Ostern? Ah, noch nicht ganz. Das hat auch die Eßlinger-Zeitung erkannt und bessert online aus:
Na dann, Frohe Ost… äh … Weihnachten!
Danke an Astrid aus Tirol für Hinweis und Bilder.
Es sieht aus wie gründlich recherchierter, unabhängiger Journalismus. In Wahrheit ist es ein Wolf im Schafspelz: der Einfluss von PR bei der Erzeugung journalistischer Beiträge.
Bereits mehr als die Hälfte der Berichterstattung hat ihre Wurzeln in PR-Maßnahmen – zu dieser Erkenntnis kamen 40 StudentInnen des australischen Zentrums für unabhängigen Journalismus (ACIJ), die voriges Jahr insgesamt 2203 Artikel von zehn australischen Printzeitungen unter die Lupe nahmen.
In 24 Prozent der untersuchten Berichte dürften sich die JournalistInnen keine signifikante Mehrarbeit angetan haben. Mit anderen Worten: Copy and paste, im besten Fall mit Quellenangabe, ist Redaktionsstandard. Federführend beim Einfluss der PR sind die Kategorien Innovation & Technik (77 %) und Polizei (71%), gefolgt von Bildung, Kunst & Unterhaltung, Gesundheit und Wissenschaft.
Spezial Report mit speziellen Inhalten
Für Projektleiterin Wendy Bacon, preisgekrönte Enthüllungsjournalistin und Professorin am ACIJ, ist vor allem die schleichende Werbung im Aussehen redaktioneller Inhalte ein Problem. Als Spezialreport gekennzeichnet werden LeserInnen über die wahre Intention getäuscht. Ein Phänomen, das wir auch aus österreichischen Medien kennen.
“… if it’s news it’s news, it doesn’t matter where it’s come from”
So kommentierte Brett McCarthy, Chefredakteur von The West Australian, die Studienergebnisse. Immerhin mangelt es an Zeit, Geld und Ressourcen. Da kommen die All-Inclusive-Medienpakete von PR-Agenturen gerade recht. Zum Nullkostentarif gelangen sie im Broadcast-Format mit fertigen O-Tönen, Interviews, Hintergrundinfos etc. direkt auf den Schreibtisch des Journalisten.
Hier steht mehr auf dem Spiel!
Gerade im Gesundheitsbereich können die Folgen von unkritischem Journalismus fatal sein: So wurde laut ACIJ in einem Gesundheitsmagazin äußerst positiv über ein neues Leukämie-Medikament berichtet, ohne dabei auf Risken und Kosten einzugehen. Die US Food and Drug Administration warnte jedoch vor diesem Medikament, nachdem PatientInnen nach dessen Einnahme gestorben waren. Der Journalist bezog sich auf eine Presseaussendung eines Krebszentrums, das im Dienste des Medikamentenherstellers agierte.
Koffer packen für eine Story
Neben fertig aufbereiteten Berichten sind auch teure Reisen und Geschenke erfolgreiche Mittel, um der Beziehung mit dem Journalismus einen Schritt näher zu kommen. So hatte beispielsweise die Tourism Australia von 2008 bis 2009 bei über 1.000 Berichten ihre Finger im Spiel. Zur Erklärung: im Vorfeld nahmen 531 JournalistInnen an ihren media familarization tours teil.
Ist PR der Feind im Bett?
