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und schauen fern.

Kategorie: Heute

„Heute“ schreibt:

1166 Euro/Tag […] 280.000 Euro brutto Jahres-Gage

280.000 Euro Jahresgage / 365 Tage im Jahr = 767 Euro/Tag. Immer noch viel, aber von den berichteten 1166 Euro/Tag weit entfernt.

Das sich „Heute“ mit dem Rechnen schwer tut, ist nicht unbedingt neu.

Dass „Heute“ mit simpler Arithmetik bisweilen auf Kriegsfuß steht, dürfte bekannt sein.

In der Ausgabe vom 28.10. findet sich wieder ein schönes Beispiel: Da berichtet die Gratiszeitung, dass die Österreicher in der ersten Hälfte des Jahres nur 5,7 Milliarden Euro statt wie im Vorjahr 9,6 Milliarden gespart haben. So weit so gut. Das seien laut „Heute“

„114 Euro pro Österreicher“

Kurz nachgerechnet heißt das folgendes:
5,7 Mrd € Gespartes / 114 € pro Österreicher = 50.000.000 Einwohner

Tatsächlich hatte Österreich im Jahr 2009 rund 8.363.040 Einwohner. Mit dieser Information kann man sich auch die richtige Rechnung zurechtbasteln:

8.363.040 Einwohner * 114 € * 6 Monate = rund 5,7 Mrd €

Und damit können wir unser Gewissen zumindest ein bisschen beruhigen, denn pro Österreicher wurden im ersten Halbjahr 684 Euro gespart.

Update: Es handelt sich bei den Zahlen natürlich um Milliarden, nicht „nur“ um Millionen wie vorher von mir geschrieben. Vielen Dank fürs Aufdecken meines Fehlers, Dan!

Eigentlich wollte ich dem geneigten Leser den Kalauer im Titel ersparen, in diesem Fall passt er aber wirklich hervorragend: So publizierte das Gratisblatt am 28. Oktober einen Artikel, der nahezu wortgleich bereits mehr als sechs Monate vorher in Standard, Presse, News oder den OÖN zu lesen war.

Update

„Österreich“ hat diese Meldung sogar noch einen Tag später als „Heute“ veröffentlicht und dabei mit argen Logikproblemen zu kämpfen: So informiert man im Aufmacher, dass nur jeder 7. den Aufnahmetest schafft (ergo 14%), im Fließtext schreibt man jedoch später: „Der Aufnahmetest lässt 40% der Bewerber scheitern“. Danke an meinen Kollegen Yilmaz Gülüm für den Hinweis.

„Heute“ und Heute.at befassen sich mit der angeblich niedrigen Zufriedenheit heimischer Lehrlinge und beziehen sich dabei auf die neueste Handelsumfrage der GPA-djp Bundesjugendabteilung. Abgesehen davon, dass sich die Studie nicht um alle Lehrlinge, sondern hauptsächlich um Handelslehrlinge dreht, sind die genannten Zahlen über weite Strecken falsch.

Es beginnt schon in der zweiten Zeile des Artikels:

Fast 70 % der Lehrlinge müssen zum Teil unbezahlte Überstunden leisten, ihr Lohn ist vielen zu gering.

Laut der Studie haben 70% der befragten Lehrlinge (insgesamt 1531 retournierte Fragebögen) schon Überstunden leisten müssen. Dies deutet jedoch nicht auf den Regelfall hin.

85 % der Lehrlinge haben keine Chance die Reifeprüfung zu absolvieren.

Laut Studie können jedoch nur 24,7% der Befragten nicht an der Berufsmatura teilnehmen.

Sie werden in ihrer Arbeit zu viel gefordert, 69 % leisten Überstunden, 42% sogar freiwillig – zum Teil ohne Bezahlung.

Ganz so stimmen diese Zahlen nicht, 70% der Befragten haben schon einmal Überstunden leisten müssen und davon 41,7% freiwillig. Kurz nachgerechnet leisten somit 29,2 % der befragten Lehrlinge freiwillig Überstunden.

