Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: Heute

„Als Einbrecher-Hochburg im deutschsprachigen Raum führt Wien das Ranking einer Städte-Studie an. Jeder achtzigste bewohnte Haushalt in der Bundeshauptstadt wurde bereits einmal von einem Einbrecher geknackt.“

Mit diesen beiden Sätzen beginnt ein Artikel der Gratis-Zeitung „Heute“ vom 21. November 2017 zum Thema „Wo die Kriminellen in Wien zuschlagen“. Begibt man sich nun auf die Suche nach der erwähnten Studie – zu der es keine Quellenangabe im Text gibt – wird man doch relativ schnell stutzig, denn die Studie scheint nicht auffindbar.

Man stößt allerdings auf einen Beitrag des Onlineportals trend.at vom 15.08.2012, in dem es heißt:

„Als Einbrecher-Hochburg im deutschsprachigen Raum führt Wien das Ranking der Städte-Studie an. Jeder achtzigste bewohnte Haushalt in der Bundeshauptstadt wurde bereits einmal von einem Einbrecher geknackt.“

Wort für Wort ident mit dem Artikel aus „Heute“. Der Artikel von trend.at bezieht sich auf eine Studie des Online-Portals geld.de aus dem Jahr 2011, die allerdings inzwischen nicht mehr auffindbar ist. Jedoch erfährt man aus einem Artikel der Presse, dass die Zahlen, die der Studie zu Grunde liegen, aus dem Jahr 2009 stammen.

Heute schreibt also nicht nur von trend.at ab, sondern bezieht sich auch auf acht Jahre alte Zahlen.

Kann man nun aber noch immer behaupten, dass Wien die Einbrecher-Hochburg des deutschsprachigen Raumes wäre? Diese Frage kann ganz klar mit NEIN beantwortet werden. Der Vergleich mit beispielsweise Hannover macht sicher:

Im Jahr 2016 gab es in Wien laut Statistik Austria insgesamt 901.900 Privathaushalte, dem gegenüber stehen 6.173 Einbruchsdiebstähle in Wohnungen und Wohnhäuser. Daraus ergibt sich, dass in Wien 2016 in etwa jeden 146. Haushalt eingebrochen wurde, was einen deutlichen Rückgang gegenüber der Zahlen aus dem Jahr 2009 darstellt. Zum Vergleich: in Hannover wurde im Jahr 2016 etwa in jeden 101. Privathaushalt eingebrochen, was einen deutlich höheren Wert als jenen des selben Jahres in Wien darstellt. Das Beispiel Hannover soll nur beweisen, dass Wien nicht die „Einbrecher-Hochburg im deutschsprachigen Raum“ ist und soll nicht heißen, dass diese nun Hannover wäre.

Über die Gründe wieso hier dermaßen schlampig gearbeitet wurde, kann man nur mutmaßen. Betrachtet man die Seite, auf der der Artikel erschien jedoch als Ganzes, beschleicht einen ein Verdacht. Gleich drei Inserate zum Thema Einbruchsprävention scheinen direkt unter besagtem Artikel auf. Ein Schelm, wer böses denkt.

Da wundert es auch nicht, dass „Heute“ verschweigt, dass die Einbrüche in Wien weniger werden (PDF S. 72).

Heute, Österreich und die Krone berichteten über die gestiegenen Gefahren für AMS-Mitarbeiter, übertreiben dabei maßlos und vergleichen Äpfel mit Birnen. Um 163 Prozent sollen die Angriffe auf AMS Mitarbeiter laut den Boulevardblättern gestiegen sein. 163 Prozent – das klingt nach einem schlimmen Skandal: Nach „Horror-Statistik“ und „Telefon-Terror“.

horrorstatistikTatsächlich sind die Berichte aber kompletter Blödsinn. Das sieht man, wenn man sich die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ansieht, aus der die Zahlen stammen.

Die Übergriffe werden hier in zwei Kategorien geteilt: Jene an der Telefon-Hotline und jene in den Geschäftstellen.

An der Hotline stiegen die verbalen Übergriffe in Wien tatsächlich von 82 auf 450 an – ein Plus von etwa 450 Prozent. Eine Fußnote an dieser Stelle verrät jedoch, dass Wien im Jahr 2015 die Erfassungsmethodik änderte. Und genau deshalb ist es Unfug die Zahlen miteinander zu vergleichen.

