„Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.“ Klimaministerin Leonore Gewessler kommt in den Fellner-Medien überhaupt nicht gut weg. Wieso es sich um eine Kampagne handelt und was das mit Inseratengeldern zu tun haben könnte.
Dabei fing alles so gut an. Als sich in den Medien Ende Dezember 2019 abzeichnete, dass Leonore Gewessler Umweltministerin werden würde, schwärmte Wolfgang Fellner, sie sei eine „spannende Ansage“. Am 18. Jänner 2020 schrieb er sogar:
„Leonore Gewessler ist eine (…) beeindruckende Frau: Die von allen geschätzte Managerin von Global 2000 zur Umwelt-Ministerin zu machen, war ein Geniestreich von Kogler. Sie hat die Ideen und die Power für die Umweltwende.“
Von dieser publizistischen Zuneigung ist nichts mehr übrig. Dass oe24/Österreich bestimmte Politiker:innen ganz besonders im Visier hat, ist nicht erst seit der Kampagne gegen die Wiener Stadtpolitikerin Ulli Sima bekannt. Seit geraumer Zeit schießen die Fellner-Medien nun auch gegen Leonore Gewessler.
Wir haben auf oe24.at 319 Artikel gelesen, in denen Gewessler zwischen 1. Juni 2022 und 17. Jänner 2023 erwähnt wird. Konzentriert man sich auf jene, in denen es auch vorrangig um die Grünen-Politikerin geht und sie nicht bloß am Rande vorkommt, bleiben 199 Artikel übrig. Diese haben wir in neutral, negativ und positiv unterteilt. Das Ergebnis spricht für sich:
In der Printausgabe von oe24 sind die Negativberichte in Relation sogar noch höher: Seit Mitte September kommt Gewessler in über 60 Prozent der 39 Artikel, in denen sie zumindest erwähnt wird, nicht gut weg.
Verschwenderisch, heuchlerisch, spalterisch
Das alleine ist freilich noch kein Grund, eine Kampagne zu vermuten, sondern könnte auch einfach an schlechter politischer Arbeit sowie dem Faktum liegen, dass sie 2022 als Klimaministerin durch die Energiekrise permanent im öffentlichen Fokus stand.
Sieht man sich die Artikel im Detail an merkt man aber schnell, dass da etwas faul ist. Drei Elemente fallen in der Kampagne besonders auf:
Element eins: Was kostet die Welt?
Oe24 legt großen Welt darauf, Berichte über Ausgaben des Ministeriums prominent zu platzieren. Hundertausende, ja sogar Millionen von Euro werden da scheinbar nur so rausgeschleudert – eine Einordnung der Ausgaben (etwa Vergleichszahlen zu anderen Ministerien) fehlen. Bestes Beispiel: Am 1. Juni titelte oe24.at „Klimaanlage für die Klimaministerin um 143.100 Euro“. Tatsächlich wurde die Klimaanalage nicht für die Ministerin angeschafft, sondern für einen anderen Standort mit 300 Mitarbeitern, an dem die alte Klimaanlage kaputt war. Oe24 berichtete sogar am nächsten Tag darüber, allerdings nicht unter dem Titel „Richtigstellung“, sondern „Gewessler: Irrer Streit um teure Klima-Anlage“. Aus der Richtigstellung der eigenen Fehlermeldung einen „irren Streit“ zu konstruieren, ist zumindest kreativ.
Element zwei: Die Ministerin ist `ne alte Umweltsau
Großen Wert legt Oe24 auf die Reiserouten der Ministerin, die berufsbedingt öfter außerhalb Österreichs weilt. Fliegt sie, wird das stets hämisch in einem Nebensatz erwähnt. Ihrer Flugbilanz wurden mehrere Artikel gewidmet. Die Devise: Die Ministerin, welche zum Energiesparen und zu Umweltbewusstsein aufruft, ist selbst eigentlich eine Umweltsau. So kritisiert die Boulevardzeitung auch, dass Gewessler den Weg nach New York mit dem Flugzeug ja mal so gar nicht umweltbewusst zurücklegt. Die Alternativen für den Weg Wien-New York sind aber auch etwas beschränkt.
Ähnlich verhält es sich mit Gewesslers Reise zum Weltklimagipfel ins ägyptische Sharm El-Sheikh. „Auch zum Weltklimagipfel reiste die Klimaschutzministerin so umweltschädlich wie möglich an“ war diesbezüglich in Oe24 zu lesen. Na klar: Sie hätte laut Google Maps ja auch 42 Stunden mit dem Elektroauto bzw. 664 Stunden zu Fuß anreisen können.
Element drei: Immer Ärger mit Leonore
Egal was Gewessler macht – gut ist es nie, die Kritik kommt von allen Seiten. Zumindest kann man bei der Berichterstattung von Oe24 keinen anderen Eindruck gewinnen. Die Tonalität geht dabei weit über journalistische Kritik hinaus. Oe24 framed Gewessler als Verhindererin und Problememacherin. Geschrieben wird von Eklats, Planlosigkeit, Attacken, Vorwürfen, Empörung und Krach. Besonders der verhinderte Bau des Lobautunnels scheint der Redaktion sauer aufzustoßen. Dieser wird als „Lobau-Foul“ bezeichnet. Über Vorschläge und Forderungen von Gewessler wird selten neutral berichtet. Aus ihren Vorschlägen werden so etwa „geplante Provokationen der VP-Landesorganisationen“.