Denn fast jeder zweite Lehrling hat Angst, seine Stelle zu verlieren, obwohl 55% der Befragten angaben, nicht den Wunschberuf zu lernen.

Insgesamt haben 22,9% der befragten Lehrlinge, und somit nicht jeder zweite, Angst ihre Lehrstelle zu verlieren und nicht 55% sondern 45,7% der Befragten lernen nicht in ihrem Wunschberuf.

Ganz so hoffnungslos schaut die Zukunft unserer Lehrlinge doch nicht aus.

Viel Ausdauer und vor allem Zeit brauchen die WienerInnen, wenn es laut der „Heute“ ums Pendeln geht: 

27 Minuten sitzen die Wiener durchschnittlich in den Öffis auf dem Weg zur Arbeit, so eine aktuelle Studie. Hin und retour ergibt das satte 270 Stunden pro Monat oder 10 Tage pro Jahr – Fahrten in der Freizeit nicht mitgerechnet.

"Heute" am 22. Oktober 2010, S. 15

„Heute“ lässt die WienerInnen somit 56 Prozent des Tages in Öffis verbringen: 270 Stunden im Monat sind bei 20 Arbeitstagen im Monat 13,5 Stunden reiner Arbeitsweg pro Tag.

Rechnet man mit 223 Arbeitstagen pro Jahr, so ergibt eine tägliche Arbeitsfahrt von 54 Minuten hin und retour 200 Stunden oder 8,36 Tage Fahrzeit im Jahr – also deutlich weniger als die monatliche Fahrzeit laut „Heute“.

Um welche „aktuelle“ Studie es sich handelt, war nicht in Erfahrung zu bringen.

Mehr als 3000 SMS senden und empfangen Jugendliche im Monat- also etwa 100 am Tag. Zu diesem Ergebnis kommt eine Experten-Studie.

Dieses interessante Ergebnis war in der Rubrik „Österreich Heute“ in „Heute“ vom 19.10. zu lesen. Die Tageszeitung beruft sich dabei jedoch keienswegs auf das SMS-Nutzungsverhalten von österreichischen Jugendlichen. Die zitierte Studie von Nielson Wire hat nämlich lediglich Daten von U.S-Jugendlichen erhoben und ausgewertet.

Vielleicht sind die Jugendlichen hierzulande jenen in den USA ja ähnlich, könnte man sich bei „Heute“ gedacht haben. Blöd nur, dass am 27.9. der örtliche Mobilfunkbetreiber tele.ring die Ergebnisse einer heimischen SMS-Studie veröffentlich hat. Demnach liegt der Durchschnitt bei den Österreichern zwischen 14 und 27 bei lediglich 15,3 SMS täglich. Der „Heavy User“, also jeder Zehnte, verschickt 30 SMS pro Tag und damit immernoch deutlich weniger als „Heute“ berichtet.

Immerhin bringt „Heute“ die Ergebnisse der überraschenden Studie, wenn auch in der falschen Rubrik. Ganz so überraschend ist die Nielson Wire Studie aber eigentlich gar nicht. Denn schon im April veröffentlichte Pew Internet eine Studie, deren Ergebnisse sich inhaltlich mit jenen der Nielson Wire Studie fast gänzlich decken. So steht bereits dort, dass jeder dritte US-Jugendliche am Tag über 100 SMS sendet. Der Unterschied zur Nielson Wire Studie: Hier spricht man von gesendeten und empfangenen SMS.

Die Medien waren sich uneinig, in welcher Tiefe die Kumpel eingeschlossen waren. Sie haben sich nicht nur untereinander widersprochen- auch innerhalb eines Mediums gab es keine einheitlichen Nennungen.

Am 12.10 berichtet der Online-Ableger von „Österreich“, die Bergleute seien in einer Tiefe von mehr als 600 Metern eingeschlossen. Einen Tag später, am 13.10 um 08:46 Uhr waren es exakt 620 Meter. Bereits am Abend des selben Tages war der Schutzraum jedoch in 700 Meter Tiefe.

