordneten mit der Frage nach verpflichtenden Deutschkursen steht, bleibt fraglich…
Danke an Seimon S. für den Hinweis auf Facebook!
Seriöse, repräsentative Umfragen haben zwei Haken: Sie kosten Geld. Und sie brauchen Zeit. Offenbar zu viel für „Österreich“ und Kronen Zeitung.
Online-Umfragen, wie man sie auf nahezu allen Medienportalen findet, sind reine Unterhaltungselemente ohne höheren Anspruch. Sie ermöglichen auf einfache Weise Interaktivität und können zu einem gewissen Grad ein Stimmungsbild unter den aktuellen Besuchern der eigenen Website zeichnen.
Für mehr langt’s aber nicht. Dafür sind diese Votings meist zu anfällig für Manipulationen und in der schwer verzerrten Stichprobe sind naturgemäß nur Internetbenutzer enthalten, die die Website kennen, sie zufällig (oder aufgrund einer Kampagne) im Votingzeitraum besucht haben und die das Thema dann auch noch interessiert hat.
Ähnlich treffsicher wie Horoskope, sind die Ergebnisse derartiger Umfragen — abgesehen von Zufallstreffern — nie repräsentativ. Meist nicht mal für die Besucher der eigenen Website und schon gar nicht für die gesamte Bevölkerung. Aber wer wäre schon so größenwahnsinnig, das von seiner popeligen Web-Umfrage zu behaupten?
Nun, die laut Eigendefinition größen… äh „größte Tageszeitung der Welt“ zum Beispiel. Die Kronen Zeitung, letzten Samstag. Und das nicht als Praktikantenübung, gut versteckt im Blatt, sondern richtig groß, als Titelstory. Tatsächlich eine „Niederlage für die Bildungspolitik“, aber anders als die Krone meint:
Exklusiv-Umfrage [sic!] — Niederlage für die Bildungspolitik
Sitzenbleiben: 69 % gegen Abschaffung!
Und die laut Eigendefinition „beste Zeitung“, „Österreich“, am selben Tag. Natürlich auch am Cover. Gestern Reisebüro, heute Umfrage-Institut — bei dem berüchtigt flexiblen Selbstverständnis dieser Zeitungssimulation auch schon egal:
ÖSTERREICH-Umfrage zur Schule:
67 % gegen Aufsteigen mit Fünfer
„Österreich“ weist immerhin im Artikel auf die Art der Umfrage hin. Überlässt die Schlussfolgerungen daraus allerdings dem Leser:
Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das scheinbar [sic!] anders: In einer Umfrage auf dem ÖSTERREICH-Portal oe24.at sprachen sich gestern 67 Prozent gegen Schmieds Plan aus, nur 33 Prozent wollen das Sitzenbleiben abschaffen.
Wohlweislich verzichtet wird auf die Angabe der vermutlich beeindruckend niedrigen Zahl der abgegebenen Stimmen bei dieser online nicht mehr auffindbaren Umfrage (sofern sie je existiert hat).
Dümmer als „Österreich“ lässt die Kronen Zeitung im Artikel ihre Leser sterben. Dafür gibt sie sich um so selbstbewusster:
Nach dem Debakel mit dem Lehrermangel die nächste Schlappe: […] für die Mehrheit der Österreicher [steht] fest: Die Ehrenrunde soll bleiben! In einer „Krone“-Umfrage sind knapp 70 % für das Wiederholen einer Klasse.
Die meisten Leser werden hier eine repräsentative Umfrage vermuten, die vom Blatt bei einem Institut in Auftrag gegeben wurde. Dafür stand der Ausdruck „Krone-Umfrage“ früher mal. Nur wer wirklich danach sucht, findet — unter der großen Grafik, in der kleinsten Schrift, die es im Layout gibt — ganz kleinlaut den entscheidenden Hinweis, dass die „Exklusiv-Umfrage“ auf dem Samstags-Cover ein Blindgänger eine Blendgranate ist:
Quelle: „krone.at“-Umfrage, 900 abgegebene Stimmen
(„Krone.at-Umfrage“ hat übrigens genauso viele Zeichen wie „Exklusiv-Umfrage“. Am Platz kann’s also nicht gelegen haben, dass man sich auf dem Titelblatt für letzteres entschied.)