163Bis 2014 wurden nur dann Zahlen erhoben wenn ein Mitarbeiter sich bedroht oder persönlich beleidigt fühlte und dies von sich aus meldete. Ab 2015 ordnete das AMS an, über jeden Übergriff Statistik zu führen. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, wirklich jeden Vorfall zu dokumentieren, unabhängig von den persönlichen Empfindungen, wie ein Sprecher des AMS auf Rückfrage erklärt. Dadurch tauchen in der Statistik zwar viel mehr Fälle auf, es lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich der Alltag für die Mitarbeiter im vergangenen Jahr tatsächlich verändert hat.

In der zweiten Kategorie, den Geschäftstellen, sind die Angriffe in Wien um 40 Prozent gestiegen, auf 260 Fälle. Gemeint ist aber nicht nur körperliche Gewalt, sondern etwa auch mündliche und schriftliche Beschimpfungen. Eine Fußnote verrät auch hier, dass 137 dieser schriftlichen Angriffe nur eine Geschäftsstelle betrafen und „zum überwiegenden Teil einer Person zuzuordnen sind.“ Auch dieser Anstieg ist also kaum aussagekräftig. Die Krone und Heute erwähnen diese Person sogar, allerdings nur im direkten Zusammenhang mit den Angriffen, nicht jedoch bei der Interpretation des behaupteten Gesamtanstiegs.

Generell lassen sich von so kleinen Zahlen kaum handfeste Trends ableiten, wie genau solche Beispiele zeigen. Denn wenn eine einzige Person die Statistik derart verfälschen kann, wo bleibt dann die Relevanz?

Einige erinnern sich bestimmt noch an die „Heute“-Story von den vermeintlichen Dschihadisten im Gemeindebau, die wir kürzlich auf Facebook hatten:

HEUTE, 19.2.2015, S1

„Heute“ versucht laut Eigenwerbung zwar, schlechten Journalismus wegzulassen, aber wenn er schon mal da ist? Von loslassen war nicht die Rede. Und so wurde diese Falschmeldung am nächsten Tag nicht nur nicht korrigiert, sondern sogar noch ein Artikel nachgelegt:

HEUTE, 20.2.2015, S8

Das Perfide: Auch die „Heute“-Redaktion wusste zu diesem Zeitpunkt bereits nachweislich, dass für die Polizei praktisch kein Terrorverdacht mehr vorlag. Dennoch behauptete das Gratisblatt wider besseres Wissen weiterhin, es handle sich um eine „Dschihad-Wohnung“ und die Polizei sei darin auf „Terrormaterial“ gestoßen. Dazu noch ein Foto vom „Tatort“-Gemeindebau. Dort gab’s zwar nie eine Tat, dafür aber in „Heute“ die genaue Adresse (inkl. Stockwerk!) der unschuldig Terrorverdächtigten.

Welche dramatischen Folgen diese Art von „Journalismus“ für die drei jungen Männer hatte, hat das ORF ZIB-Magazin gestern in einem bemerkenswerten Beitrag aufgezeigt:

Kurzfassung:
Einer hat den Job verloren. Die Wohnung wurde gekündigt. Der Briefkasten beschmiert. Die unmittelbare Wohnumgebung mit Parteiflugblättern aufgestachelt.

fpoe_gemeindebau_dschihad_flugblatt

Wer nach solchen Erlebnissen noch friedvoll bleibt, der muss schon stark im Glauben sein.

 

PS: Dominik Lagushkin hat in seinem Blog eine äußerst lesenswerte Chronologie der Ereignisse zusammengestellt.

PPS: Kurier und Profil haben die jungen Männer bereits einige Tage vor der ZIB besucht und Artikel mit weiteren interessanten Details veröffentlicht.