Professionelle Öffentlichkeitsarbeit sei laut Wendy Bacon ebenso wenig schlecht wie eine Partnerschaft mit Journalismus. Aber nur mit entsprechender Transparenz und ohne hinterlistige Mittel. Journalismus müsse immerhin weitergehen als PR, er müsse Quellen kritisch hinterfragen. Ein schwieriges Unterfangen, wie es Chris Mitchell, Chefredakteur von The Australian, auf den Punkt bringt:
“I guess I’m implying, the number of people who go to communications school and go into PR over the years has increased and the number in journalism has shrunk even more dramatically.“
Irlands Finanzkrise beherrscht die Schlagzeilen in ganz Europa, immer öfter ist jedoch auch von der sogenannten Pferdekrise die Rede. Wie Standard, SN, Kleine Zeitung, Presse, OÖN oder auch die Süddeutsche berichten, droht bis zu „20.000 herrenlosen Pferden“ in diesem Winter ein qualvoller Hungertod, da sich ihre Besitzer die Haltung – als direkte Folge der Wirtschaftskrise – nicht mehr leisten könnten. Die meisten beziehen sich dabei auf einen Artikel von Spiegel Online, dem zufolge sogar „mehr als 20.000 Pferde auf der Kriseninsel umherirren“ sollen.
Die herzzerreißende Story hat allerdings gleich mehrere Haken: Weder sind Stray Horses ein neues Phänomen – der „Independent“ berichtete z.B. schon 2005 davon, also lang vor der Finanzkrise, noch konnten wir die Zahl von 20.000 Pferden irgendwo in irischen Medien finden.
Im April 2009, als die Zahl vermutlich erstmals auftaucht, und zwar auf BBC News, wird ein Tierschützer noch mit „20.000 Pferden, die niemand will“ zitiert, von streunenden ist noch nicht die Rede. Im Juni wird sie in einem Interview der Deutschen Welle zur „Zahl, die möglicherweise stimmen könnte“ (was auch immer das heißen mag) und im Oktober sind es im Guardian dann „möglicherweise besitzerlose Pferde“. Spiegel Online schreibt von Schätzungen irischer Tierschützer zu herumstreunenden Pferden, was u.a. in der Kleinen Zeitung zur Tatsache wird: „Wie Spiegel Online berichtet, irren (..) etwa 20.000 Pferde herrenlos umher.“ Stille Post par excellence.
Eines haben alle Berichte gemein: Die Quelle ist immer die – spendenfinanzierte – Dubliner Tierschutzorganisation DSPCA, meist in Form ihres Sprechers, Jimmy Cahill. Deren Mutterorganisation ISPCA auf unsere Frage nach einer verlässlichen Quelle:
There are no definitive numbers on horses abandoned in Ireland, our Inspectors have brought in 13 horses in 2007, 16 in 2008, 23 in 2009 and 41 so far this year.
Nicht nur irische Medien und Websites irischer Behörden schweigen sich zu dieser Pferdekrise erschreckenden Ausmaßes aus, auch die Tierschützer selbst wollen sie also nicht explizit bestätigen.
Offenbar wollte man der doch abstrakten Finanzkrise ein konkretes Gesicht geben. Schade, dass dies nicht mit einer Geschichte geschehen ist, deren Fakten stimmen. Oder, um es in den Worten eines in Irland lebenden Spiegel.de-Users zu sagen:
Mit der Wirtschaftskrise hat das nichts zu tun und wenn hier 20 000 herrenlose Pferde rumlaufen würden, wäre das sicherlich schon jemandem aufgefallen…so einen Unsinn habe ich wirklich lange nicht mehr gelesen!
Das krisengeschüttelte Irland und Haustiere, dieser verlockenden Kombination konnten offenbar auch Qualitätsjournalisten nicht widerstehen, trotz mangelhafter Quellenlage.
Update: Spiegel Online entschärfte den Artikel nach unserer Veröffentlichung und fügte diesen Absatz hinzu:
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand die Zwischenzeile „Mehr als 20.000 Pferde sollen auf der Kriseninsel umherirren“. Dies ist falsch. Tatsächlich geht es um 20.000 Pferde, die nach einer Schätzung der Tierschutzorganisation DSPCA nicht mehr benötigt werden, weil viele Betriebe mit bis zu 200 Pferden seit dem Crash auf dem irischen Pferdemarkt kein Geld mehr einbrächten.