In einer repräsentativen Umfrage 2009 für das Magazin „Format“ haben sich übrigens noch 57 % der Österreicher für die Abschaffung des Sitzenbleibens (und stattdessen Nachholen des Lehrstoffs in Extra-Kursen) ausgesprochen. Und weiter hieß es dort:
Mit steigender Bildung spricht sich sogar eine klare Mehrheit für das Abschaffen des Sitzenbleibens aus.
Dass sich auf krone.at und oe24.at hingegen eine klare Mehrheit der Voter dagegen ausgesprochen hat, sollte nicht zu dem Schluss verleiten, dass doch was dran sein könnte, an Online-Votings.
„It’s a fluid situation“ antwortete das US-State-Department in den letzten Tagen meist, wenn sie von Medien um eine Stellungnahme zur Revolution in Ägypten gefragt wurden. Fluid situations sind schwierige Zeiten für Printmedien. Hier ein paar Köstlichkeiten aus den letzten Tagen. (Weitere Beispiele bitte per Kommentar posten!)
Die heutige Abendausgabe (!) der Kronen Zeitung titelt:
Blöd nur, dass Mubarak heute von eben diesen Militärs zurückgetreten wurde. (Danke an Thomas Mohr für das Foto!)
Ein Rücktritt, den gestern alle erwartet hatten – doch es kam anders, der alte Mann zeigte sich stur und schloss in seiner Rede einen Rücktritt kategorisch aus. (Wie blamabel die Übertragung dieser Rede im ORF war, der ansonsten dank Karim El-Gawhary großartige Analysen lieferte, hat Axel Maireder schon dokumentiert.)
Die Oberösterreichischen Nachrichten wollten offenbar trotz frühen Redaktionsschlusses nicht auf die großartige Meldung verzichten und titelten gestern:
Die richtige Schlagzeile zum gänzlich falschen Zeitpunkt – denn anstatt zu jubeln protestierten die Ägypter zornig bis in die Morgenstunden. (Danke an Florian Gossy für das Foto!) Ähnlich erging es auch der Bild.de, wie das BILDblog dokumentiert hat:
Die Tücken vorbereiteter Eilnachrichten, wie ein Blick in die URL des Artikels zeigt:
Siehe auch Sabine Bürgers Artikel auf DerStandard.at zum gleichen Thema. Wer kennt weitere #Mediafails?
Update: Sabine Bürger berichtet auf DerStandard.at von einem Brief des ORF-Chefredakteurs Dittlbacher, in dem dieser akustische Schwierigkeiten als Grund für die schlechte Simultanübersetzung nennt.
Update 2: Marlene Altenhofer schickt uns folgenden Zeitungsausschnitt aus der Kronen Zeitung vom 11.2. (OÖ-Ausgabe, tagsüber), die ebenfalls von einer Nacht der Feiern berichtete, obwohl sie vielmehr eine Nacht des Zorns war:
Update 3: Sabine Bürger schoss am Samstag, den 12.2. um ca. 16:30, also 24 Stunden nach Hosni Mubaraks Rücktritt, am Wiener Europaplatz folgendes Foto:
Während der ORF gestern über Kindersklaven berichtete, die unter Duldung der Schokolade-Industrie (und letztlich nahezu uns allen) gewerbsmäßig entführt und zur billigen Kakao-Ernte gezwungen werden, lieferte die APA zwei Tage zuvor weitaus freundlichere Schlagzeilen zum Thema: Kakaobohnen enthielten mehr Antioxidantien als Früchte, hieß es da, laut einer Studie. Zahlreiche Medien übernahmen den Bericht und in der Krone war die Schokolade am Ende sogar gleich gesund wie Obst.
Dazu ein Leserhinweis, direkt aus unserer Inbox (mit Genehmigung des Autors):
Hallo liebes Kobuk-Team,
ich bin Medizinstudent und habe gerade das großartige Buch „Die Wissenschaftslüge“ von Ben Goldacre gelesen. Er zeigt vor allem auf, wie kritiklos oftmals Medien Pseudostudien für voll nehmen und unhinterfragt an die Leserschaft weitergeben.
Ein aktuelles Paradebeispiel ist der zahnlose Kurzbericht der Kronen Zeitung über eine Studie, dass Schokolade gesünder als Obst sein soll. Nur zu blöd, dass genau in jenem Ort namens Hershey im US-Bundesstaat Pennsylvania, einer der größten Schokoladenproduzenten der Welt seinen Sitz hat.