PPPS:
Guter Journalismus beginnt damit, dass man schlechten weglässt. ("Heute", Eigenwerbung)

In der Ausgabe vom 20.01.2015 liefert „Heute“ die wichtigsten Tipps für eine perfekte Hochzeit. Die perfekte Hochzeitswerbung würde es besser treffen, denn für jeden Tipp lässt sich ein passendes Inserat auf der gleichen Seite finden:

Heute Hochzeitswerbung

Sieht fast so aus, als hätten die Werbekunden den Artikel gleich selbst geschrieben. Ärgerlich nur, dass dieser „Artikel“ nicht als Werbung gekennzeichnet ist. Rechtlich ist das so vorgesehen: Redaktionelle Artikel und Werbung müssen erkennbar zu unterscheiden sein. Sonst fällt das unter Schleichwerbung – aber sollte der „Heute“ Redaktion ohnehin schon hinlänglich bekannt sein.

 

 

Am Dienstag berichtete “Heute” in ihrer Titelstory vom tragischen Mord einer gewissen Serena B. (27), die im Urlaub vergewaltigt und erschlagen wurde. Dem Bericht zufolge “reisten Familie und Freunde jetzt nach Wien, um ihre Asche in der Donau zu verstreuen”.

Blöd nur, dass das Ganze vor 32 Jahren passiert ist!

heute-asche-titel

heute-asche-berichtChristopher Booker, der von “Heute” erwähnte Bruder, ist selbst Journalist. Letzte Woche erschien ein Artikel von ihm, in dem er den Vorfall bezüglich seiner Schwester detailliert schildert: Ermordet wurde sie 1982 – ihre Asche wurde ein Jahr später in die Donau verstreut.

Laut “Heute” könnte der mutmaßliche Mörder von Serena auch ein britisches Urlaubspärchen ermordert haben. Gemeint sind offenbar David Miller und Hannah Witheridge, welche im Artikel von Serenas Bruder erwähnt werden. Die beiden Rucksacktouristen sind im September 2014 tot aufgefunden worden – Serenas mutmaßlicher Mörder ist allerdings selbst schon seit über 30 Jahren tot. Wenn er also heuer im September zwei Menschen umgebracht haben soll, dann muss er wohl so etwas wie eine wandelnde Mumie sein. Außerdem hat die Polizei die mutmaßlichen Mörder von Miller und Witheridge bereits geschnappt.

Anscheinend ist “Heute” auf ihr “Versehen” aufmerksam geworden – die Online-Version des Artikels wurde bereits gelöscht. Doch als Titelgeschichte der meistgelesenen Zeitung Wiens dürfte sie dennoch der eine oder andere Leser zu Gesicht bekommen haben.

„Heute“ feiert 10. Geburtstag. Für die Fans gibt es schmerzbefreite Politiker-Selfies auf Twitter, für die anderen „Dossier“. Doch während das Alter von „Heute“ feststeht, ist das Alter seiner Herausgeberin auf Wikipedia erstaunlich umkämpft. Und das führt zu überraschenden Einsichten.

Über dreieinhalb Jahre hat jemand auf Wikipedia immer wieder versucht, das Geburtsjahr Eva Dichands von 1973 auf 1975 zu ändern. Seit Ende 2010 stammten alle diese Fälschungsversuche direkt von einer IP-Adresse des „Heute“-Verlags. Stets wurden diese anonymen Änderungen von anderen Wikipedia-Autoren wegen fehlender Belege abgewehrt.

Im Mai 2012 stellte „Heute“ dann aber selbst einen falschen, verjüngten Lebenslauf von Eva Dichand als PDF auf Heute.at online. (Sollte die Datei zwischenzeitlich gelöscht werden, hier eine Kopie). Kurz darauf vermerkte der oder die anonyme Autorin aus dem „Heute“-Verlag diese „offizielle“ Quelle. Und seither steht stand auf Wikipedia bei der „Heute“-Chefin ein falsches Geburtsjahr:

evad-dichand-wp

Bevor nun Zweifel aufkommen: Eva Dichand ist tatsächlich 41, und damit zwei Jahre älter als man uns glauben machen will. Das ist notariell im Firmenbuch beglaubigt:

Musterfirmazeichnung_Eva_Dichand

Wir wollen hier aber gar nicht weiter auf dem Alter Eva Dichands herumreiten. Viel spannender ist, was der oder die anonyme Autorin oder die Autoren unter den diversen IP-Adressen auf Wikipedia sonst noch so getrieben hat oder haben.