Die Tageszeitung „Heute“ berichtet am 12.10 über einen 700 Meter tiefen Schutzraum. Am 13.10 waren es exakt 622 Meter. Am nächsten Tag 624 Meter. Kurios ist auch, dass „Heute“ berichtet, 29 Angehörige der Kumpel würden insgesamt 8,8 Millionen Euro fordern. Krone.at berichtete zwei Wochen zuvor von 27 Angehörigen, die insgesamt 27 Millionen Dollar fordern würden. Das entspricht einem Wechselkurs von 1:3.

Auch bei den „Qualitätsmedien“ wurden enorme Höhenunterschiede beobachtet. Derstandard.at ist sich am 11.10 sicher, die Kumpel seien in einer Tiefe von 624 Meter eingeschlossen. Allerdings steht schon auf dem Fotocredit, dass die Kumpel in 700 Meter festsitzen würden. Einen Tag darauf fällt der Schutzraum dann offiziell auf 700 Meter ab. Schließlich klettert der Raum am 13.10 jedoch wieder auf 622 Meter. Am 14.10 einigte man sich auf über 600 Meter Tiefe.

Beim ORF konnte man die Bewegungen des Schutzraums quasi im Minutentakt verfolgen. Hannelore Veit berichtet in einer ZiB-Special um 20:15 von 620 Meter Tiefe.  Gegen Mitternacht wusste ihr Kollege Roman Rafreider in der ZiB 24, dass die Kumpel in 622 Meter Tiefe festsitzen würden.

Die New York Times rechnete sich übrigends eine Tiefe von knapp einer halben Meile aus, was etwas weniger als 800 Metern entspricht.

Eine knifflige Situation für Journalisten, keine Frage. Was tut man da am besten? Man kann etwa dem Beispiel von Armin Wolf in der ZiB 2 folgen. Obwohl Chile knapp elf Minuten- der insgesamt 28 Minuten langen Sendung- gewidmet wurden, kam es zu keiner Nennung bezüglich der Tiefe. Frei nach dem Motto also: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal…“

„Heute“ und Heute.at warnten letzten Freitag pünktlich zum Start ins Wochenende:

Laut Statistik passieren vor dem Wochenende die meisten Unfälle mit Personenschaden. Österreichweit sind das 6398 an jedem Freitag – das bedeutet alle vier Minuten ein Crash. Die meisten „Treffer“ gibt es übrigens zwischen 14 und 15 Uhr!

Kurz nachrechnet: 6398 Crashes, alle vier Minuten einer – ein Freitag dauert also 25.592 Minuten, rund 427 Stunden. Ein Blick in das Basic Fact Sheet für Unfallkennzahlen des Verkehrsministeriums weiß hier etwas zu beruhigen: Es waren rund 6400 Unfälle an allen Freitagen des Jahres 2009 zusammen, nicht an jedem.

Woher die 4-Minuten-Taktung stammt, bleibt leider genauso im Unklaren (richtig wäre: alle 12 Minuten) wie die „meisten Treffer“ zwischen 14 und 15 Uhr, denn die fanden zwischen 17 und 18 Uhr statt. Ein Faktum stimmt immerhin in dem Artikel: Freitag.

Update (by HF): Kobuk-Leser „CD“ hat in den Kommentaren das Rätsel gelöst, wie die „Heute“-Redaktion auf „alle vier Minuten ein Crash“ kommt: 6398/(60*24) = 4,4. Nur.. das wären vier Unfälle pro Minute, nicht vier Minuten pro Unfall. In wievielen Details ein einzelner Artikel falsch sein kann, ist immer wieder ein Erlebnis. Oder wie die Amerikaner sagen würden: *facepalm*.

Ein Gericht verbietet dem TV-Sender RTL per einstweiliger Verfügung, Nacktszenen der preisgekrönten deutschen Schauspielerin Sibel Kekilli zu zeigen. Kekilli hatte im Alter von 22 Jahren in einem Porno mitgespielt.