Beweis: https://de.wikipedia.org/wiki/Hershey_Company
LG
Alexander Niederecker
Und weil es oft noch schlimmer ist, als der Leser denkt, hat dieser Schokoladehersteller die Studie nicht nur in Auftrag gegeben, sondern auch gleich in den eigenen Labors durchgeführt. Praktisch, nicht?
Bemerkenswerterweise hat in Österreich doch ein Nachrichtenportal auf diesen Umstand kritisch hingewiesen:
Ob die Untersuchungen auch unabhängigen Forschern standhalten, bleibt abzuwarten, schließlich handelt es sich beim „Hershey Center for Health and Nutrition“ um ein Labor des US- Lebensmittelriesen Hershey – bekannt vor allem für Schokolade und andere zuckerhaltige Lebensmittel.
Welche Online-Redaktion hier, im Gegensatz zu APA, Kronen Zeitung und Co., so vorbildlich recherchiert hat? Ihr erratet es vermutlich nicht.
Danke für den Hinweis an Alexander und für das Foto an A.B.
Am Sonntag war in der Printausgabe der „Kronen Zeitung“ ein Bericht zu lesen, laut dem eine „Türkenbande“ fünf Jugendliche überfallen haben soll. Wie sich herausstellt, besteht die ganze Story aus zusammengewürfelten Halbwahrheiten.
Türkenbande beraubte mit Messern fünf Jugendliche
Ob es sich bei den TäterInnen um TürkInnen handelt, ist unklar. Die Polizeidirektion Wien bestätigt, dass derzeit lediglich eine TäterInnenbeschreibung der Opfer vorliegt. Es wurde also Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Allerdings sagten die Opfer aus, die TäterInnen hätten einen „türkischen Akzent“ gehabt.
Wieder schlug eine dieser skrupellosen Migrantenbanden, die unbehelligt in Wien ihr Unwesen treiben, zu.
Die Formulierung der Krone legt nahe, dass die TäterInnen wiederholt Straftaten begehen. Ob es sich tatsächlich um eine „skrupellose Bande“ handelt, die unbehelligt in Wien ihr Unwesen treibt, ist reine Spekulation. Ebenso möglich ist, dass es sich um eine Gruppe Jugendlicher handelt, die erstmals straffällig geworden sind.
derartige Coups gehören auf Wiens Straßen mittlerweile zur Tagesordnung
Falsch. Die Polizeidirektion Wien bestätigt auf Anfrage von Kobuk, dass derartige Vergehen in Wien „ganz sicher nicht“ täglich passieren. Wie oft genau, kann gar nicht gesagt werden, da diese Art der Anzeigen nicht gesondert in einer Statistik erfasst werden. Die Jugendkriminalität (pdf) ist jedenfalls seit 2006 um 18% gesunken, wobei von 2009 auf 2010 ein minimaler Anstieg (0,1%) an Anzeigen registriert wurde.
Die sieben halbwüchsigen Türken (…) zückten feige ihre Messer und raubten ihren eingeschüchterten Opfern die Messer.
Sieben böse Türken, haben also fünf armen Opfern die Messer geklaut? Freilich nicht. Es wurden bei dem Vergehen zwei Handys gestohlen. Weiter oben hat die Krone das allerdings richtig geschrieben.
Inzwischen wird der Ruf nach hartem Durchgreifen immer lauter: FPÖ-Mandatar Erich Königsberger: „Wir müssen die ausländischen Banden stoppen und sofort abschieben.“
Der „türkische Akzent“ der TäterInnen ist ein Hinweis, dass es sich nicht um junge TürkInnen („Jungtürken“ sowieso nicht), sondern um „Jungösterreicher“ handelt. Nur 4,6% der MigrantInnen der zweiten Generation sind türkische StaatsbürgerInnen. Für die dritte Generation (beide Elternteile in Österreich geboren) gibt es so eine Statistik gar nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sicht nicht um eine ausländische „Bande“ sondern eine heimische handelt, ist also hoch. Und nur weil ein österreichischer Staatsbürger Eltern oder Großeltern hat, die in der Türkei geboren sind, kann man ihn nicht einfach dorthin abschieben. Das weiß hoffentlich auch Erich Königsberger, der neben seiner Tätigkeit als FPÖ-Politiker als Polizist arbeitet.
Danke an die Twitteruser @kellerabteil und @thebalancebeam, die mich auf den Krone Artikel aufmerksam gemacht haben.