Eine Headline, wie sie auch Peter Bartels kaum besser hingekriegt hätte:
Danke an Quadres für dieses humoristische Highlight.
Gut zwei Wochen sind seit dem letzten Sammelkobuk vergangen und wieder haben sich einige kuriose Kleinigkeiten in der Kobuk-Redaktion angesammelt:
- So lässt die Oe24.at Redaktion einen Tierquäler einem Pferd gleich eine 20 Meter lange Stichwunde zufügen
- Die renommierte NZZ lässt die jahrzehntelange Alleinherschaft der Sozialisten in Wien zu Ende gehen, obwohl die Sozialdemokraten, wie sie seit 1991 heißen, bis 2001 mit der ÖVP regierten.
- Der „Standard“ vom 10. November lässt Angelika Merkel Multikulti für tot erklären.
- Und DerStandard.at adelt das RedBull-Fernsehen ServusTV gleich zu einem öffentlich-rechtlichen Privatsender.
Danke an Hans Kirchmeyr und Michael Breitner für die Hinweise!
Anlässlich der Indienreise Barack Obamas sorgte in US-Medien eine Zahl für Furore: 200 Mio. Dollar täglich sollte der Staatsbesuch kosten, die konservativen Moderatoren Glenn Beck und Rush Limbaugh gaben sich entrüstet, CNN berichtete und vor allem FOX widmete sich der Thematik ausführlich:
https://www.youtube.com/watch?v=7o0jUknE3SM
Um diesen Betrag in Relation zu setzen: Der Afghanistan Krieg kostet die Vereinigten Staaten täglich ca. 190 Millionen Dollar. Eine vergleichbare Afrikareise Bill Clintons im Jahr 1998 schlug ohne den als geheim eingestuften Ausgaben für die Sicherheit mit 42,8 Millionen zu Buche, allerdings für die gesamten 12 Tage. Das entspricht 3,6 Millionen pro Tag, wie die New York Times vorrechnet.
Tatsächlich hatten diese lächerlich hoch wirkenden Zahlen nicht lange Bestand. Als Quelle stellte sich eine NDTV-Meldung (New Delhi Television) heraus, die sich wiederum auf eine anonyme Quelle berief. Spätestens nach der Stellungnahme durch Vertreter des Weißen Hauses war die Falschmeldung als solche enttarnt. Das hielt einige deutschsprachige Regionalmedien aber trotzdem nicht davon ab, sie Tage später zu veröffentlichen.
Vielleicht ist das alles aber auch nur ein rein kulturelles Missverständnis.
Der Informationsdesigner David McCandless ist bekannt für seine wunderbaren Datenvisualisierungen, die mit oft subversiver Kraft helfen, die Welt zu verstehen und versteckte Zusammenhänge zu sehen.
Diese Timeline von 2000 bis 2009 zeigt die Anzahl der News-Artikel zu den Horrorgeschichten der Mediengeschichte: Schweinegrippe (pink), Vogelgrippe (gelb), Rinderwahnsinn (violett), SARS (orange), Millenium Bug (grau, ganz links), Killerspiele (rot), Killerwespen, Handys & Krebs, Asteroidkolisionen (grün-gelb) und ein paar mehr.
McCandless weist auch auf interessante Muster hin, die in der Visualisierung erkennbar sind: So häufen sich die Berichte über Killerspiele regelmäßig zu Weihnachten (Haupteinkaufszeit) und im April, zum Jahrestag des Columbine-Massakers. Auch interessant: Ab 9/11 war, von Asteroidenkollisionen abgesehen, einige Monate Pause
Hier die große Version. Rechte: (cc) David McCandless. Danke an Martin Schobert für den Tipp!
Solarstrom lässt die Strompreise steigen, produziert aber nur wenig Strom und hat keine Klimaschutzwirkung.
So berichteten diesen Herbst unisono alle deutschen Medien, von Welt bis zum Focus-Magazin. Der Spiegel hievte das Thema – „Öko um jeden Preis“ – sogar aufs Cover.
