„Heute“ titelte letzten Mittwoch mit „Nur bei uns stiegen die Steuern“:
Manch braver Steuerzahler mag voller Zorn weitergeblättert haben, um auf Seite 4 folgende Schlagzeile lesen zu müssen:
Steuern sind bei uns am höchsten
„Heute“ bezieht sich auf eine aktuelle Studie der OECD (Excel-Datei). Wer sich die Mühe macht, diese Studie genauer zu lesen, wird die Übertreibung von „Heute“ schnell erkennen:
„Nur bei uns stiegen die Steuern“ – FALSCH
Österreich hat seit 2000 einen Anstieg der Steuer- und Abgabenquote in allen Gesellschaftsschichten erlebt. Das ist korrekt. Aber:
Auch in Japan, Korea, Mexiko, Griechenland, Island und Norwegen ist diese Quote seit 2000 gestiegen. Soviel zu „nur bei uns“.
Österreich führt diese Liste nicht einmal an: In allen genannten Ländern außer in Norwegen ist die Steuer- und Abgabenquote durchschnittlich stärker gestiegen als in Österreich.
„Steuern sind bei uns am höchsten“ – FALSCH
Österreich liegt mit 47,9% Steuern und Abgaben vom Jahreseinkommen im OECD-Ranking gerade auf dem fünften Platz hinter Frankreich (49,2%), Deutschland 50,9%), Ungarn (53,4%) und Belgien (55,2%).
3 Kommentar(e)
Wobei man natürlich zugeben muss, dass … in Anbetracht der Unterüberschrift „In anderen EU-Staaten sanken die Abgaben …“ die große Überschrift ja gar nicht mal so falsch ist. Wobei: Griechenland ist das einzige EU-Land neben Österreich, wie die Steuern seit 2000 ebenfalls gestiegen sind.
Ja. Es stimmt, dass die Heute ihre eigene Polemik mit dem Untertitel etwas entschärft. Wie so häufig räumt sie ihren eigenen „Fehler“ sogar noch im Artikel ein, indem sie schreibt, dass in Griechenland dann doch auch noch die Steuern und Abgaben gestiegen sind.
…Das alte Lied von der Fliege und dem Elefanten, denn davon, dass sich Österreich z.B. seit 2000 im Ranking nach dem UN-Index der menschlichen Entwicklung (HDI) um satte 2 Plätze nach vorne geschoben hat und aktuell auf Platz 14 bei der Lebensqualität weltweit steht und dass man in wenigen europäischen Ländern „besser“ leben kann, verliert die Heute zumindest in diesem Artikel kein Wort (online ja , aber auch nur, weil Österreich besser abschneidet, als der „Große Nachbar“ Deutschland) In welchem Kontext dieser Anstieg der Lebensqualität mit größerer Staatskasse zutun hat oder nicht, möchte ich hier gar nicht groß an die Glocke hängen.
Es ist ziemlich sicher, dass es mehr (auch externe) Faktoren sind, die den HDI beeinflussen, aber das alles auszuklammern und die Entwicklung der Steuerlast und hohe Abgaben einseitig zu kritisieren, stellt ein völlig verschwommenes Weltbild dar.
Journalismus muss oft genug komplexe Zusammenhänge einfach darstellen. Das hier ist nichts weiter, als ein typisches Beispiel für einfach nur schlecht recherchierte Titelstory, völlig aus dem Zusammenhang gerissene Fakten und gefährliches Halbwissen.
Wie gesagt: Nicht, dass ich jetzt den Steuern einen direkten Einfluss auf den HDI andichten möchte. Ich bin kein Volkswirtschafter! Aber (um es auf „Heute“-Art zu sagen) von nichts kommt nichts ;D.
Naja…was übrig bleibt, ist, dass die Behauptung in der Schlagzeile faktisch falsch ist, ebenso wie die fatale Falschmeldung in der Schlagzeile auf Seite 4. Der Untertitel soll einen EU-Bezug suggerieren, der allerdings bereits durch die Schlagzeile global transportiert wurde. Das ist in meinen Augen Irreführung der eigenen Leser, denn die Schlagzeile an sich ist reißerisch und schockiert womöglich. Dass es sich dabei lediglich um einen Vergleich mit anderen EU-Ländern und nicht weltweit handelt, wird nicht deutlich genug dargestellt und verkommt zur Randnotiz. Das gleiche Spiel findet sich im Hauptartikel auf Seite 4 wieder. Die immer gleiche Masche der Boulevard-Blätter. Hier wird aufs Billigste Information unterschlagen, Desinformation gebildet, Stimmung gemacht. Das finde ich durchaus ankreidbar.
[…] erste und letzte Verurteilung. Unzählige Fälle von Verletzungen von Persönlichkeitsrechten, von fahrlässiger oder auch mutmaßlich mutwilliger Falschinformation blieben auch in der Vergangenheit genauso […]