
Da erlaubt sich jemand einen Spaß und erstellt unter Osama Bin Lah Den ein Profil auf Facebook. Der Nachrichtenagentur AFP ist Sensation der Sperrung des Profils durch Facebook eine eigene Meldung wert, mit dem überraschenden Zusatz:
Das Unternehmen geht allerdings nicht davon aus, den El Kaida-Chef persönlich als Mitglied zu haben.
Als eine der wenigen deutschsprachigen Medien war diese Meldung DerStandard.at einen Artikel wert. Danke, das sind die News, die wir täglich brauchen!
Nachricht (Journalismus)
„Die Nachricht ist eine journalistische Darstellungsform und teilt eine Neuigkeit mit […].“
Boulevardisierung
„[…] Die Auswahl der Nachrichten orientiert sich […] nicht mehr ausschließlich an journalistischen Aktualitätskriterien […].“
Update: Da habe ich ORF.at Unrecht getan, ein ganz wenig. Denn diese Boulevard-Meldung ohne Newswert wurde ihm offenbar — man höre und staune — von der APA als Nachricht verkauft. Und der Standard hat da natürlich auch zugeschlagen.
Ich gratuliere Seppi und Burli aus der Sportredaktion zum Schlagzeilen-Namen Fischi für die frischgebackende Olympiasiegerin Andrea Fischbacher. D’Fischbocherin wäre ja zu lang gewesen, und seit Schlieri, Kirchi, Dorfi, Walchi, Meisi, Lizzi und Goldi ist bekannt: Babysprache gehört zum Wintersport wie Boxenluder zur Formel 1.

Es gibt eine merkwürdige Symbiose zwischen den Richard Lugners und Paris Hiltons dieser Welt und dem Boulevard: Erstere liefern Klatsch, Bilder und Aufreger und bekommen dafür ein bisschen Aufmerksamkeit. Ob die Story stimmt oder Relevanz hat, ist zweitrangig, solange sie beim Leser Emotionen weckt.

Wie heiß auch weniger boulevardeske Medien wie DerStandard.at und die Süddeutsche Zeitung auf solche Nicht-Nachrichten sind, zeigt die Geschichte des angeblichen Wiederauftauchens des Schon-vor-10-Jahren-C- und heute F-Promis und selbsternannten Hackers Kim Schmitz. Er soll in Neuseeland ein teures Haus erworben haben.
Die Quelle ist – wie bei Geschichten rund um Schmitz auch früher schon – denkbar fishy. DerStandard.at schreibt: „Wie die Süddeutsche Zeitung in Berufung auf ein neuseeländisches Blatt berichtet..“ Diese neuseeländische Zeitung wiederum hat die Information aus allererster Hand:
A source who wishes to remain anonymous said Kim Schmitz was the man behind an arrangement including a long-term lease of the 24.3ha estate, and sale once the lease expires.
Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass dieselbe „anonyme Quelle“ auch die Süddeutsche auf den neuseeländischen Artikel hingewiesen hat.
BildBlog, wo die Herkunft der Geschichte dokumentiert wurde, nennt das treffend „Gerüchterstattung“. Das („Hacker-Legende taucht wieder auf“) erinnert mich auch an das Google-Kronstorf-Gerücht, das DerStandard.at 2008 zur Tatsache adelte. (Was sie schlussendlich auch war, aber das tut nichts zur Sache.)