Kritik durch Dritte an Gewessler nimmt ohnehin viel Platz in der Berichterstattung der Fellner-Medien ein. Man könnte daraus fast schon eine PR-Strategie ableiten. Wer eine Headline in den Fellner-Medien will, hat eine hohe Chance, diese durch Kritik an der Ministerin zu bekommen. Ganz nach dem Motto „Wer hat noch nicht, wer will noch mal?“ bekommen etwa SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll, Julia Herr, die ÖVP-Wien sowie die Industriellenvereinigung, die ÖVP, die FPÖ durch Christian Hafenecker oder Generalsekretär Michael Schnedlitz prominent Präsenz, Österreichs Bürgermeister üben angeblich gar einen Aufstand gegen die Ministerin.
Herzschmerz statt Lobeshymnen
Von den Vorschusslorbeeren ist zweieinhalb Jahre später nur mehr wenig zu sehen. Das gilt umso mehr für die Kommentare von Wolfgang Fellner und Oe24-Chefredakteur Niki Fellner. An dieser Stelle folgt eine Auswahl von Kommentaren seit Juli.
- „Der Notfallplan der zuständigen Ministerin Gewessler ist ein Witz“, statt Ansagen zu machen gebe sie wie zum Hohn Energiespartipps, die jeder Volksschüler kenne, schreibt Niki Fellner am 10. Juli.
- In der türkis-grünen Regierung sei „nicht viel zu gewinnen, weil mit Gewessler, Rauch & Co ein sicheres Desaster droht“, schreibt Wolfgang Fellner am 27. August.
- Am 10. September erwähnt Wolfgang Fellner „viele absurde Gesetze der grünen Umweltministerin Eleonore (sic!) Gewessler“.
- Am 8. Oktober bezeichnet Wolfgang Fellner Klimaministerin Gewessler und Gesundheitsminister Rauch als grüne „Hofnarren“, denen ein immer mehr an Kaiser Franz Joseph erinnernder Bundeskanzler applaudiere.
- Der Bahnstreik richte sich laut Wolfgang Fellner „direkt gegen Ministerin Gewessler als (Be-)Herrscherin der staatlichen ÖBB“ (28. November).
- Am 5. Dezember versucht sich Niki Fellner am Spagat, gleichzeitig härtere Strafen gegen Raser gut zu finden, die Abnahme ihrer Autos allerdings als ideologiegetriebene Maßnahme der „grünen Anti-Autofahrer-Politik“, die von Gewessler versinnbildlicht werde, zu bezeichen. Mit dieser werde der Koalitionspartner ÖVP von den Grünen zusätzlich vorgeführt.
Wieso der Sinneswandel?
Wieso kippte die Stimmung gegenüber Gewessler? Aufschluss darüber könnte ein Studiogespräch zwischen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Wolfgang Fellner am 10. Dezember 2020 geben.
„Sie kennen ja das G’schäft. Fürs Inserat gibt’s a Gegengeschäft, oder?“, fragte Sobotka im mittlerweile berühmt gewordenen Interview. „Ja, natürlich“, antwortete der Medienmacher.
Schauen wir uns also die Inseratenausgaben an:
In den ersten drei Quartalen 2022 gab Gewesslers Klimaschutzministerium mehr als 5 Millionen Euro für Inserate aus und war damit knapp hinter dem Bundeskanzleramt auf Platz zwei in der Bundesregierung. Gewesslers Ministerium gibt also sehr viel Geld für Inserate aus. Knapp 200.000 Euro davon gingen an die vier Fellner-Medien oe24 TV, Österreich – oe24, Radio Austria und www.oe24.at. Nur drei Ministerien (zählt man das Bundeskanzleramt dazu) zahlten in diesem Zeitraum mehr Geld an Fellner. Aus Sicht des Medienmachers hört sich das soweit nach guten Einnahmen an.
Allerdings: Es geben nicht alle Ministerien gleich viel Geld für Inserate aus. Deshalb macht es Sinn, sich den Anteil der Fellner-Inserate an den Gesamtausgaben anzuschauen. Und hier zeigt sich: Das Innenministerium wendet satte 26,74% des Inseratenbudgets für die Fellner-Medien auf, beim Verteidigungsministerium sind es fast 20%, im Wirtschaftsministerium 13%. Und Gewesslers Klimaministerium? Hier waren es gerade einmal knapp 4%. Unter allen Ministerien, die zumindest ein Inserat in den Fellner-Medien oe24 TV, Österreich – oe24, Österreich am Sonntag, Radio Austria und www.oe24.at geschaltet haben, hat ihr Ressort in Relation am wenigsten Geld an die Fellner-Medien überwiesen.
Das heißt also: Das Klimaministerium hat zwar ein ziemlich üppiges Budget für Inserate, gibt aber relativ gesehen nur einen Bruchteil davon in Fellner-Medien aus. Mit der Berichterstattung könnte das natürlich auch gar nichts zutun haben. Wenn man daran glauben möchte.
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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.
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