Auf diesem Klassenfoto befindet sich eine besonders schutzwürdige Person:
Damit sie, äh, damit das jeder erkennt, hat „Österreich“ ihr Gesicht nicht zur Unkenntlichkeit verpixelt, wie bei allen Mitschülern, sondern es nur mit einem Balken versehen und rot eingekreist. Und eine ca. 12-fache Ausschnittsvergrößerung davon im Artikel und auf der Titelseite plaziert, damit man auch jene markanten Gesichtszüge klar sieht, die im kleinen Faksimile nicht erkennbar sind. Zu leicht wollte man es der aus Sicherheitsgründen untergetauchten Schülerin (so jedenfalls „Österreich“) dann halt auch nicht machen.
Immerhin, der Name des Mädchens wurde geändert. Und in einem seltsamen Einschub, als müsste man sich entschuldigen, wenn man seinen Lesern völlig irrelevante Details vorenthält, weist man darauf hin:
die hübsche Schülerin einer Schule […] (ÖSTERREICH nennt den Namen aus Datenschutzgründen nicht)
Tja, dafür nennen Fellners Gossengeier, äh, Geistesgrößen den Schulort, zeigen ein eindeutiges Foto des Gebäudes, nennen mehrfach den Namen des Direktors und geben — was bei „Österreich“ fast die Ausnahme darstellt — beim Foto die korrekten Credits an: Dummerweise genau den aus „Datenschutzgründen“ verschwiegenen Namen der Schule.
Zufällig einen Tag später findet sich auch in der Kronen Zeitung, in einer anderen Story, ein Beispiel für Persönlichkeitsschutz erster und zweiter Klasse:
Eigentlich ein ziemlicher Wahnsinn, dass ein und dieselbe Rechtsvorschrift sogar innerhalb eines Fotos auf verschiedene Art umgesetzt wird. Mit Unwissenheit oder uneinheitlichen Vorgaben in den Redaktionen von „Österreich“ und „Krone“ ist das nicht mehr erklärbar. Hier wird erkennbar unterteilt in schutzwürdige und weniger schutzwürdige Personen. Journalistische Willkür der grauslicheren Art.
PS: Ein deutsches Gericht hat 2006 festgestellt, dass selbst Pixelung des Gesichts unzureichend sein kann, wenn charakteristische Details wie Kopfform, Ohren, Frisur oder auch Körperhaltung, weiterhin eine Identifizierung der Person ermöglichen. Für Österreich ist kein entsprechendes Urteil bekannt. Gegen „Österreich“ auch nicht.
Gestern titelte die Kronen Zeitung:
Grammatikschwäche Headline der Kronen Zeitung am 22. Dezember 2010: „Senioren lehren Kinder das Lesen“. Danke an Katrin W. für das Foto.
UPDATE: Diesmal muss ich mich selbst an der PISA-Nase nehmen. Daniel Kürner schreibt auf Facebook:
Nach ‚lehren‘ kommt ein Akkusativ, und der Akkusativ von ‚Kinder‘ lautet ‚die Kinder‘, also ist die Schlagzeile eh richtig! ‚Kindern‘ mit einem n hinten dran wäre der Dativ.
Siehe auch Kommentar von Corinna Milborn. Im 18. Jahrhundert wäre ich vielleicht noch richtig gelegen, aber im 21. ist der Dativ eher falsch.
Update 2: Wie es zu diesem Fehler kam: Irgendwo (Facebook oder Twitter) waren mir gestern hämische Meldungen über diesen „Fehler“ aufgefallen. Als heute jemand obiges Foto auf unserer Facebook-Page postete, machte ich den Gegencheck über Google, fand den Text aber zu meiner Überraschung nur einmal, auf der Homepage der steirischen Grünen – und auch da nur im Google-Cache. Erster Gedanke: Vielleicht ein Fake. Auf Twitter bestätigten aber gleich vier Follower die Echtheit. Auf die Idee, dass mich hier mein spontanes Sprachgefühl (und das der Hinweisgeber) täuschen könnte, kam ich nicht. Bei „Ich lehre dir“ (eher falsch) stellt es mir zwar die Haare auf, aber bei „Sie lehren Kinder das Lesen“ (richtig) ebenso. Wieder was gelernt.
Florian Klenk fragt Krone-Innenpolitikchef Claus Pándi nach Peter „Ich treffe mich mit niemandem“ Gnam:
Es wäre zu schade, wenn dieser Dialog aus dem Inneren der Wiener Medienszene in den Tiefen des Twitter-Nirvanas verschwinden würde.