Wikipedia-User, die Eva Dichand verjüngten, editierten demnach auch:

Auflagezahlen, Erfolgsmeldungen und PR-Details der Gratiszeitung „Heute“.

Gesundheitstipps für Trägerinnen von hohen Absätzen.
Sticheleien gegen den Journalistenkollegen Christian Ortner:

„Ortner vertritt in seinen Artikeln, Kommentaren und Kolumnen eine intellektuell eher schlichte Variante des Wirtschaftsliberalismus.“

Sehr viele Sticheleien gegen das Konkurrenzblatt „Österreich“:

„Das Blatt hat noch immer schwere logistische Probleme im Vertrieb.“

„In Wien wurden unzähliche [sic!] Entnahmeboxen – ähnlich denen der Gratiszeitung HEUTE- vor den U-Bahnabgängen im Freien aufgestellt. Bei schlechtem Wetter bleiben diese meist zu [sic!] großteil [sic!] voll.“

„Das Tageszeitungsprojekt wurde allerdings nicht wie erwartet vom Markt angenommen. […] Im Gegensatz zu seinen Magazingründungen bläst Fellner hier eisiger wind [sic!] entgegen. Die kolportierten 60 Mio. Anfangskredit mußten [sic!] bereits verdoppelt werden. ein Großteil der Auflage wird durch Gratisverteilungn [sic!] erzielt.“

➡ Und dann bringt „Heute“ noch das bemerkenswerte Kunststück zuwege, ein Gerücht anonym zu streuen und gleichzeitig „mit Nachdruck“ zu verneinen:

„HEUTE gilt für Brancheninsider als das Abwehrprodukt der Mediaprint gegen die neue Tageszeitung ÖSTERREICH, die zum Großteil ebenfalls gratis verteilt wird. Eine Verbindung zwischen Mediaprint bzw. der Familie Dichand wird von beiden Seiten mit Nachdruck verneint.“

Ein Gerücht, das angesichts der vom Rechercheteam „Dossier“ dokumentierten Fidelis-Connection zwar harmlos scheint, aber das die WAZ als Hälfte-Eigentümerin der „Krone“ brennend interessieren dürfte. Denn ohne die Zustimmung der WAZ war es Hans Dichand versagt, neue Zeitungen zu gründen. Interessant, dass dies vom „Heute“-Verlag offenbar selbst in den Raum gestellt wurde. Wenn auch – vermeintlich – anonym und „mit Nachdruck“ verneinend.

Neugierig geworden auf noch mehr „Heute“-Interna, -Rätsel und -Zusammenhänge? Die Kollegen bei „Dossier“ haben da so einiges zusammengetragen.

 


Zur Erklärung: Viele Links in diesem Artikel führen zu einer „Änderungsansicht“ auf Wikipedia, die die Unterschiede einer Bearbeitung zur Vorversion eines Artikels darstellen. Einfach linke und rechte Seite vergleichen.

Wir legen Wert auf die Feststellung, dass wir über keine Beweise verfügen, dass all diese Wikipedia-Bearbeitungen tatsächlich von Frau Dichand persönlich oder auf ihre direkte Anweisung hin entstanden wären, oder ob hinter den Änderungen eine Person oder eventuell auch mehrere, sich eine IP-Adresse teilende Personen standen. Jeder möge sich anhand der dokumentierten Fakten selbst eine Meinung bilden.

(Danke an @dossier für den Hinweis in dieser Sache gestern auf Twitter!)

Medien übernehmen Lobby-Studie, ohne für ihre Leser eine journalistische Einordnung vorzunehmen.

Diese APA-Meldung hat’s in einige Medien geschafft — ganz prominent aber auf die Titelseite von „Heute“:

(HEUTE, 3.6.2014)Tempo 30 macht Luft in Wien nicht besser!
[…] Mit Tempo 30 wird alles besser, argumentieren Verkehrsclub Österreich und Grüne gern. Doch das stimmt nicht, fanden Forscher der TU Wien jetzt zur eigenen Überraschung heraus.

