Die Europäische Union präsentierte kürzlich eine EU-weit durchgeführte Risikostudie über die Internetnutzung von Jugendlichen und Kindern (pdf), von der teilnehmenden Universität Salzburg hier zusammengefasst.
Nun könnte man z.B. berichten, dass österreichische Kinder viel zu sorglos im Umgang mit Privatsphäreeinstellungen sind, wie das ORF.at getan hat, oder wie zdf.de auf Eltern oft unbekannte Phänomene wie Cyberbullying hinweisen. Doch die Krone greift einfach den reißerischten Aspekt heraus , selbst wenn das die zitierte Studie nicht in dieser Form hergibt, nämlich die Formel Kinder + Sex.
So wird ausführlich über Nachrichten und Bilder mit sexuellem Inhalt und Online-Treffen mit fremden Personen berichtet, jedoch so gut wie nicht über Cyberbullying oder Datenmissbrauch, obwohl dem in der Studie viel Raum gewidmet ist. Und selbst dabei übertreibt die Krone mit falschen Superlativen:
Österreichische Kinder sehen besonders oft Bilder mit sexuellem oder pornographischem Inhalt – 16 Prozent hatten im Internet in den letzten 12 Monaten Kontakt mit solchen Abbildungen, […]
Doch österreichische Kinder liegen hier genau im europäischen Mittelfeld: So sehen in zwölf Ländern – zum Teil deutlich – mehr Kinder sexuelle Bilder, in zehn Ländern sind es weniger als. Oder:
16 Prozent aller österreichischen Kinder haben sich bereits mit fremden Personen aus dem Internet getroffen – eine große Gefahr.“
Eine große Gefahr? Insgesamt hat lediglich 1% aller befragten Kinder angegeben, von einem Offline-Treffen enttäuscht oder verstört gewesen zu sein – und selbst davon gibt die Hälfte an, dass sie dies nicht oder kaum belastet hat. All das mag daran liegen, dass sich die Mehrzahl der Kinder (56%) offline mit solchen „fremden“ Menschen trifft, die bereits irgendeine Verbindung zu ihrer Familie oder ihrem Bekanntenkreis haben. Von 19.345 EU-weit befragten Kindern gaben lediglich sieben an, körperlich verletzt worden zu sein; 14 berichteten über sexuelle Belästigung (in irgendeiner Form).
Ist es nicht eigentlich die Krone, die fatal blauäugig (siehe Titel) ist, wenn sie als einziges Gefahrenmoment für Kinder im Internet das Thema Sex ausmacht?
P.S.: Vielen Dank an Walter R., der uns auf der Kobuk-Facebook-Seite auf diesen Artikel hingewiesen hat!
2 Kommentar(e)
Ich fass es nicht! Wenn ich die Studie (PDF) richtig gelesen habe, dann wird darin keinerlei Aussage über das Alter der offline getroffenen Menschen getroffen. Das heißt, das erste Date eines jungen Pärchens, das sich übers Internet kennengelernt hat, ist da genauso drin wie der 9-Jährige, der im Netz einen gleichaltrigen Tauschpartner für Panini-Bildchen gefunden hat.
Wie daneben man liegt, wenn ma bei diesen Treffen „mit fremden Personen aus dem Internet“ an sabbernde alte Herren denkt, zeigt die nähere Befragung jener Kids, die schlechte Erfahrungen bei solchen Treffen gemacht hatten: Von denen haben sich 75 % (!) mit einem gleichaltrigen (!) oder jüngerem (!) Kind getroffen. Nur 4 % mit einem 20-Jährigen oder darüber.
Na, wer wär da jetzt drauf gekommen, nach dem Lesen der Krone?
Ja, und selbst bei den 4% wird nicht weiter differenziert, wie alt das „Kind“ war (wenn ich mich richtig erinnere). Ich find’s persönlich ja nicht so arg, wenn ein(e) 15-Jährige(r) sich mit jemandem, der 20 oder 21 ist, trifft.