Wie diese Medien den Lobbyisten der Ölindustrie aufsaßen, deckte das ARD-Magazin Monitor auf.
Prädikat sehenswert:
(Via Volker P. auf Facebook)
Ein russischer Polizist flüchtet auf einer Autobahn vor einem Rudel Wölfe, das ganze auch noch auf Überwachungsvideo festgehalten. Ein gefundenes Fressen für die Medien – die ungezähmte Natur schlägt dem Leser entgegen:
Plötzlich wird er von einem Wolfsrudel gejagt (Oe24.at)
Die Raubtiere haben es zum Glück nicht auf ihn abgesehen, sie rennen unbeeindruckt vorbei. (Heute.at)
Bei einer Verkehrskontrolle in Russland kam plötzlich ein ganzes Wolfsrudel angelaufen (Krone.tv)
Doch das Ganze ist nichts anderes als eine virale Marketing-Kampagne einer Vodka Marke, die diese bereits offen zugibt (siehe Making Of).
Hier das Video:
Blick.ch ist ebenfalls darauf reingefallen. Bild.de scheint den Schwindel nach Veröffentlichung bemerkt zu haben, deutliche Spuren hat der bereits entfernte Beitrag dort durch den Facebook-Like-Button hinterlassen.
(Via BILDblog)
Das Kreuzfahrtschiff „Allure of the Seas“ musste unter einer dänischen Brücke durch und es war knapp, darin sind sich alle einig. Nicht ganz so einig ist man sich allerdings darüber wie knapp. Den Start machte am 30.10.2010 der Internetauftritt des Schweizer Fernsehens:
Die Brücke ist nur gerade 30 Zentimeter höher als die «Allure of the seas» (deutsch: Faszination der Ozeane). Eine äusserst ruhige See war deswegen notwendig, um unter der Brücke hindurch zu fahren.
T-online.de ließ sich wenig später ebenfalls nicht lange bitten:
Erst der so genannte „Squat-Effekt“ macht’s möglich. Dieser saugt das Schiff tiefer ins Wasser, je schneller es fährt. Mit Höchstgeschwindigkeit – rund 24 Knoten – muss der Luxusliner diese technische Meisterleistung auf sich nehmen. Zwischen Schornsteinspitze und der Unterkante der Brücke bleiben dann nicht viel mehr als rund anderthalb Meter.
Am Tag darauf würdigte auch heute.at die Leistung des Kapitäns:
Mit nur VIER Zentimeter Platz nach oben brachte der Seebär den Luxusliner unter einer dänischen Brücke hindurch.
[…]
Aufgrund der rauen See beträgt der Abstand zwischen den Schloten und der Unterseite der Brücke nur vier Zentimeter, sagt Hans Nilsen, Offizier einer örtlichen Marine-Einrichtung.
Von 30 Zentimeter bei ruhiger See über rund anderthalb Meter bei Höchstgeschwindigkeit und vier Zentimeter bei rauer See, es kommt wohl auf den Standpunkt an, oder etwa doch auf die zu Grunde liegende Agenturmeldung oder gar die falsche Übersetzung eben dieser? Diese Vermutung kommt auf, wenn man sich die Berichterstattung im englischsprachigen Raum ansieht, welche sich vor allem auf eine Associated Press – Meldung stützt, so zum Beispiel auch die Washington Post:
Hans Nilsen, an official at the Korsoer Naval Station, said the passage went fine, with about a 20-inch (50-centimeter) gap and 1.5 inches (4 centimeters) to spare to the safety margin […]
Für Interessierte: Der Kapitän oder „Seebär“, wie ihn heute.at nennt, erklärt die technischen Details und den Ablauf der Aktion im Zuge eines Videos auf der Website des Schiffes, ganz ohne sich dabei in Zentimeter zu verstricken.