Ein PS. von Die 4 da:
Danke an Jonas Reis für den Hinweis!
Der nächste PISA-Schock: Österreichs Medien versagen in der Kernkompetenz „sinnerfassendes Lesen und korrekte Wiedergabe einer Studie“…
Die Presse zeigt eine APA-Grafik (s. rechts), in der Mexiko konsequent auf Platz 35 von 34 OECD-Staaten ausgewiesen wird. (Die APA hat in allen drei Ranglisten die Zeile „OECD-Schnitt“ als eigenen Staat mitgezählt.)
Ähnlich erstaunlich, die „Daten & Fakten“ der Kronen Zeitung:
Der Test umfasste 101 Aufgaben, davon 102 aus der Hauptdomäne Lesen, 36 aus Mathematik und 53 aus Naturwissenschaft.
In Wahrheit waren es insgesamt 191 verschiedene Aufgaben. Aber auch diese Zahl ist grob irreführend, da die Schüler jeweils nur einen Bruchteil davon in ihren unterschiedlichen Testheften vorfanden.
Die OÖN berichten:
Den 31-OECD-Staaten [sic!] haben sich mittlerweile 34 Partner-Länder für die Studie angeschlossen.
Und:
Österreichs Schüler sind dabei von Platz 16 auf 39 aus dem Mittelfeld ins hintere Drittel abgestürzt, knapp vor der Türkei, Chile und Mexiko.
Es ist genau umgekehrt: 34 OECD-Staaten und 31 Partnerländer haben am Test teilgenommen. 65 Nationen also insgesamt. Das „hintere Drittel“ begänne demzufolge bei Platz 44 — da muss die 39 noch ein bisschen abstürzen.
Nach der PISA-Auswertung kursieren ja immer zwei Ranglisten: Jene der OECD-Staaten und eine etwa doppelt so lange, die alle teilnehmenden Länder umfasst. Die OÖN haben oben, ebenso wie HEUTE und Wiener Zeitung, unseren OECD-Rang 2006 mit jenem unter allen Ländern 2009 verglichen, wodurch Österreichs ohnehin schlimmer Absturz noch mal um ein paar Plätze dramatischer wirkt.
Als Entschädigung für den unzulässigen Vergleich zieht die Wiener Zeitung immerhin drei Plätze ab und verfehlt damit sowohl die korrekte OECD 31 als auch die 39, die wir im gesamten Testfeld einnehmen:
Besonders tief ist der Fall beim Lesen, auf dem der Schwerpunkt des Tests lag: Von Platz 16 auf Platz 36.
Und wenn Österreich scheitert, ist „Österreich“ ganz vorne (auf dem Titel) mit dabei:
PISA-Test: Österreich ist Letzter in der EU
[…] Unter allen EU-Staaten, die von PISA getestet wurden, liegt Österreich an letzter Stelle.
… wenn man mal von Litauen, Bulgarien und Rumänien absieht, die hinter uns liegen.
Und dann wären da noch jene ungezählten Seelen, die PISA immer noch für eine Stadt in Italien halten, und auch so schreiben…
[Update] Facebook-User Daniel K. hat in einem PISA-Bericht der Krone diesen sehr speziellen Lese(r)test gefunden, den wir euch nicht vorenthalten möchten:
(Danke Josef B. fürs Weiterleiten.)
Es ist eines dieser Urteile, die man sonst nur aus Amerika “kennt”: Weil ein Rentner beim Rasenmähen fröhlich jodelte, und damit seine muslimischen Nachbarn im Gebet störte, wurde er von einem Grazer Gericht zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt.
So jedenfalls berichtete es die Kronen Zeitung diesen Sonntag:
Das Leserforum unter dem Artikel musste mittlerweile geschlossen werden, weil „gegen die Netiquette verstoßende Postings überhandgenommen“ hätten. Ein Euphemismus, der in der Regel andeutet, dass die Moderation mit dem Löschen strafrechtlich relevanter Kommentare nicht mehr nachkam.