Die Wissenschaftler der TU Wien geben sich persönlich überrascht, was die Studie gleich noch ein bisschen sensationeller macht. Doch das ist — gelinde gesagt — höchst erstaunlich. Denn unter Experten außerhalb der TU ist schon seit Jahrzehnten bekannt, dass Tempo 30 zwar viel für Sicherheit und Lärmempfinden bringen kann, aber nur wenig für die Luftgüte einer ganzen Stadt (PDF). Immerhin läuft dazu seit 1992 ein großangelegter „Feldversuch“ in Graz, der auch intensiv wissenschaftlich begleitet wurde.

Schon lange weiß man: Bei schlechter Umsetzung von Tempo 30, wenn der Verkehrsfluss gehemmt würde, könnte die Schadstoffbelastung sogar signifikant steigen. Erwartet man hingegen starke Lenkungseffekte, u.a. durch mehr Nutzung von Auto-Alternativen, könnten die Emissionen deutlich sinken. Damit ist seit Jahren klar, an welchen Hebeln gedreht werden muss, möchte man in der teils ideologisch gefärbten Debatte ein gewünschtes Ergebnis erzielen.

In dieser Presseaussendung zur aktuellen Studie liest sich das dann so:

Prof. Bernhard Geringer, TU Wien: „Tempo 30 ist keine sinnvolle Maßnahme zur Hebung der Luftqualität […] – bauseitige Verkehrsberuhigungen erhöhen sogar deutlich den Emissionsausstoß gegenüber Tempo 50“ […] im Sinne „Schwellen machen Abgas“.

Richtig abenteuerlich wird es aber in der Emissions-Studie selbst. Die widmet sich, obwohl das gar nicht ihr wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand war, abschließend (auf Seite 11) noch dem Punkt „Sicherheit“ und befindet auf gezählten neun Zeilen:

3.4 Sicherheit
In Ermangelung einer eigenen Untersuchung zur Sicherheit soll hier nur […] auf die […] relativ günstige städtische Unfallbilanz verwiesen werden. Das hohe technische Sicherheitsniveau moderner mehrspuriger Fahrzeuge […] lassen [sic!] keine nennenswerten Änderungen in den Unfallfolgen erwarten.

Zu diesem wissenschaftlichen Höhepunkt nur so viel: Bei Unfällen in Tempo-30-Zonen sterben z.B. knapp 8 % der angefahrenen Fußgänger. Bei Tempo 50 werden fünfmal (!) so viele Menschen getötet (Quelle: S 12 in diesem PDF). Manche Wissenschaftler dürften das durchaus „nennenswert“ finden.

Bei derart offensichtlichem Spin könnte man als Journalist schon mal auf die Idee kommen, eine zweite Meinung einzuholen. Die APA hat darauf leider verzichtet. Ö1 und ORF Science haben’s vorbildlicherweise trotzdem gemacht.

Und „Heute“ hat ihren Lesern leider sogar die APA-Information unterschlagen, für wen diese TU-Studie erstellt wurde. Hier, live vom Titelblatt:

Studie TitelblattÖsterreichischer Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK)
Arbeitskreis der Automobilimporteure [Industriellenvereinigung]
Bundesgremium Fahrzeughandel [Wirtschaftskammer]

Leseempfehlung:
Journalismus im Bett mit der PR: 50% reiner Spin (Kobuk, 3.12.2010)

Etwas Besseres kann einem Amokläufer nicht passieren:

  • Sein Name wird weltweit bekannt.
  • Medien zeigen ihn nur in vorteilhaften Bildern und Posen, die der Mörder vor der Tat selbst gezielt ausgewählt hat.
  • Journalisten verbreiten ausführlich seinen „Leidensweg“, den der Täter praktischerweise druck- und sendefertig hinterlassen hat.
  • Seine Opfer — und Menschen, die ihn angeblich zur Tat „getrieben“ haben — lernt man fast nur aus Sicht des Verbrechers kennen. Er bestimmt den ersten Eindruck, den die Öffentlichkeit von ihnen hat. Wie sie ihn angeblich erniedrigt oder zurückgewiesen haben und wie all dies scheinbar zwangsläufig zur Tat führen musste.
  • Alle Namen, die der Täter in seinem „Vermächtnis“ nennt, werden ans Licht gezerrt.
  • Von ihm Beschuldigte — manchmal sogar Hinterbliebene der Opfer — müssen sich öffentlich für Verhalten rechtfertigen, das die Tat ausgelöst haben soll.