Nach so vielen Jahren hat sie es nicht mehr zu dulden, dass die Szenen im Fernsehen ausgestrahlt werden.

..zitiert das Gratisblatt „Heute“ sowie Heute.at das Gericht. Und illustriert den Artikel ausgerechnet mit einer Nacktszene aus besagtem Porno. „Deutschland-Verbot, bei der APA im Archiv“ lautet die speicheltriefend-heuchlerische Rechtfertigung in der Bildunterschrift. Das Kammergericht Berlin hat der BILD außerdem schon 2004 verboten, Nacktszenen aus dem Film abzudrucken. Aber solang’s die APA im Archiv hat..

Die Headline „Verbot ihrer Sexfilme“ ist übrigens schlichtweg falsch, der Gerichtsentscheid bezog sich nur auf eine Ausstrahlung auf RTL.

„Heute“ am Montag:

Schock-Studie: Unsere Kids suchen im Web nach „Sex“
Immer mehr Kinder suchen in der virtuellen Internet-Welt nach Antworten auf erste erotische Fantasien: Selbst bei den unter Siebenjährigen (!) rangiert das Wort „Porno“ auf Platz 4 der am häufigsten verwendeten Suchbegriffe. […] Das ergab eine aktuelle Uni-Studie. Erstmals werteten Wissenschafter die Suchbegriffe minderjähriger Computernutzer aus […]

Die spannendste Nachricht verschweigt uns „Heute“ freilich: Die „Universität“, an der diese „wissenschaftliche“ Studie über „unsere“ Kids durchgeführt wurde, notiert an der NASDAQ. Es handelt sich nämlich um den Software-Hersteller Symantec in Kalifornien.

Erforscht wird dort höchstens, wie man den Absatz seiner eigenen Sicherheitslösungen steigert. Zum Beispiel von „Norton Online Family“, einem Internetfilter mit dem besorgte Eltern das Surfverhalten ihrer Kleinen rigoros überwachen und einschränken können.

Bereits im Dezember 2009 (soviel zum Thema „aktuell“) hat Symantec jene Liste der Top 100 Suchbegriffe unter Kindern veröffentlicht, aus der „Heute“ zitiert. Das Unternehmen hatte dazu anonym Suchanfragen ausgewertet, die über jene Accounts der Filtersoftware liefen, die Eltern für ihre Kinder eingerichtet hatten.

Diese Vorgangsweise erlaubt zwar beeindruckende soziographische Auswertungen, deren Aussagekraft dürfte sich allerdings aufgrund methodischer Schwächen etwa umgekehrt zur PR-Wirkung verhalten:

  • So wurden nur Suchanfragen von Kindern erfasst, deren Eltern die Filtersoftware (ev. nach konkreten Anlässen?) installiert haben.
  • Das Tool könnte auch vorzugsweise in Familien und Ländern (soviel zum Thema „unsere“ Kids) installiert werden, die einen — nun ja — eher bigott-prüden Umgang mit Sexualität pflegen. Wie Kinder auf Verbote und Tabus reagieren, sollte niemanden überraschen.
  • Ev. wollten diese Siebenjährigen und noch Jüngere auch gar nicht ihre „ersten erotischen Fantasien“ befriedigen, wie „Heute“ unterstellt, sondern erst mal nur nachschlagen, wovon die anderen da die ganze Zeit reden?
  • Vielleicht hat Papa in der Nacht auch einfach nur vergessen, sich mit dem richtigen Account einzuloggen?

Die Antwort, warum selbst unter den Kleinsten schon so viele nach „Sex“ und „Porn“ gesucht haben, könnte aber auch noch viel banaler sein:

  • Stellt euch mal kurz vor, ihr seid Vater oder Mutter und habt diesen neuen Internetfilter installiert. Wie würdet ihr nun testen, ob er auch tatsächlich funktioniert…?