Doch wenn die Krone ihre Foren schließt, blüht ihre Saat in anderen erst auf. Manche dort haben Herrn G. dann sogar angerufen und ihm finanzielle Unterstützung für seinen Kampf gegen das Urteil angeboten. Doch das wolle er nicht annehmen, berichteten die Anrufer — und das hat einen guten Grund…
Es gibt nämlich gar kein Urteil. Doch der Reihe nach:
Der Freitag
Helmut G. mähte an einem Freitagnachmittag auf seinem Grundstück in Graz den Rasen. „Und weil ich so gut gelaunt war, hab ich dazu gejodelt und ein paar Lieder angestimmt“, erzählt der Pensionist.
Herr G. dürfte ein überaus fleißiger Rasenmäher und Jodler gewesen sein, deutet man unter Verweis auf die Unschuldsvermutung bei jenem Grazer Gericht an, das den Fall verhandelt hat.
Fast ein ganzes Jahr lang, von 2009 bis Sommer 2010 habe er regelmäßig an Freitagen, immer zur Gebetszeit seiner Nachbarn, den Rasen gemäht und dabei „fröhlich“ gejodelt. Oder auf andere kreative Art das Gebet seiner Nachbarn lautstark gestört und verhöhnt, heißt es sinngemäß in den erhobenen Vorwürfen. Auch nachdem die Lautsprecherübertragungen der Gebete in den Garten längst eingestellt waren, soll er sein Treiben noch monatelang fortgesetzt haben.
Die Anzeige
Das passte seinen Nachbarn, gläubigen Moslems, gar nicht. […] Einige fühlten sich von dem rasenmähenden 63-Jährigen in ihrer Religionsausübung gestört – und zeigten ihn prompt bei der Polizei an.
Die Anklage erfolgte nicht auf Betreiben der Muslime. Nachdem die Polizei auf ihre Bitte mehrmals eingeschritten war, hielt sie es aber für nötig, die Vorfälle an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, musste diese dann von sich aus ein Verfahren einleiten. Aus den Akten gehe laut Gericht hervor, dass die Muslime stets auf eine einvernehmliche Lösung gedrängt hätten.
Das „Urteil“
[Das Gericht] verurteilte einen Pensionisten (63) […] „In der Begründung hieß es, mein Jodler habe wie der Ruf eines Muezzins geklungen“, schüttelt Helmut G. fassungslos den Kopf.
Es gibt keine Verurteilung und damit auch keine Urteilsbegründung. Das Strafverfahren wurde nach Diversion, gegen Zahlung einer Geldbuße, eingestellt. Für Herrn G. gilt daher bezüglich aller genannten Vorwürfe weiterhin die Unschuldsvermutung. Auch wenn er selbst der Diversion ausdrücklich zugestimmt hat.
Epilog
In einem Folgeartikel rühmte sich die Krone gestern, unser Land über die Grenzen hinaus mit ihrer „Exklusivstory“ lächerlich gemacht zu haben:
Vom „irren Jodel-Prozess in Österreich“ berichtet die „Hamburger Morgenpost“, „skurril“ nennt der deutsche „Express“ das umstrittene Urteil: Die „Steirerkrone“-Exklusivstory über den Moslem-Streit in Graz […] schlug Wellen bis über die Landesgrenzen hinaus!
Sogar Johannes B. Kerner wolle den Rentner jetzt in seine Show einladen, heißt es. Na, dann kriegen unsere Freunde vom BILDblog ja vielleicht auch noch was zu tun…
[Update 15:07] krone.at hat alle Artikel zu dieser Geschichte offline genommen (heute war kurzzeitig noch ein dritter Bericht über HC Strache hinzugekommen, der sich über das „Urteil“ empöre und anbot, dem Rentner die Strafe zu bezahlen.)
[Update 22:10] Der Standard zitiert Kobuk in seiner morgigen Printausgabe, worüber wir uns prinzipiell freuen. Allerdings hat der Rentner nicht „ein Jahr täglich“ beim Rasenmähen gejodelt, wie das Blatt schreibt, sondern „nur“ wiederholt an Freitagen die Gebete gestört und das — wie ebenfalls bei uns zu lesen ist — durchaus auch mit anderen kreativen Methoden.
[Update 23:30] Der Standard hat den Artikel tlw. korrigiert und lässt den Rentner nun nicht mehr täglich Rasenmähen.
[Update 4.12.] Die Obersteirischen Nachrichten (ON) verbreiten die Krone-Story noch am 2.12. ungeprüft in ihrem Leitartikel weiter. Er schließt mit der Frage: „Wie dumm sind wir Österreicher samt unseren Gesetzen eigentlich“…? (Danke an Wolfgang K. für den Hinweis)