Ein Verbrecher steuert posthum die ganze Medienarbeit.

Wie weit das gehen kann, zeigt sich exemplarisch am Beispiel einer jungen Frau, die zum Glück kein Opfer ist — zumindest nicht des Täters. Sie wird vom Gratisblatt „Heute“ (und weltweit von Medien ähnlicher Machart) an den Pranger gestellt, weil sie angeblich Schuld am Amoklauf sein soll:

(HEUTE, 28.5.2014, S. 2)

Amoklauf: Weil ihm diese Blondine das Herz brach?
„Jungfrauen-Killer“ […] tötete sechs Menschen — weil ihn die Blondine M████ M██ abgewiesen hatte, wie er in seinem Manifest [sic!] schreibt.



Die „Blondine“ auf dem gestohlenen Facebook-Bild war übrigens zehn Jahre alt, als sie dem späteren Amokläufer „das Herz brach“.

Der Tageszeitung „Heute“ ist es wieder einmal gelungen, außerordentliche Nachrichten zu veröffentlichen. Am 30. Oktober berichtet das Blatt von der ersten Nationalratssitzung und schreibt von einer angriffigen Rede des „Abgeordneten“ Karl Öllinger von den Grünen. Das Problem dabei: Karl Öllinger sitzt nicht mehr im Nationalrat.

Heute Artikel 30.10.2013Angriffig Öllinger (Grüne): Raiffeisen Medien hätten Untersuchungen gebremst. Minderheiten müssen U-Ausschuss einsetzen können. FP-Applaus.

 Gemeint war vermutlich die Rede von Öllingers Parteikollegen Werner Kogler.

Auf seiner Facebookseite war Öllinger sichtlich überrascht.

Bildschirmfoto 2013-11-04 um 14.44.01

 Ob die Journalisten bei „Heute“ neuerdings Geister sehen, oder einfach schnell was zur Sitzung schreiben mussten, bleibt wohl ein Rätsel.

Disclaimer: Neben meinem Studium an der Universität Wien bin ich auch Mitglied der Wiener Grünen und Bezirksrat in Wien. Während des Wahlkampfes war ich Teil des Grünen Kampagnenteams. Für meine Artikel im Rahmen der Lehrveranstaltung „Kobuk“, versuche ich aber ausschließlich objektive Medienkritik zu üben und meine parteipolitischen Meinungen außer Acht zu lassen.

Update: „Heute“ hat den Fehler schneller als wir erkannt und am Folgetag ein Erratum gedruckt. Herzlichen Dank an den „Heute“ Politik-Ressortleiter Erich Nuler, der uns darauf aufmerksam machte.

heute-erratum

„Heute“ hat es bekanntlich nicht so mit der Wahrung von Persönlichkeitsrechten. So auch im Fall der niedergestochenen Amida M. Diese hat ihre Rechte anscheinend mit ihrem Tod verloren und der Gratiszeitung überschrieben.

HEUTE-Print vom 28.10.13 (Seite 9)

HEUTE-Print vom 28.10.13 (Seite 9)

Im Bild zum Artikel misst „Heute“ gleich mit dreierlei Maß:  Der zweijährige Bub wird großzügig verpixelt. Die Verstorbene wird gar nicht unkenntlich gemacht. Und der mutmaßliche Täter kriegt einen kleinen Pseudo-Balken vor die Augen. Solche Balken sind zwar weit verbreitet, sind aber laut Medien – und Urhebergesetz keine ausreichende Anonymisierung, weil die Person weiterhin identifizierbar ist. Anständig geschützt ist somit nur der Zweijährige.

Fraglich ist auch, ob „Heute“ überhaupt die Rechte am Foto besitzt – als Quelle ist lediglich „Privat“ angegeben.

Davon abgesehen stellt „Heute“ den nicht rechtskräftig Verurteilten vor vollendete Tatsachen:

Mit einem Küchenmesser metzelte der polizeibekannte Schläger seine Gemahlin nieder. (…) Passanten überwältigten Berserker Fazil M. (Hervorhebung von uns)

Es gilt die Unschuldsvermutung, auch für „Heute“.