Künstliche Intelligenz ist eine super Sache, eigentlich. Doch ihr wuchernder Einsatz zeigt auch, wann etwa menschliche Kunst doch besser passt als Dall-E und Co. Und auch Zeitungmachen funktioniert (noch) nicht vollautomatisch, wie die Krone seit Anfang des Jahres eindrucksvoll vorführt.
Das Boulevardblatt experimentiert online nämlich mit maschinellen Übersetzungen. Krone-Stories wie „Taylor-Joy: Jawort in Wow-Kleid & mit Gruselkuchen“ gibt es nun auch auf Englisch, einige Artikel schwirren auch auf Französisch, Spanisch, Türkisch, Ungarisch und anderen Sprachen im Netz herum. „This article has been automatically translated“ steht am Ende der englischen Artikel mit Link zum Original-Beitrag. In den anderen Sprachen fehlt dieser Hinweis.
Die übersetzten Texte führen ein kurioses Eigenleben im krone.at-Kosmos: Zum Einen wirken sie wie verirrte Fremdkörper – da es keine eigene Spiegelung von krone.at für die jeweilige Sprache gibt, erscheinen die Übersetzungen eingebettet in der deutschsprachigen krone.at-Umgebung. Und sie zu finden, ist gar nicht so einfach: Die Navigation der Website liefert keinen Hinweis auf ihre multilinguale Doppelbödigkeit, denn Links zu den Übersetzungen sucht man vergeblich. Fündig wird nur, wer den entsprechenden Sprachfilter in einer Suchmaschine setzt.
All das macht bereits einen eigenwilligen Eindruck. Und dann wäre da noch die Qualität der Übersetzungen. Ein Beispiel: Am 16. Oktober 2024 erschien auf krone.at ein Porträt der deutschen Indie-Band „Leoniden“ im Vorfeld ihres Wien-Konzertes. Mehrmals fällt der Bandname der maschinellen Übersetzung zum Opfer („Leonids“ oder „Leonides“), etwa im Titel.
Das Unheil mit Eigennamen geht auch an anderer Stelle weiter. Ein O-Ton über einen Festivalauftritt der Popband „Tränen“ wird auf zu: „Unfortunately, we overlapped with tears, we would have liked to have seen them“. Immerhin war der Zitierte „bandmäßig im Großen und Ganzen“ vom besagten Festival angetan, was die KI fehlinterpretierte: „The band was also generally impressed.“ Während die Leoniden im Original von „Backpfeifen“ sprechen, die es beim Songwriting im Studio unter Umständen setzt, haben sie in der „Übersetzung“ etwas ganz anderes zu befürchten: „we’ll get whistled at in the studio.“ Und beim Zitat „Es gibt nichts Schlimmeres, als eine Band zu sein, die nur das Gängigste und Poppigste macht“, schlägt im Englischen das Tautologie-Monster zu: „There’s nothing worse than being a band that only does what’s popular and pop.“
In den letzten Jahren haben sich maschinelle Übersetzungen deutlich verbessert. Sich auf sie zu verlassen, ist aber trotzdem keine gute Idee. Während menschliche Übersetzer*innen gegebenenfalls freier übersetzen, um eine möglichst natürlich klingende Variante zu finden, bleibt die KI recht nah am Original. Dies führt nicht nur zu holprigen Formulierungen („saying yes in a wow dress & with scary cake“): Die KI übernimmt auch sprachliche Bilder und Wendungen, die in der Zielsprache nicht existieren, wie zum Beispiel „Master Adebar“ als Alias für den Weißstorch. Zudem neigen die wie ChatGPT auf künstlichen neuronalen Netzwerken basierenden Programme zum „Halluzinieren“. So fand sich in der englischen Version eines anderen Berichts über Störche das Wort „delogated“, das es im Englischen nicht gibt.
Wie viele Artikel automatisiert übersetzt werden, ist schwer zu sagen. Spielt man sich mit Google-Suchoperatoren, bekommt man aber ein Gefühl dafür:
Der Falter hat bereits über die maschinellen Übersetzungen berichtet. Dort wollte die Krone nicht kommentieren, ob die Übersetzungen redaktionell überprüft werden. Kobuk hat noch ein wenig tiefer in der Suchmaschine gewühlt und einen weiteren Hinweis darauf gefunden, dass die Übersetzungen wahrscheinlich nie durch die Hände menschlicher Redakteur*innen gegangen sind. Denn statt eines Titels findet sich in mehr als 300 der ca. 6600 englischsprachigen Artikeln die irritierende Headline „Automatically saved draft“. Scheint, als käme die automatisierte Übersetzungs-Pipeline gelegentlich ins Stocken und vergesse dabei den Titel. Publiziert werden die betreffenden Artikel trotzdem. Ein Hoppala, das auch mehrmals in den anderen Publikationssprachen wie etwa Französisch und Türkisch passiert ist.
Welches Ziel verfolgt die Krone mit der automatisierten Mehrsprachigkeit? Um neue Zielgruppen zu erschließen und die Reichweite zu erhöhen, richtete sie dem Falter auf Anfrage aus. Sieht man sich die Sorgfalt an, mit der die Krone die übersetzten Beiträge online stellt, scheint sie das Experiment nicht sehr ernst zu nehmen.
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